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Quellenangabe:
Der Fall des Pastors Joshua Esosa (vom 21.05.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4097/, besucht am 19.03.2024

[21. May 2012]

Der Fall des Pastors Joshua Esosa

Dealer- paranoia und/oder struktureller Rassismus gegenüber Blacks und People of Colour?
:: Flyer als pdf

'Nimmt man die Position eines Unterdrückten ein, so kann man feststellen, dass die Erinnerung etwas ist, was man nicht einfach auslöschen kann; wenn man mit solchen Erinnerungen leben muss, dann ist die Revolte immer nur einen Fußbreit unterhalb der Oberfläche.'

Im Februar 2011 beschuldigte eine Polizeieinheit unter der Leitung von AI Robert Bauer Pastor Joshua, einen afrikanischen Priester der Kirche Grace Ministries International, zahlreichen KundInnen Drogen verkauft zu haben. Er wurde rasch inhaftiert - und zwar ohne irgendein glaubwürdiges Beweismaterial. Wie es scheint, wurde das Urteil bereits vor der eigentlichen Anhörung durch das Gericht gefällt, was eigentlich nichts Neues ist im guten, alten Österreich, in dem Vorverurteilungen Teil des natürlichen Laufs der Dinge sind - insbesondere wenn es um Fälle geht, die 'Fremde' betreffen. Man erinnere sich nur der Urteile, die während der Verhandlungen rund um 'Operation Spring' ausgesprochen wurden: 'Der Beschuldigte wird schuldig gesprochen, unbekannte Mengen von Drogen an unbekannten Orten zu unbekannter Zeit an unbekannte Personen verkauft zu haben.'

Sind Schuldsprüche dieser Art der Hautfarbe geschuldet?
Ist das die Funktionsweise des Rechtssystems, wenn es um MigrantInnen geht?

Der Fall von Pastor Joshua - nur ein weiteres Beispiel


Die Polizei behauptet, sie habe die Drogendealereien des Pastors über einige Zeit hinweg beobachtet und ihn nicht nur Drogen verkaufen sehen (wofür es erstaunlicherweise keinen einzigen, nachweislichen Beleg in Form von Aufzeichnungen, Bildmaterial etc. gibt), sondern auch verfolgt, dass er regelmäßig ein Gebäude in der Mundygasse im 10. Bezirk frequentiert habe. Seltsamerweise erfolgte die Festnahme des Pastors durch die Polizei erst nachdem sie auf der Stadtbehörde in Erfahrung gebracht hatte, dass und wer in diesem Gebäude lebt. Am Morgen der Verhaftung war Pastor Joshua zunächst nicht in dieser Wohnung; als er dort auftauchte, wurde er sofort festgenommen und im Burgenland inhaftiert.

Während der Gerichtsanhörung im Jahr 2011 legte die Polizei folgendes Beweismaterial vor: Sie berief sich erstens auf acht Zeugen, von denen zwei behaupteten, Drogen vom Pastor gekauft zu haben. Erwähnenswert ist vielleicht, dass diese beiden Zeugen während ihrer Inhaftierung von eben jenen Polizisten Besuch erhielten, die den Pastor der Dealerei beschuldigten; dies lässt vermuten, dass es sie kompromittiert sind. Der zweite von der Polizei eingebrachte Beweis war Jam-Mehl: Mit diesem 'Milchpulver', so behaupteten sie, habe der Pastor sein Kokain gestreckt. Diese Substanz, also Jam-Mehl, findet sich in nahezu jedem nigerianischen Haushalt, da Jam in Indien und Westafrika ein weitverbreitetes Nahrungsmittel ist. Zudem - und das zeigt wie fahrlässig und unachtsam die Polizei ist, wenn es um Fälle geht, die schwarze Afrikaner betreffen - fanden sie es nicht der Mühe wert, das von ihnen gefundene Pulver im Labor identifizieren zu lassen, ehe sie es dem Gericht als Beweismittel vorlegten.
Schließlich verwies die Polizei noch auf die schwarz-weißen Schuhe, die sie beim Pastor gefunden hatten und die smarterweise als Schuhe eines Drogendealers identifizierten (wobei Schuhe dieser Art in vielen Schuhschränken zu finden sind). Wie es heißt, habe der Pastor zudem selbst schuldig plädiert - vielleicht weil er den Empfehlungen des von ihm engagierten Anwalts Folge leistete, vielleicht aber auch weil ihm im Zuge der Verhöre mit Abschiebung nach Nigeria gedroht wurde, falls er sich nicht schuldig bekennen würde.

