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Quellenangabe:
Demobericht vom 02.03.2013 - Gegen Abschiebungen nach Tschetschenien (vom 02.03.2013),
URL: http://no-racism.net/article/4416/, besucht am 21.11.2024

[02. Mar 2013]

Demobericht vom 02.03.2013 - Gegen Abschiebungen nach Tschetschenien

Etwa 500 Menschen demonstrierten am 2. März gegen Abschiebungen nach Tschetschenien. Die SPAIW.Gittefrei hatte dazu aufgerufen. Anlass waren eine Welle von Abschiebungen in den letzten Wochen und die vielen weiteren drohenden. Die vorwiegend aus Tschetschenien stammenden Demonstrant_innen solidarisierten sich ausdrücklich mit dem Protest der Flüchtlinge welche bis heute die Votivkirche besetzt hielten.

Demobericht von 02.03.2013

Etwa 500 Menschen demonstrierten am 2. März gegen Abschiebungen nach Tschetschenien. Die SPAIW.Gittefrei hatte dazu aufgerufen. Anlass waren eine Welle von Abschiebungen in den letzten Wochen und die vielen weiteren drohenden. Die Demonstration zog in lauten Sprechchören die Mariahilfer Straße entlang und weiter zum Parlament, von dort, nach einer Zwischenkundgebung, weiter zum Innenministerium, wo die Schlusskundgebung stattfand. Die vorwiegend aus Tschetschenien stammenden Demonstrant_innen solidarisierten sich ausdrücklich mit dem Protest der Flüchtlinge welche bis heute die Votivkirche besetzt hielten.

Vor wenigen Tagen wurden zwei Männer aus Österreich nach Tschetschenien ausgewiesen. Einer der beiden sitzt jetzt in Russland im Gefängnis, der andere in Tschetschenien. Im Oktober wurde Salman M. von den österreichischen Behörden abgeschoben, der ebenfalls in einem tschetschenischen Gefängnis sitzt und dort nachweislich gefoltert wird. Teilweise werden Deportierte direkt bei ihrer Ankunft am Flughafen von der dortigen Polizei verhaftet. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Asylsuchende nicht in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben werden, wenn dort ihre Freiheit oder ihr Leben bedroht ist.

2007 ist Ramsan Kadyrow vom tschetschenischen Parlament auf Vorschlag Putins zum Präsidenten gewählt worden. Seither hat er sich einen Ruf als grausamer Diktator erarbeitet. Er lässt politische Gegner_innen foltern, entführen und ermorden. Menschenrechtsorganisationen weisen immer wieder Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien nach. Obwohl das den österreichischen Behörden bekannt ist, werden regelmäßig Regimegegner_innen deportiert. Die österreichische Regierung unterhält beste Beziehungen zu dem Terrorregime Kadyrows. 

»In Tschetschenien werden die Leute getötet. Die Menschen abzuschieben ist Mord«, betont ein Flüchtling. »Die Abschiebe-Beamten kommen in der Nacht und holen die Menschen aus ihren Wohnungen. Manche werden sogar aus Krankenhäusern rausgeholt. Die meisten Menschen in Österreich bekommen davon nichts mit. Es gibt zwar Gesetzte, dass man Zeit bekommen sollte, wenigstens Koffer zu packen; die werden aber nicht eingehalten. Wer nicht sofort mitkommt, wird zusammengeschlagen.«

Ein anderer Flüchtling berichtet: »Ich bin seit neun Jahren in Österreich, habe drei Kinder und noch keinen positiven Asylbescheid. Ich habe Beweismittel vorgelegt, dass ich ein politischer Flüchtling bin und was mir in Tschetschenien droht. Im Negativbescheid steht, ich sei gesund und könne deswegen in Tschetschenien einen Job bekommen. Die Beweismittel zeigen keine Wirkung.«

Das österreichische Parlament machte eine formelle Anfrage an Präsident Kadyrow, ob in tschetschenischen Gefängnissen gefoltert werde. Kadyrow verneinte wenig überraschen: Entsprechende Aussagen von Gefangenen holte er sich mit Folter. 

Auch den Familien von Flüchtlingen in Tschetschenien drohen Gefangenschaft und Folter. 

Masud M. hatte in Tschetschenien in den Medien gearbeitet und hatte dort an einem Bericht gegen Kadyrow mitgearbeitet. Er wurde zweimal entführt. Natalja Estemirova, eine Aktivistin bei der Menschenrechtsorganisation Memorial, hatte geholfen seinen Fall zu untersuchen. 2009 wurde sie in Tschetschenien durch mehrere Schüsse ermordet. Kadyrow bestreitet jegliche Mitschuld. Nun lebt Masud M. seit sieben Jahren mit seiner Frau und drei Kindern in Österreich. Obwohl es sehr schwer war, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, hat er schon als Gärtner oder im Sägewerk gearbeitet. Er spricht fließend deutsch, Nachbarn setzen sich für sein Bleiberecht ein. Auch er legte der Abschiebebehörde Beweise vor. Derzeit läuft seine Verhandlung zum Bleiberecht in Wien. Seine Schwiegermutter Tomara I. hat am Freitag einen Negativbescheid bekommen und muss innerhalb von zwei Wochen das Land verlassen. »Das Geringste, was uns droht ist Gefängnis. Ich habe Angst um unser Leben, ich weiß nicht, was ich tun soll«, gesteht er.

Eine Veranstalterin der Demonstration berichtet von einer neuen Serie von Abschiebungen nach Tschetschenien. »Jede Woche gibt es Abschiebungen und weitere sind geplant. Polizei und zuständige Behörden erklären, sie täten nur ihre Pflicht. Dabei werden die Gesetze nicht nur weiter verschärft, sondern auch falsch gewichtet«, erklärt sie. »Tschetschenische Frauen werden von Behörden zur Scheidung gezwungen. Solange ein Mann mit seiner Frau verheiratet ist, darf er auch bei einem Negativbescheid bei ihr in Österreich bleiben. Geschieden könnte er sofort deportiert werden. Lässt sich das Ehepaar nicht scheiden, droht die Behörde, beide abzuschieben.«

Menschenrechtsorganisationen wie die Gesellschaft für bedrohte Völker weisen schon lange auf die schreckliche Situation in Tschetschenien hin. Die österreichische Regierung ignoriert diese Warnungen. Angesichts der systematischen Abschiebungen, liegt die Vermutung nahe, Österreich könnte mit Tschetschenien Ausweisequoten ausgehandelt haben, wie sie es zuvor mit anderen Staaten getan hat. Unterstützend wir aus bestimmten Kreisen, wird Rassismus gegen tschetschenische Flüchtlinge geschürt. Dabei tat sich zuletzt Johann Gudenus auf besonders ekelhafte Weise als Erfüllungsgehilfe des Präsidenten Kadyrow hervor.

Die Menschen aus Tschetschenien nehmen große Gefahren auf sich, wenn sie fliehen müssen, doch hier angekommen, müssen sie immer noch um ihre Zukunft fürchten. Deportationen nach Tschetschenien sind ein Verbrechen und die Regierungen, die sie zulassen, sind nicht weniger verbrecherisch. 

Gegen solch rassistische Politik wird Widerstand zur Pflicht. Jede Form von Solidarität mit den Flüchtlingen ist wichtig. Mit denen, die sich vor Abschiebungen verstecken müssen, mit denen, die in der Votivkirche für ihre Rechte kämpfen und jeden Tag von polizeilicher Repression bedroht sind und mit den vielen anderen, die Angst um ihre Zukunft und die ihrer Kinder haben müssen."