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Quellenangabe:
Fünf Wochen Proteste von Flüchtlingen - gegen rassistische Gesetze und rassistische Hetze (vom 28.12.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4337/, besucht am 28.03.2024

[28. Dec 2012]

Fünf Wochen Proteste von Flüchtlingen - gegen rassistische Gesetze und rassistische Hetze

Mit einer beispiellosen Hetz- kampagne über die Medien bereitete die Wiener Polizei die Räumung des Protest- camps der Flüchtlinge im Sigmund-Freud-Park vor. Nach fast fünf Wochen wurde es am frühen Morgen des 28. Dezember 2012 von einem enormen Aufgebot der Polizei geräumt.

Seit Wochen ist in diversen Schmierblättern und Onlinemedien immer wieder zu lesen: Die Flüchtlinge, die am 24. November 2012 auf ihren eigenen Füßen von der Erstaufnahmestelle Traiskirchen nach Wien demonstrierten, um für ihre Rechte zu kämpfen, würden instrumentalisiert werden. Alle, die sich die Mühe machten und das Protestcamp besuchten, um mit den Geflüchteten zu reden, konnten sich vom Gegenteil überzeugen: Hier protestierten Menschen, die nach Österreich flüchteten, um hier um Asyl anzusuchen, jedoch auf menschenunwürdige Zustände stießen.

Der Traum der Demokratie in Europa, der Traum von einem Leben im Frieden und der Achtung der Menschenrechte, davon bekamen sie nicht viel mit. Statt dessen erfuhren sie Schikanen durch die Behörden, Kontrollen durch Polizei und Lagerleitung in Traiskirchen, teilweise Verweigerung des Zugangs zum Asylverfahren, schnelle Ablehnung von Asylanträgen, oft ohne dass die Flüchtlinge ihre Fluchtgründe vorbringen konnten, keine Unterstützung in rechtlichen Fragen, die für den positiven Ausgang von Asylverfahren enorm wichtig ist, unqualifizierte Dolmetscher_innen, mangelhafte Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und vor allem kein Verständnis für ihre Lage. Die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden, denn die Migrations- und Asylpolitik in Österreich zeichnet sich, wie im Rest der EU, vor allem durch eines aus: Flüchtlinge möglichst vor Erreichen der EU aufzuhalten oder wenn sie es doch schaffen, dann ihnen das Leben so unerträglich wie möglich zu gestalten. Diese Politik kostete bereits unzähligen Menschen das Leben, was den Schreibtischtäter_innen aus Politik und Beamt_innenschaft jedoch völlig kalt lässt, sind es doch sie, die diese Maßnahmen anordnen und durch die Exekutive umsetzen lassen. Und nicht selten kommt es vor, dass die Handlanger_innen, die aus rassistischen Motiven Migrant_innen umbringen, anstatt ihren Job zu verlieren und mit Konsequenzen zu rechnen haben, einen Orden verliehen bekommen. So lud vor ein paar Jahren die damalige Justizministerin Justizwachebeamte aus NÖ, die einen Häftling zu Tode prügelten, zu Kaffee und Kuchen in ihr Ministerium um sie für ihren Einsatz zu belohnen.

Vor diesem Hintergrund sind die Proteste von Flüchtlingen und Migrant_innen zu sehen, die überall in Europa auf die Straße gehen, um ihre Rechte einzufordern. Und dies nicht erst seit ein paar Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren - was von den Medien gerne verschwiegen wird. Doch als sich am 24. November an die zweihundert Flüchtlinge aus der EASt Traiskirchen Richtung Wien in Bewegung setzten, konnte dies nicht mehr verschwiegen werden. Immer wieder erschienen auch positive Berichte über die Proteste der Geflüchteten, wenngleich die hetzerische Berichterstattung nie verschwand. Von Anfang an wurde versucht, die Proteste als Instrumentalisierung der Flüchtlinge darzustellen - vor allem um sie zu denunzieren. Doch schafften es die Flüchtlinge immer wieder, dass ihre Forderungen in den Medien abgedruckt wurden und so eine Diskussion über die Asylpolitik in Österreich auslösten, an der es seit langem massive Kritik gibt.

