Quellenangabe:
Berlin: Flüchtlinge im Hungerstreik vor dem Brandenburger Tor (vom 27.10.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4229/,
besucht am 21.11.2024
[27. Oct 2012]
Im März 2012 begannen in Würzburg Proteste von Flüchtlingen, die sich über ganz Deutschland ausbreiteten. Am 6. Oktober 2012 kam ein Protestmarsch in Berlin an. Seither gab es in der Hauptstadt mehrere Aktionen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, sind am 24. Oktober ca. 20 Flüchtlings- Aktivist_innen in Hungerstreik getreten.
Aktuell :: Livestream vom Brandenburger Tor
Inhalt:
In den sieben Monaten unseres Protestes gegen die Asylpolitik haben wir gezeigt, dass nicht nur wir das unmenschliche Asylgesetz nicht anerkennen. Insbesondere durch die breite Unterstützung der deutschen Öffentlichkeit für unseren Fußmarsch von Würzburg nach Berlin, wo wir die Sammelunterkünfte boykottiert und die uns auferlegte Residenzpflicht aberkannt haben, aber auch durch die überwältigende Teilnahme an der Demonstration am 13.10.2012, ist deutlich geworden, dass wir mit unseren Forderungen nicht alleine sind.
Unser Protest hört nicht hier auf, sondern setzt sich fort bis zur Abschaffung der geltenden Asylgesetze.
Unser Protest richtet sich gegen die Regierung, die heute nach 70 Jahren die unmenschlichen Taten der Nationalsozialist_innen entschuldigt, die eine halbe Million Roma und Sinti das Leben gekostet hat.
Die heutige Veranstaltung findet nur zwei Wochen nach dem Beschluss des deutschen Innenministers fest, Sinti und Roma innerhalb kürzester Zeit abzuschieben.
Dieser Protest richtet sich gegen die Regierung, die durch die Asylpolitik systematisch psychischen Druck auf die Flüchtlinge ausübt und sie oftmals in den Suizid treibt.
Wir fordern die Abschaffung des Abschiebungsgesetzes und solidarisieren uns mit den Sinti und Roma, die auch hier in Deutschland in prekären Verhältnissen leben.
Wir wenden uns gegen die diskriminierende Politik der Bundesrepublik Deutschland, die uns ein menschenwürdiges Leben in diesem Land verweigert. Wir sehen keine weitere politische Möglichkeit, als in den unbegrenzten Hungerstreik zu treten, um der deutschen Politik vor Augen zu führen, zu welchen Konsequenzen ihre Gesetze führen.
Wir wollen keine nachträglichen Entschuldigungen und Erklärungsversuche, sondern verlangen die sofortige Umsetzung unserer Forderungen und die Ausweitung der Rechte für alle Menschen, die in diesem Land Asyl suchen.
Unsere Forderungen sind:
Berlin, den 24. Oktober 2012
In mehreren anderen Städten Deutschlands gibt es nach wie vor ein Protestcamps Flüchtlingen. In Berlin stehen die Zelte weiterhin am Oranienplatz. Um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen, begannen einige Flüchtlinge am 24. Oktober 2012 einen unbefristeten Hungerstreik. Gemeinsam mit Unterstützer_innen errichteten sie gegen 16 Uhr ein Zelt vor dem Brandenburger Tor. Dieses sollte als Schutz vor dem miesen Wetter dienen, doch die Polizei hatte etwas dagegen. Gegen 21:45 baute ein massives Aufgebot uniformierter Einheiten das Zelt wieder ab (siehe :: Video auf YouTube). Für die Hungerstreikenden und einige Unterstützer_innen war klar, dass sich auch ohne Dach über dem Kopf, ohne vor Kälte und Nässe schützenden Isomatten und Schlafsäcken am Brandenburger Tor bleiben.
