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Quellenangabe:
WKR? WTF? Treffen der europäischen Rechten unmöglich machen. Kein Burgfrieden dem Normalzustand (vom 06.01.2014),
URL: http://no-racism.net/article/4587/, besucht am 28.03.2024

[06. Jan 2014]

WKR? WTF? Treffen der europäischen Rechten unmöglich machen. Kein Burgfrieden dem Normalzustand

Aufruf zu Protesten gegen den 'Akademikerball', dem Treffen der europäischen Rechten, der am Freitag 24. Jänner 2014 in Wien stattfinden soll. Treffpunkt zur Demo: 17 Uhr, Land­stra­ße, Wien Mitte, 1030 Wien.

Aufruf des :: "... umsGanze!" Bündnis


Wir sind ge­kom­men, um zu stö­ren

Wenn am 24. Ja­nu­ar 2014 mit dem Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons-, neu­er­dings Aka­de­mi­ker­ball, der ge­fühl­te Ge­burts­tag Kurt Wald­heims und Jörg Hai­ders be­gan­gen wird, ist das nicht die harm­lo­se Berg­deut­schen-​Va­ri­an­te des Köl­ner Kar­ne­vals, son­dern das Schau­lau­fen der rech­ten Eli­ten Ös­ter­reichs und Eu­ro­pas. Hier tref­fen Chau­vi­nist*innen und Na­tio­na­list*innen aller Cou­leur zu­sam­men: Kor­po­ra­ti­ons­stu­den­ten und Po­li­ti­ke­rin­nen, Pro­fes­so­rin­nen und Ma­na­ger, An­wäl­te und Un­ter­neh­me­rin­nen. An­ge­mel­det von der Frei­heit­li­chen Par­tei Ös­te­reichs (FPÖ) un­ter­streicht das fröh­li­che Ge­sell­schafts­spiel in den im­pe­ria­len Ku­lis­sen der Hof­burg den An­spruch auf Füh­rung und Ge­folg­schaft - zu Wal­zer und Po­lo­nai­se, im Wichs und in Rü­schen. Die von der Men­sur ent­stell­ten Ge­sich­ter las­sen er­ah­nen, was der Rest­ge­sell­schaft blüht, wenn die fe­schen Her­ren und Damen an Ein­fluss ge­win­nen. Nazis und Cham­pa­gner? Grün­de en masse, nach Wien zu fah­ren und die Party zu cras­hen!

Die fal­sche Ant­wort auf die fal­schen Ver­hält­nis­se

Was sich auf dem WKR-Ball, or­ga­ni­siert von den Bur­schen­schaf­ten des Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­rings, zu­sam­men­rot­tet ist die fal­sche Ant­wort auf die fal­schen Ver­hält­nis­se. Die fal­schen Ver­hält­nis­se, das sind die ka­pi­ta­lis­ti­schen. In der ge­gen­wär­ti­gen Krise be­deu­tet das: schlech­te­re Le­bens­be­din­gun­gen und all­täg­li­che Not für viele, nicht nur in Grie­chen­land. Die fal­sche Ant­wort lau­tet: Na­tio­na­le Ein­peit­schung und hö­he­re Zäune, ver­schärf­ter Wett­be­werb und ver­schlech­ter­te Ar­beits­be­din­gun­gen, un­ver­blüm­ter Ras­sis­mus und immer nur noch mehr Ge­walt, auf allen ge­sell­schaft­li­chen Ebe­nen. Doch die selbst­er­nann­ten rech­ten Eli­ten, die den Ball be­su­chen, sind mit ihren Ideen nicht al­lein. Ap­plaus er­hal­ten sie von Men­schen, die sich an­ge­sichts der Krise statt für So­li­da­ri­tät für die Po­li­tik der har­ten Hand ent­schei­den. In Zei­ten von Angst und Ver­un­si­che­rung seh­nen sie sich nach Füh­rung und der schein­ba­ren Über­sicht­lich­keit der Na­tio­nal­staa­ten, be­schei­de­ne Nest­wär­me in­klu­si­ve. An­ge­sichts des welt­wei­ten Kon­kur­renz­drucks fin­den sie sich als Ar­beit­neh­mer*innen be­reit­wil­lig mit den Ar­beit­ge­ber*innen ihres Lan­des in der "ob­jek­ti­ven Schick­sals­ge­mein­schaft" ein, die im Kampf mit an­de­ren Na­tio­nen zu be­ste­hen hat oder un­ter­geht. Für den Stand­ort und ein klei­nes Stück vom Ku­chen schnal­len sie den Gür­tel enger und be­ste­hen auf Leis­tungs­wahn und na­tio­na­ler Zu­ge­hö­rig­keit. Als be­son­ders fa­na­ti­sche Wohl­stand­schau­vi­nist*innen er­wei­sen sich dabei oft die be­reits Ab­ge­häng­ten, die nur auf die gnä­di­ge Ein­glie­de­rung in die Ge­mein­schaft hof­fen kön­nen.

