Quellenangabe:
Marokko: Massenfestnahmen begleitet von exzessiver Gewalt (vom 09.08.2013),
URL: http://no-racism.net/article/4490/,
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[09. Aug 2013]
In den letzten Monaten kam es in Marokko immer wieder zu exzessiver Gewaltanwendung gegen Migrant_innen und Abschiebungen in die Wüste.
Presse- mitteilung von Afrique-Europe-Interact vom 07. August 2013:
Einmal mehr ist es seit dem 24. Juli 2013 zu exzessiver Gewaltanwendung durch marokkanische Sicherheitskräfte gegenüber MigrantInnen aus Subsahara-Afrika gekommen - inklusive Massenfestnahmen und Abschiebungen ins Niemandsland an die algerisch-marokkanische Grenze. Dies haben nicht nur marokkanischen Menschenrechtsorganisationen auf einer Pressekonferenz gestern in Rabat berichtet. Auch das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact erreichen derzeit nahezu täglich Augenzeugenberichte, unter anderem von Betroffenen, die im direkten Kontakt mit unterschiedlichen Organisationen unseres Netzwerks stehen.
Anlass der Razzien war der Versuch einer unbewaffneten Gruppen von MigrantInnen, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli die 7 Meter hohen Grenzbefestigungsanlagen der spanischen Enklave Melilla im Norden Marokkos zu überwinden. Bei den anschließenden, bis heute anhaltenden Durchsuchungen wurden hunderte MigrantInnen - Männer, Frauen und Kinder - zusammen getrieben, geschlagen und festgenommen. In Tanger wurde eine Frau aus Senegal mit ihrem zweijährigen Kind mitten auf der Straße von Sicherheitskräften verletzt und halb ausgezogen auf einen Lastwagen zum Transport an die marokkanisch-algerische Grenze gebracht. In der Nähe von Nador wurde eine Frau gezwungen, ihr sieben Monate altes Baby im Wald auszusetzen. Andere, die es geschafft haben zu fliehen und sich in den nahe gelegenen Wäldern zu verstecken, wagen es unterdessen nicht, in die Städte zurückzukehren - aus Angst vor neuen Razzien. Hinzu kommt, dass derzeit mindestens 68 MigrantInnen aus Subsahara-Afrika in einem Lager in Berkan festgehalten werden, darunter 34 Frauen, 28 Kinder und 6 Männer, wie die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH gestern berichtete. Insgesamt hat es allein in Nador seit dem 24. Juli zwei Tote und zahlreiche Schwerverletzte gegeben.
Ebenfalls beunruhigend ist, dass die Razzien seitens vieler Medien in Marokko mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, dass es sich um einen bewaffneten Angriff mit Stöcken auf die Zäune von Melilla gehandelt haben soll. Derartige Behauptungen sind nicht nur ob der zahlreichen ZeugInnenberichte aus den letzten Tagen absurd. Verschleiert wird auch die maßgebliche Verantwortung der Europäischen Union, die die nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainerländer bereits seit Jahren offensiv unter Druck setzt, MigrantInnen aus Subsahra-Afrika möglichst frühzeitig auf ihrem Weg Richtung Europa aufzuhalten. Erwähnt sei etwa das am 7. Juni 2013 zwischen Marokko und der EU unterzeichnete "Partnerschaftsabkommen zur Steuerung von Migration und Mobilität". Wie der Name bereits sagt, geht es dabei um Visaerleichterung für marokkanische StaatsbürgerInnen im direkten Austausch gegen die Abwehr so genannter irregulärer Migration - eine Zielsetzung, zu der laut Europäische Kommission auch "die Wiederaufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zur Rückübernahme illegaler Migranten" gehören soll.
Afrique-Europe-Interact verurteilt nicht nur die menschenverachtende Abschottungspolitik der Europäischen Union, vielmehr fordert unser Netzwerk auch ein sofortiges Ende der Razzien, Inhaftierungen und Wüsten-Abschiebungen in Marokko. Dies umfasst zudem, dass die Verantwortlichen für die jüngsten Todesfälle zur Rechenschaft gezogen werden, so wie sämtliche MigrantInnen mit Verletzungen die Möglichkeit erhalten müssen, sich medizinisch in Krankenhäusern behandeln zu lassen - ohne Angst vor Inhaftierung. Zur Bekräftigung seiner Forderung hat Afrique-Europe-Interact daher am Montag eine Fax-Kampagne gestartet, die sich unter anderem an die marokkanische Botschaft in Berlin richtet.
Was immer in den nächsten Tagen und Wochen passieren mag, wichtig ist uns, dass die Stimme der unmittelbar Betroffenen ebenfalls zur Geltung kommt. Daher sei abschließend aus einer entsprechenden E-Mail zitiert, die das aktuelle Geschehen in Marokko auf pointierte Weise kommentiert: "Ist es unsere Schuld, dass wir Subsahara-Afrikaner sind? Ist es unsere Schuld, dass wir den Schwierigkeiten entfliehen mussten, die andere gesät haben? Ist es unsere Schuld, dass wir durch Marokko durch müssen? Nein, ich glaube, dass wir alle Bürger dieser Welt sind und dass wir alle die gleichen Rechte haben, überall!"