Am 25. Oktober, dem zweiten Tag des Hungerstreiks, wurde folgendes Statement veröffentlicht:
"Wir, die hungerstreikenden Asylsuchenden am Brandenburger Tor sind auf der Straße, obwohl die Polizei uns rassistisch behandelt. Wir haben unseren Hungerstreik am 24.10.2012 begonnen um unsere vier Ziele durchzusetzen. Aber nachdem wir einen Nacht im Regen ohne Zelt, Schlafsack und Isomatte geschlafen haben, sind wir heute am zweiten Tage unseres Hungerstreiks in einer schlechten Situation. Die Regierung in Form der Polizei setzt uns unter enormen Druck und versucht es unmöglich zu machen auf der Straße zu bleiben. Wir, die Hungerstreikenden Asylsuchenden in Berlin, geben bekannt:
Es hat nicht heute oder gestern angefangen, wir sind seit 7 Monaten auf der Straße und kämpfen mit all unserer Kraft für unsere Rechte. Unser Widerstand auf der Straße wird weitergehen egal was passiert. Heute, am 25.10.2012, werden wir die zweite Nacht auf der Straße verbringen und wir rufen all jene die unseren Kampf für die Rechte der Asylsuchenden und Einwanderer unterstützten wollen dazu auf mit einem Schlafsack zum Brandenburger Tor zu kommen und die ganze Nacht mit uns solidarisch auf der Straße zu verbringen. Eine Bewegung auf der Straße braucht Solidarität auf der Straße."
Am 26. Oktober gegen 1:45 Uhr machte sich die Polizei erneut wichtig. Mehrere Einheiten forderten die Anwesenden dazu auf, Schlafsäcke und Isomatten zu entfernen. Bei der anschließenden gewaltsamen Entfernung der Schlafsäcke und Decken durch die Polizei wurden drei Personen vorübergehend festgenommen. Ein Hungerstreikender wurde verletzt und musste - begleitet von der Polizei - ins Spital.
Gegen 8:00 Uhr gingen die Polizeiübergriffe am Brandenburger Tor weiter, erneut versuchten Beamt_innen, Schlafsäcke und Isomatten zu stehlen, wobei drei der Hungerstreikenden festgenommen wurden.
Es gab in der Folge eine Solidaritätsdemonstration zur Gefangenensammelstelle (GESA) in Moabit, in die die Gefangenen gebracht wurden. Dort wurde die Polizei erneut gewalttätig und nahm bei der Räumung des Platzes vor der Polizeiwache weitere Leute vorübergehend fest.
Um ca. 17:00 konnten alle Gefangenen wieder gehen und die Demonstration zog zurück zu den Hungerstreikenden am Brandenburger Tor. Dort wollen die Hungerstreikenden noch die nächsten Tage und Nächte bleiben. Die Flüchtlinge rufen dazu auf zum Brandenburger Tor zu kommen um sie in ihrem Kampf zu unterstützen.
Updates und aktuelle Informationen über die Proteste u.a. auf :: refugeetentaction.net, :: asylstrikeberlin.wordpress.com, :: Facebook, :: Twitter und :: thecaravan.org.
Dies ist nicht die erste Protestaktion von Flüchtlingen in Deutschland. Seit Jahren kämpfen viele für ihre Rechte. Doch am 18. März 2012 begann in :: Würzburg ein Protest auf der Straße, der bis heute andauert. Auslöser war der :: Selbstmord von Mohammad Rahsepar Ende Jänner 2012 in einem Würzburger Flüchtlingslager. Nach einem Boykott der in Bayern zugeteilten Essenspakete traten sie am 18. März in der :: Würzburger Innenstadt in den Hungerstreik. Dort harrten sie bis zum 8. September aus. Nach mehreren Pausen nähten sich einige von ihnen Mitte Juni die Lippen zu und traten in einen trockenen Hungerstreik. Anfang Juli erfolgte die Ausweitung des Protestes auf mehrere Städte. Schon bald gab es Protestzelte in :: Aub, :: Bamberg, :: Berlin, :: Düsseldorf, :: Nürnberg, :: Passau und :: Regensburg. Nach vielfältigen :: Aktionen vor Ort begann am 8. September ein Protestmarsch von Würzburg bis Berlin. Gleichzeitig fuhren Aktivist_innen mit einem :: Bus durch Nord- und Westdeutschland und machten mit Aktionen wie der Besetzung der Ausländerbehörde in Bielefeld auf sich aufmerksam.
Die Polizei versuchte permanent die Zelte durch Schikanen wie Verboten von Schlafen, Heizung, Strom, Zunähen der Lippen, geschlossenen Zelten, etc... zu zermürben. Doch die Repression blieb zumindest bei einigen ohne Wirkung. Zwei Tage vor Beginn des Protestmarsches nach Berlin wurde in Würzburg ein Flüchtling :: wegen Verletzung der Residenzpflicht festgenommen und zurück nach Düsseldorf gefahren. Das Signal war klar: Einschüchterung. Unbeeindruckt davon :: begannen am 8. September ca. 20 Flüchtlinge nach Berlin zu laufen. Übernachtet wurde teilweise auf freiem Feld und Angriffe von Nazis entschlossen abgewehrt (:: siehe YouTube Video).