Na­tio­na­lis­tisch sind nicht nur die Stamm­tisch­pa­ro­len, der Tau­mel beim Län­der­spiel, die Hei­mat­lie­be der Bur­schen­schaft­ler oder der Fa­ckel­marsch der Wut­bür­ger*innen vorm ört­li­chen Asyl­be­wer­ber­heim. Sie sind viel­mehr die au­gen­fäl­li­gen und be­son­ders wi­der­wär­ti­gen Zu­ta­ten eines um­fas­sen­den "na­tio­na­len Pro­jekts". Je nach po­li­ti­scher Groß­wet­ter­la­ge hat die­ses un­ter­schied­li­che Kon­junk­tu­ren und Re­gie­run­gen, mal christ­lich-kon­ser­va­tiv, mal so­zi­al­de­mo­kra­tisch. Aus­ge­lie­fert bleibt es je­doch stets auf Ge­deih und Ver­derb der un­ver­ständ­li­chen und chao­ti­schen Öko­no­mie, deren Fol­gen es daher auf po­li­ti­scher Ebene ein­zu­he­gen und zu ma­na­gen gilt. In der ge­gen­wär­ti­gen Krise er­scheint vie­len dabei of­fe­ner Ras­sis­mus und Chau­vis­mus als eine er­folg­ver­spre­chen­de Op­ti­on, um als na­tio­na­le Leis­tungs- und Lei­dens­ge­mein­schaft den Stür­men des Welt­mark­tes zu trot­zen. Ent­lang von na­tio­nal­staat­li­chen und eth­ni­sier­ten Gren­zen wird ent­schie­den, wer mit­spie­len darf und wie. Nach Außen le­gi­ti­miert sich so eine mör­de­ri­sche Ab­schot­tung und nach Innen die gna­den­lo­se Hier­ar­chi­sie­rung und Dis­zi­pli­nie­rung. Falsch ist diese Ant­wort, weil sie die Krise des Ka­pi­ta­lis­mus nicht lösen kann - und dabei über Lei­chen geht.

