Quellenangabe:
'Kinder gehören nicht in Großlager' (vom 22.10.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4226/,
besucht am 21.11.2024
[22. Oct 2012]
Initiative "Gegen Unrecht - Kinder gehören nicht ins Gefängnis" fordert verantwortlichen Umgang mit Kinderflüchtlingen. Aktion am Dienstag, 23. Oktober 2012 um 10:45 Uhr vor dem Bundeskanzleramt, Ballhausplatz/Ecke Schauflergasse, 1010 Wien.b
Wien, 22. Oktober 2012 - "Kinder gehören nicht ins Gefängnis. Kinder gehören aber genauso wenig in ein Großlager", zeigt sich die Initiative "Gegen Unrecht-Kinder gehören nicht ins Gefängnis!" von Amnesty International Österreich, Caritas, Diakonie und SOS-Kinderdorf schockiert über die aktuellen Bilder und Berichte aus der Flüchtlings-Erstaufnahmestelle in Traiskirchen. Derzeit befinden sich dort rund 600 Kinder und Jugendliche. Darunter sind einige unter 14 Jahren, die alleine nach Österreich gekommen sind. Sie sind ohne ihre Eltern geflüchtet, die ihnen Schutz und Orientierung geben könnten. Und sie haben in Traiskirchen keinen geregelten Tagesablauf, keine adäquate Betreuung, keine Möglichkeit Deutsch zu lernen oder zur Schule zu gehen.
Anlässlich des morgigen Asylgipfels fordert die Initiative "Gegen Unrecht" einen verantwortlichen Umgang mit Kinderflüchtlingen. "Hier werden Menschenrechte mit Füßen getreten", kritisiert Heinz Patzelt, Generalsekretär Amnesty International Österreich. "Österreich muss sich seiner Verantwortung für die minderjährigen Flüchtlinge in Traiskirchen stellen. Weil sieben von neun Bundesländern ihre Quote nicht erfüllen, sitzen Kinder und Jugendliche derzeit in Traiskirchen in nicht geeigneten Quartieren fest. Es ist ein menschenrechtlicher Skandal, dass mit den Allerschwächsten ein Ping-Pong-Spiel geführt wird", so Patzelt.
"Flüchtlingskinder dürfen nicht länger als Kinder zweiter Klasse behandelt werden! Die verantwortlichen Politiker[_innen] von Bund und Ländern müssen einfach umsetzen, was Sie vor Jahren versprochen und vereinbart haben! Ich wünsche mir, dass vom Neusiedlersee bis hinter den Arlberg endlich die Flüchtlings-Quotenregelung ausnahmslos und von allen eingehalten wird!", fordert Caritasdirektor Michael Landau.
"Es war ein steiniger Weg, die Kinderrechtskonvention in der Verfassung zu verankern. Dass aber scheinbar nicht daran gedacht wird, sie auch umzusetzen ist erschütternd", kritisiert Michael Chalupka, Direktor der Diakonie. Die aktuelle Situation widerspreche ganz klar der Kinderrechtskonvention, die nicht nach Nationalität oder Aufenthaltsstatus unterscheidet. "Wir verstehen nicht, warum die Politik in Österreich Unterschiede zwischen Kindern verschiedener Herkunft macht. Für uns sind Kinder Kinder, und sie müssen geschützt und versorgt werden", so der Direktor der Diakonie.
"Während meiner langen Tätigkeit für SOS-Kinderdorf, habe ich viele Schicksale von Kindern miterlebt. In all den Jahren ist mir noch nie ein halbes Kind untergekommen. Es darf nicht vom Pass abhängen, wie viel Unterstützung Kinder erhalten. Braucht ein zehnjähriges Kind aus Afghanistan nur halb so viel zu essen? Nur halb so viel Kleidung? Nur halb so viel Begleitung und Betreuung? Nur halb so viel Schulbildung wie ein Zehnjähriger aus Österreich? Denn unbegleiteten Kindern werden fast ausnahmslos in ganz Österreich nur die halben finanziellen Mittel und Ressourcen zuerkannt wie einem österreichischen Kind, das zum Beispiel in einer Kinderwohngruppe im SOS-Kinderdorf lebt. Es gibt kein halbes Kindeswohl! Deshalb forderte ich: Schluss mit den halben Sachen - es ist Zeit für ganze Lösungen!", so Christian Moser, Geschäftsführer SOS-Kinderdorf Österreich.
Die aktuelle Situation stehe außerdem im Widerspruch zum Gesetz, betont Heinz Fronek, Experte für Kinderflüchtlinge der asylkoordination österreich. "Unbegleitete Jugendliche unter 14 Jahren dürfen aufgrund eines Beschlusses des Koordinationsrates gar nicht in die Erstaufnahmestelle aufgenommen werden", führt er aus. Weiters entspreche auch die Behauptung der Verantwortlichen, dass die Unterbringung nur für wenige Tage erfolge, nicht der Realität. "Unsere Erhebungen haben ergeben, dass die Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmestelle bei unbegleiteten Kindern extrem lange ist - im Durchschnitt 150 Tage! Fünf Monate ohne ausreichende sozialpädagogische Unterstützung, ohne Schulunterricht und zusammengepfercht in überfüllten Zimmern", zitiert Fronek aus den Erhebungen der Asylkoordination.
Im Herbst 2010 haben sich Caritas, Diakonie, SOS-Kinderdorf und Amnesty International spontan zur Initiative "Gegen-Unrecht: Kinder gehören nicht ins Gefängnis!" zusammengeschlossen. Die Initiative hat Unrecht benannt, als zwei kleine Zwillingsmädchen von ihrer kranken Mutter getrennt und brutal abgeschoben wurden. Gemeinsam mit über 116.000 Menschen und mehr als 75 Organisationen von Pfadfinder[_inne]n, Kinderfreund[_inn]en, der Jungen Industrie bis zu Gewerkschaftsjugend wurde sowohl die Einführung der Kinderrechte in die Verfassung erreicht, als auch ein humaner und rechtsstaatlichen Umgang mit Flüchtlingen und speziell Flüchtlingskindern gefordert. Einiges konnte die Zivilgesellschaft gemeinsam zum Positiven verändern. Aus diesem Grund meldet sich die Initiative auch jetzt zu Wort, weil Tag für Tag Unrecht passiert. Weil Politikerinnen und Politiker nicht halten, was sie vielfach in ihren Sonntagsreden versprechen: Nämlich, dass Kinder der höchste Schatz in unserer Gesellschaft sind und dass alle Kinder gleiche Rechte verdienen.
Am Dienstag, 23. Oktober 2012 findet um 10:45 Uhr (während des Minister_innenrats, vor dem Pressefoyer) eine Aktion vor dem Bundeskanzleramt statt. "Verlassene" Schultaschen symbolisieren schulpflichtige Kinder, denen aufgrund der Unterbringung in Traiskirchen das Recht auf Schulbildung verwehrt wird. Besuchen Sie uns (oder riskieren Sie einen Blick aus dem Fenster, falls Sie auf das Pressefoyer nach dem Ministerrat warten):
1010 Wien, Ballhausplatz/Ecke Schauflergasse, 10:45 Uhr.
Aussendung der genannten Organisationen vom 22. Oktober 2012.