All das war die solide Basis für einen Schuldspruch! Nachdem der Pastor 8 Monate seines 15 Monate Urteils abgegessen hatte, kam er frei. Er hat sich nunmehr entschlossen, Einspruch gegen die Kriminalisierung seiner Person einzulegen, da er Gerechtigkeit obsiegen lassen will.

Netzwerk gegen rassistische Polizeipraxis


Wir sind eine aus Verwandten, FreundInnen, KollegInnen und NachbarInnen zusammengesetzte Gruppe, die für das jüngste Opfer von Rassismus gegenüber schwarzen Männern in Wien eintritt. Es ist nach wie vor gängige Praxis, dass die österreichische Polizei alles, was sie an Druckmitteln zur Verfügung hat - einschließlich des Gesetzes! -, dafür einsetzt, Schwarzen hier das Leben zu verunmöglichen, und zwar unabhängig davon mit wem sie es zu tun haben und, was noch wichtiger ist, wenn es um das Gesetz geht: auch unabhängig davon, was sich diese Person hat zuschulden kommen lassen. Wir glauben, dass Pastor Esosa Unrecht widerfahren ist. Ein solche Ungerechtigkeit gilt uns als rassistisches Vorurteil und ist damit ein Unrecht, das uns allen widerfährt.

Die Frage, vor der wir stehen, lautet: Wie lange können wir noch ruhig bleiben und dabei zusehen, wie unverfrorene Ungerechtigkeiten dieser Art geschehen, ohne in Frage gestellt zu werden? Die Zeit gekommen, zu sagen: 'ES REICHT!' Wir rufen euch und alle Menschenrechtsorganisationen auf, gemeinsam mit uns öffentlich aufzutreten und mit vereinter Stimmkraft, Solidarität für ein weiteres unschuldiges Opfer von Rassismus zu zeigen. Wir wollen gegen alle rassistischen Ungerechtigkeiten auftreten, die ImmigrantInnen in diesem Land erfahren, auch dann wenn diese hinter geschlossenen Türen geschehen. Die Doktrin, sich willkürlich ausgeübter Macht und Herrschaft nicht zu widersetzen, ist absurd und sklavisch! Unterdrückt zu werden, bedeutet, eines Großteils, wenn nicht gar aller grundlegenden Menschenrechte beraubt zu werden! Diesmal geht es um Pastor Joshua Esosa. Gott möge uns ermächtigen, wenn wir für ihn eintreten, insh’allah!


Lasst uns gemeinsam gegen Ungleichheit vorgehen!
Lasst uns gemeinsam gegen Stigmatisierung auftreten!
Lasst uns gemeinsam gegen Rassismus in dieser Gesellschaft kämpfen!

Termine Prozessbeobachtung und Demonstration


Die nächste Gerichtsanhörung findet statt am 6. Juni 2012 um 09:00.
Landesgericht, Saal 305/3. Stock, Wickenburggasse 22, 1080 Wien
Prozessbeobachtung ist gewünscht!

Demonstration, 1. Juni 2012
--> 14:00
Sammelpunkt vor dem Justizministerium
Museumsstraße 7, 1070 Wien / Weghuberpark
(U3, U2, 48A, Ecke Neustiftgasse, in der Nähe des Volkstheaters)
--> 14:45
Demonstrationszug über die Museumsstraße zur Landesgerichtsstraße
(hinter dem Rathaus, U2, vorbei)
--> 15:15
Statements vor dem Landesgericht für Strafsachen
Landesgerichtsstr. 11, 1080 Wien
(1 Haltestelle entfernt vom Schottentor, U2, mit der Bim 43 und 44)
--> 16:00
Ende der Demonstration

Allen die diesen Aufruf unterzeichnen wollen, können ihren Namen, ihre Funktion und ihre Email an folgende Adresse senden:
junefirst2012 (at) hotmail.com