Nach ein paar Wochen wurde es relativ ruhig um die Berichterstattung, was sich mit dem Schritt in die Votivkirche änderte. Nachdem nur wenige Tage vor Weihnachten Flüchtlinge in der Kirche um Herberge und Unterstützung im Kampf für ihre Rechte ersuchten, war das mediale Interesse plötzlich wieder geweckt. Doch die Unterstützung war nicht so, wie es sich viele erhofft hatten. Der Pfarrer drohte von Anfang an mit Repression und Polizei, ließ am 25. Dezember sogar kurzfristig die Kirchentür sperren und verweigerte Flüchtlingen den Zugang zu "seinem" Gotteshaus. Die Caritas, die sich am Beginn des Protestcamps darauf beschränkte, Suppe im Camp vorbei zu bringen, schaltete sich ein, jedoch wurde schnell deutlich, dass die kirchliche Wohlfahrtsorganisation nicht auf der Seite der Flüchtlinge steht. Immer wieder wurde versucht, die Flüchtlinge zu einem Ende ihres Protests zu überreden und ihnen warme Unterkünfte und Essen angeboten. An eine Erfüllung der Forderungen dachten die christlichen Sozialarbeiter_innen nicht. Lediglich die Forderung nach einem Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber_innen wurde immer wieder aufgegriffen, und das auch nur, weil die Caritas dies schon seit langem fordere. Klar gab es aus kirchlichen Kreisen viele Leute, die sich hinter die Forderungen der Flüchtlinge stellten, doch wurden diese nicht von den Medien zitiert. Statt dessen wurden immer wieder Lügen verbreitet. Einen vorläufigen Höhepunkt fand diese als rassistisch zu bewertendes Vorgehen am Vortag bzw. -abend der Räumung. Der Pressesprecher der Caritas war sich nicht einmal zu blöd zu behaupten, dass Unterstützer_innen den hungerstreikenden Flüchtlingen empfehlen würden, keinen Tee der Caritas zu trinken, da dieser vergiftet sei! Das dies völliger Unsinn ist, müsste der Caritas-Sprecher Klaus Schwertner eigentlich wissen, da viele der Unterstützer_innen - die übrigens von Anfang an nicht gern in der Kirche gesehen wurden - selbst den Tee der Caritas tranken, und dies ohne an Vergiftungserscheinungen zu leiden. Herr Schwertner hätte nur die von von der Caritas selbst beauftragten Sozialarbeiter_innen fragen müssen, um dies in Erfahrung zu bringen. Dies ist nur ein Beispiel, wie Falschmeldungen in den Medien positioniert werden, ohne dass die Journalist_innen auch nur auf die Idee kommen würden, derartige an den Haaren herbeigezogene Meldungen zu hinterfragen.

Dass die Räumung von der Polizei von langer Hand in Geheimsitzungen vorbereitet wurde und viele Medienvertreter_innen bereits im Vorfeld davon bescheid wussten, geht aus den zahlreichen hetzerischen Artikeln in den Freitagsausgaben der diversen Tageszeitungen hervor. Die Hetzkampagne erreichte einen Höhepunkt, wohl um den völlig überzogenen Polizeieinsatz schon im Vorhinein zu legitimieren und Kritik daran verstummen zu lassen. Sogar Journalist_innen wie Irene Brickner, die sich sonst immer als kritische Stimme präsentiert (bzw. präsentieren will), stimmten in den Kanon der Verleumdung ein. Einen Artikel plus Kommentar aus Brickners Feder widmete der Standard den Horrorgeschichten, die vor allem von der Polizei, aber auch von offen rassistischen Politiker_innen immer wieder verbreitet wurden.

Doch damit war die Lügenpropaganda keinesfalls zu Ende. In den Berichten über die Räumung behauptet die Polizei, dass sie aus Eigeninitiative handelte und von sich aus tätig wurde - und nicht wie von vielen vermutet, den Zurufen rassistischer Hetzer_innen Folge leistete. Als Grund für die Räumung der politischen Dauerkundgebung im Sigmund-Freud-Park wird angegeben, es würde keine Erlaubnis der Stadt Wien als Grundeigentümer vorliegen, und die Kampierverordnung 1985 der Stadt Wien sei verletzt worden. Dass dies eine massive Einschränkung des Demonstrationsrechts bedeutet, dass einmal mehr mit Füßen getreten wurde, wird in den Medien verschwiegen. Stattdessen ist in zahlreichen Onlineausgaben der Zeitungen zu lesen, dass "sämtliche Versuche, die Verantwortlichen zu einem selbstständigen Abbau des Zeltlagers und 'Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu bewegen', im Sand verlaufen seien." Weder "Anzeigen wegen des Campierverbots und anderer Rechtsmaterien sowie Identitätsfeststellungen hätten die Aktivisten zu keinem Umdenken gebracht" schrieb die Wiener Polizei in einer Aussendung zur Räumung des wie es heißt "am 25. 11. 2012 widerrechtlich errichtete Zeltlager im Sigmund Freud Park". Dass den Aktivist_innen lediglich fünf Minuten Zeit geben wurde, das Camp zu räumen, wird ebenso verschwiegen, wie der Umstand, dass die Aktivist_innen von den Beamt_innen daran gehindert wurden, Gegenstände vom Gelände zu entfernen und so in Sicherheit zu bringen. Stattdessen ließ die Polizei mehrere Lastwagen auffahren, auf denen sowohl die Zelte als auch das Inventar des Camps "entsorgt" wurden. Lediglich ein Traktor, der Küchenwagen und ein Bus wurden von der für derartige Einsätze bekannten Firma Toman abgeschleppt. Alles andere wurde zerstört und das Camp regelrecht dem Erboden gleich gemacht, wie in einer Aussendung des Protestcamps zu lesen ist. Die Polizei beschreibt dieses Vorgehen als "Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes".

Damit haben sowohl Politik als auch Behörden einmal mehr bewiesen, dass die Menschenrechte in Österreich mit Füßen getreten werden und das Recht auf Versamnmlungs- und Meinungsfreiheit mit Füßen getreten werden. Sie machen sich damit zu Planer_innen und Vollstrecker_innen einer rassistischen Politik, die schon lange nicht mehr tragbar ist. Die Proteste der Flüchtlinge werden sie allerdings so kaum zum Verstummen bringen.

Zahlreiche Flüchtlinge befinden sich seit 22. Dezember in der Votivkirche in Hungerstreik - und von Anfang an haben sie immer wieder betont, dass sie ihre Proteste fortsetzen, bis ihre Forderungen erfüllt sind.