Pack schlägt sich, Pack ver­trägt sich

Das ir­ri­ge Ver­spre­chen einer na­tio­na­len Lö­sung der glo­ba­len Krise fin­det mehr und mehr An­hän­ger*innen: Der so­ge­nann­te Rechts­po­pu­lis­mus rückt der­zeit po­li­tisch vom Rand in die Mitte. In Frank­reich sehen Um­fra­gen den ex­trem rech­ten Front Na­tio­nal als stärks­te Kraft. In Ös­ter­reich hat jüngst ein Drit­tel der Wäh­ler*innen Slo­gans wie "Liebe deine Nächs­ten - für mich sind das un­se­re Ös­ter­rei­cher" (FPÖ) ihre Stim­me ge­ge­ben. Und selbst in Deutsch­land, wo die CDU bis­lang noch immer den rech­ten Rand zu in­te­grie­ren wuss­te, konn­te sich die "Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land" er­folg­reich po­si­tio­nie­ren, wenn sie auch den Sprung in den Bun­des­tag ver­fehlt hat. Für die 2014 im Mai an­ste­hen­den Eu­ro­pa­wah­len mit ihren tra­di­tio­nell ge­rin­gen Wahl­be­tei­li­gun­gen steht ein rech­ter Erd­rutsch­sieg durch­aus zu be­fürch­ten. Und auf dem WKR-Ball im Ja­nu­ar tref­fen sich schon mal alle: In der Ver­gan­gen­heit for­der­ten sich hier Ma­ri­ne Le Pen (Front Na­tio­nal aus Frank­reich), Filip De­win­ter (Vlaams Be­lang aus Bel­gi­en) oder Mar­kus Bei­sicht (Pro­Deutsch­land) zum Tanz auf. Der Spit­zen­kan­di­dat der FPÖ, Heinz-Chris­ti­an Stra­che, ist so­wie­so vor Ort, denn die Wie­ner Lan­des­grup­pe der FPÖ mel­det den Ball er­neut an. Schein­bar pa­ra­dox be­rei­tet sich die na­tio­na­le Er­he­bung so auf in­ter­na­tio­na­lem Par­kett vor. Zwar ist der ös­ter­rei­chi­sche Pa­trio­tis­mus des Par­tei­ob­manns Stra­che mit dem deutsch-völ­ki­schen An­sin­nen vie­ler Bur­schen­schaf­ten nur be­dingt ver­ein­bar, und auch an­sons­ten dürf­ten sich die po­li­ti­schen Ge­mein­sam­kei­ten zwi­schen den un­ter­schied­li­chen Na­tio­na­list*innen in Gren­zen hal­ten. Doch der WKR-​Ball führt ein trag­fä­hi­ges Ar­ran­ge­ment vor, in dem neo­li­be­ra­le Stand­ort­pa­trio­ten, völ­ki­sche Freaks und Kon­ser­va­ti­ve aus ganz Eu­ro­pa sich ein Stell­dich­ein geben. Wenn sie sich auch den Rest des Jah­res im Namen der ei­ge­nen Na­ti­on un­ter­ein­an­der be­feh­den, so sind sich doch alle Teil­neh­mer*innen grund­sätz­lich dar­über einig, dass es einer Hack­ord­nung unter den Men­schen und den Völ­kern be­darf, mit den Kul­tur­völ­kern Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pas an deren Spit­ze. Geht es am Ball­abend vor­geb­lich gar nicht um Po­li­tik, ist das für die Teil­neh­mer*innen nur kon­se­quent. Die fei­er­li­che Ver­si­che­rung "abend­län­di­scher" Iden­ti­tät und Leit­kul­tur ist für sie nichts Po­li­ti­sches, son­dern etwas Vor­po­li­ti­sches: Volk, Na­ti­on und Kul­tur sind ihnen keine ge­schicht­lich ent­stan­de­nen und von Men­schen ge­mach­ten Ge­bil­de, son­dern von Natur oder Gott ge­ge­ben. Das Ab­fei­ern der ge­mein­sa­men abend­län­di­schen Iden­ti­tät hin­dert sie selbst­re­dend nicht daran, durch­aus hand­fes­te po­li­ti­sche Ver­ab­re­dun­gen an­zu­bah­nen, dar­un­ter die Bil­dung einer ex­trem rech­ten Frak­ti­on im Eu­ro­pa­par­la­ment 2014. Der Bezug auf eine ge­mein­sa­me abend­län­di­sche Kul­tur ist auch der Grund, warum der Über­gang vom rechts­kon­ser­va­ti­vem Abend­land-und-An­stand-Ge­fa­sel zum Blut-und-Bo­den-Ge­rau­ne an die­sem Abend flie­ßend ist, mit den stu­den­ti­schen Ver­bin­dun­gen und Bur­schen­schaf­ten als des­sen Mitt­ler. Der Ball führt dabei vor, wie rech­te Par­tei­en ihr Per­so­nal aus dem neo­na­zis­ti­schen Mi­lieu re­kru­tie­ren und es damit um­ge­kehrt hof­fä­hig ma­chen. Dass Heinz-Chris­ti­an Stra­che, der Nach­fol­ger Hai­ders, selbst enge Kon­tak­te in die­ses Lager pfleg­te, ist da eine In­for­ma­ti­on, die bei den Gäs­ten der Hof­burg wohl nur auf freund­li­che In­dif­fe­renz sto­ßen dürf­te.

