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Quellenangabe:
10. - 12. Oktober 2012: Demonstration und Dauerkundgebung somalischer Flüchtlinge in Wien (vom 09.10.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4209/, besucht am 08.12.2024

[09. Oct 2012]

10. - 12. Oktober 2012: Demonstration und Dauerkundgebung somalischer Flüchtlinge in Wien

Dublin II- Abschiebung, fehlende Flüchtlings- anerkennung, willkürliche Asylentscheide, soziale Ausgrenzung - Flüchtlinge wollen 2 Tage und Nächte vor Parlament protestieren.

In Reaktion auf ihre prekäre Lebenssituation haben sich somalische Flüchtlinge in Österreich zusammengeschlossen, um gemeinsam für ihre Rechte zu protestieren. Sie planen für Mittwoch, 10. Oktober, ab 13 Uhr, einen Demonstrationszug vom Bundesasylamt (Landstraßer Hauptstraße 171, 3. Bezirk) zum östereichischen Parlament. Dort wollen sie anschließend 2 Tage und Nächte, bis Freitag, 12. Oktober, 15 Uhr, bleiben und ihren Forderungen Gehör verschaffen. Unterstützt wird der Flüchtlingsprotest von den antirassistischen Basisinitiativen "1. März transnationaler MigrantInnenstreik", "Afrique Europe Interact", "Familien und FreundInnen gegen Abschiebung" und "Plattform Bleiberecht Innsbruck", sowie von SOS Mitmensch und Asyl in Not.


Dublin-II-Abschiebungen


Der diskriminierende Umgang mit den Flüchtlingen aus dem kriegsgeplagten Somalia, die oft eine jahrelange Odyssee über tausende Kilometer Land- und Seeweg hinter sich haben, beginnt mit der Ankunft im Erstaufnahmelager in Traiskirchen: Zunächst müssen die Flüchtlinge ihre Fingerabdrücke abgeben, um zu prüfen, ob sie vorher nicht in einem anderen EU-Land registriert wurden. Denen, die durch diese Prüfung durchfallen, wird der Zugang zum österreichischen Asylsystem verweigert. Sie müssen damit rechnen, nach Ungarn, Italien, Malta oder die Slowakei abgeschoben zu werden, wo Flüchtlinge über Monate eingesperrt oder ohne jegliche Unterstützung auf die Straße geworfen werden.


Willkürliche Asylverfahrenspraxis


Von den BeamtInnen bei der Asylanhörung erleben die Flüchtlinge einen respektlosen und einschüchternden Umgang. Über ein undurchschaubares Sprachidentifizierungsverfahren, das von angeblichen GutachterInnen, die selbst nicht anwesend sind, per Telefon durchgeführt wird, wird entschieden, aus welcher der 3 Regionen Somalias (Zentralsomalia, Somaliland und Puntland) die betroffene Person angeblich kommt - dies wird als Grundlage für die unterschiedliche Bewertung der Fluchtgründe benutzt. In völliger Verkennung der Realität behaupten österreichische Behörden, die Lage in Somalia habe sich stabilisiert und es sei möglich, dorthin zurückzukehren. Aber im Land herrscht nach wie vor Krieg. Kürzlich wurde eine neue Regierung eingesetzt, doch die Lage hat sich durch die Kämpfe zwischen islamistischen Al Shabab-Milizen und den Truppen der AMISOM-Mission der Afrikanischen Union weiter verschlimmert. Erst letztes Jahr herrschte eine schwere Hungerkatastrophe. Für die Menschen in Somalia gibt es bis heute keine Chance auf ein sicheres Leben.


Prekärer Rechtsstatus


Die Asylverfahren dauern quälend lange, oft zwei bis vier Jahre oder mehr, und am Ende steht oft die Ablehnung des Flüchtlingsstatus. Viele somalische Flüchtlinge bekommen dann nur einen sog. "subsidiären Schutz" - dieser bietet jedoch kein adäquates Aufenthaltrecht. Er wird nur für je 12 Monate erteilt, ohne Sicherheit auf Verlängerung. Immer mehr SomalierInnen wird jedoch sogar dieser prekäre "Schutz" verweigert - die Folge ist ein Leben in völliger Unsicherheit und Rechtlosigkeit.


Soziale Entrechtung


Viele Flüchtlinge leben über Jahre, in denen sie keine positive Asylentscheidung bekommen, in einem Lager, ohne Recht auf Arbeit, Wohnung oder staatliche Unterstützung, ohne Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben. Viele von ihnen sind krank, besonders in den Flüchtlingsunterkünften auf dem Land gibt es keine Infrastruktur für Ausbildung und Gesundheit. Traumatisierte würden aufgrund der Erfahrungen in Somalia besondere Unterstützung brauchen, aber niemand kümmert sich um sie. Ca. 50 SomalierInnen haben kürzlich ihren Putzjob am Flughafen verloren, weil ihnen die Arbeitserlaubnis vorenthalten wurde. Auch von denen mit "subsidiärem Schutz" bekommen viele keine Arbeit, weil Verträge für länger als nur ein Jahr abgeschlossen werden sollten. Sie können oft kein Bankkonto eröffnen, keinen Führerschein machen und nicht frei reisen, da sie keinen anerkannten Ausweis bekommen. Außerdem werden ihnen keine Wohnungen durch die Stadt gegeben - diese Notlage machen sich skrupellose VermieterInnen zu Nutze, die für ein minimal kleines Zimmer völlig überteuerte Mieten nehmen.


Die somalischen Flüchtlinge wollen diese Zustände nicht mehr hinnehmen und fordern:

Presseaussendung von Somalischen Flüchtlingen in Österreich und Unterstützer_innen, Wien am 9. Oktober 2012.