Sehenswerte Videos zum Protestmarsch gibt es z.B. von 3sat :: 1 :: 2 :: 3 oder von :: Cosmo Tv, gesammelte Videoclips auf :: refugeetentaction.net.
Fotos vom Protestmarsch im :: Umbruch-Bildarchiv.
Der Protestmarsch erreichte am 6. Oktober Berlin. Seitdem ist das Protestcamp am Oranienplatz gewachsen und es kam zu verschiedensten Aktionen. Am 13. Oktober gab es eine :: Demonstration mit mehr als 6000 Teilnehmenden vom Oranienplatz zum Reichstag (Fotos im :: Umbruch-Bildarchiv). Dieser vorläufige Höhepunkt des Refugee Protest Marches von Würzburg nach Berlin war ein starkes Signal gegen Residenzpflicht, Lagerzwang und Abschiebungen.
Am 15. Oktober :: besetzten einige Aktivist_innen die Nigerianische Botschaft um auf dubiose Abschiebepraktiken aufmerksam zu machen. Die Polizei verhaftete dabei 28 Personen, lies aber alle am selben Abend wieder frei. Viele der festgenommen berichteten im Anschluss von :: rassistischen Misshandlungen.
Am 20. Oktober startete ein weiteres Flüchtlingscamp bei der Hauptwache in :: Frankfurt.
Am 24. Oktober traten einige Flüchtlinge :: vor dem Brandenburger Tor in den Hungerstreik. Eine Kundgebung ist dort angemeldet. Schlafen und jegliche Schlafutensilien, aber auch die Benützung von Stühlen sind verboten. Die hungerstreikenden Flüchtlinge sind dennoch gewillt weiter vor dem Brandenburger Tor zu protestieren. Sie rufen dazu auf vorbei zu kommen um sie in ihrem Kampf zu unterstützen.
Am 24.10 traten etwa 20 Flüchtlinge am Brandenburger Tor in Berlin in einen unbefristeten Hungerstreik. Damit führen sie ihren Kampf um die Anerkennung aller Asylsuchenden als Flüchtlinge konsequent in das nächste Stadium. Ihre Forderungen sind:
Zwei Tage und Nächte harren sie nun schon auf dem Pariser Platz aus. Die Polizei hat ihnen ihr Zelt abgenommen und jede Decke, jeden Schlafsack, jede Isomatte, selbst Rettungsdecken zum Schutz vorm Auskühlen. Dies alles wäre nicht vom Versammlungsrecht geschützt lautet die vorgeschobene Argumentation. Dabei ist mehr als offensichtlich, dass es darum geht, den Widerstand der Hungerstreikenden zu brechen, sie zu schwächen, damit sie ihren Kampf aufgeben. Dabei riskieren die Politik und ihre ausführenden Kräfte die Gesundheit und das Leben der Flüchtlinge.
Heute Nacht wurden drei der Flüchtlingsaktivist_innen festgenommen - weil sie weiterhin versuchten, sich mit Decken vor der Kälte zu schützen. Eine Solidemonstration machte sich soeben zur Gefangenensammelstelle zur Perlebergerstr. auf, um sie dort in Empfang zu nehmen.
Wir möchten an dieser Stelle alle Menschen dazu aufrufen, ihre grenzenlose Solidarität mit den hungerstreikenden Flüchtlingen auszudrücken. Treten sie selber in den Streik gegen dieses rassistische System, das den Flüchtlingen ihre Menschenrechte verweigert! Kommen sie zum Brandenburger Tor und schützen sie die Flüchtlinge vor Übergriffen der Polizei. Bringen sie heißes Wasser, Tee, Reiserucksäcke und Wärmflaschen mit. Setzen sie sich wo sie können dafür ein, dass die Forderungen der Flüchtlinge umgesetzt werden! Die Unterdrückung und Missachtung der Rechte von einzelnen Gruppen ist nur dann möglich, wenn die Mehrheitsgesellschaft ihre Augen verschließt.
Solidarität mit den hungerstreikenden Flüchtlingen am Brandenburger Tor und in den vier verschiedenen Lagern in Polen an der Grenze zu Weißrussland!
Protest-Camp am Oranienplatz, 26. Oktober 2012
Quellen :: refugeetentaction.net, 24. Oct 2012, :: 25. Oct 2012 :: 26. Oct 2012, :: asylstrikeberlin.wordpress.com, 26. Oct 2012, :: linksunten.indymedia.org, 25. Oct 2012.