Die Opfer des ka­pi­ta­lis­ti­schen Nor­mal­voll­zugs

Wie immer ist das Pro­blem haus­ge­macht. Die neue Stär­ke der ex­tre­men Rech­ten in Eu­ro­pa ist auch ein Er­geb­nis der der­zei­ti­gen Krise und il­lus­triert zu­gleich das Elend aller bür­ger­li­chen Po­li­tik. Längst hat die Krise auch die Le­bens­wel­ten Ös­ter­reichs und Deutsch­lands er­reicht und das neo­li­be­ra­le Glücks­ver­spre­chen auf Teil­ha­be durch mehr Leis­tung und Wett­be­werb de­mo­liert. Er­neut setz­ten daher in den letz­ten Jah­ren große Teile der (nicht nur bür­ger­li­chen) Lin­ken auf So­zi­al­staats­nost­al­gie und Re­gu­la­ti­on­s­il­lu­sio­nen und er­hoff­ten deren Durch­set­zung auf eu­ro­päi­scher Ebene. Genau das Ge­gen­teil ist ein­ge­tre­ten: Indem die Re­gie­run­gen der rei­chen EU-​Län­der, dar­un­ter Deutsch­land und Ös­ter­reich, viel Geld in die Hand nah­men, konn­ten sie die ei­ge­nen Wirt­schaf­ten vor­über­ge­hend vor dem Zu­sam­men­bruch be­wah­ren. Zu­gleich setz­ten sie im Süden Eu­ro­pas einen bru­ta­len Spar­kurs durch, den sie zu­sam­men mit den je­wei­li­gen na­tio­na­len Ober­schich­ten or­ga­ni­sie­ren. Ein ge­ein­tes Eu­ro­pa bleibt je­doch für die ex­port­star­ken Na­tio­nen wie Deutsch­land und Ös­ter­reich die Vor­aus­set­zung des ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen Wohl­er­ge­hens. Da die Wett­be­werbs­lo­gik des Ka­pi­ta­lis­mus den ein­zel­nen Län­dern nur wenig Spiel­raum lässt, sind die Po­li­ti­ker*innen aller Staa­ten und po­li­ti­schen Lager im Kampf um An­hän­ger­schaft ge­zwun­gen, mit­tels na­tio­na­ler Stim­mungs­ma­che und Res­sen­ti­ments die ei­ge­ne staat­li­che Hand­lungs­fä­hig­keit unter Be­weis zu stel­len. Die Folge ist ein wi­der­sprüch­li­cher Mix aus Er­mäch­ti­gungs­phan­ta­si­en und Sach­zwan­gar­gu­men­ten, aus Na­tio­na­lis­men und Eu­ro­pa­trio­tis­mus, der seit län­ge­rem die öf­fent­li­chen De­bat­ten in Eu­ro­pa be­herrscht. Es ist die­ses Hin­ter­grund­rau­schen des Na­tio­na­len, vor dem der po­pu­lis­ti­sche An­griff von Rechts auf über ein Fün­fel aller Wäh­ler*in­nen­stim­men bei der Eu­ro­pa­wahl im Mai 2014 hof­fen darf. Die von den rech­ten Par­tei­en pro­pa­gier­te Rück­kehr zum frü­he­ren Zu­stand der eu­ro­päi­schen Staa­ten mit ihren eins­ti­gen na­tio­na­len Wäh­run­gen, einem Eu­ro­pa der Re­stau­ra­ti­on, ist für viele Wäh­ler*innen zu einer er­wä­gens­wer­ten po­li­ti­schen Op­ti­on ge­wor­den, auch wenn sie die Ohn­macht an­ge­sichts eines un­be­herrsch­ba­ren glo­ba­len Ka­pi­ta­lis­mus nicht wird auf­he­ben kön­nen. Dass sich die Be­woh­ner*innen der eu­ro­päi­schen Na­tio­nal­staa­ten in ihrer Klas­sen­zu­ge­hö­rig­keit be­geg­nen und so viel­leicht ein ge­mein­sa­mes, Gren­zen über­schrei­ten­des, gar an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­sches In­ter­es­se ent­de­cken, wird al­ler­dings un­wahr­schein­li­cher, umso lau­ter die na­tio­na­len Töne wer­den.

Wäh­rend die meis­ten, vor allem hie­si­gen Wäh­ler*innen, im We­sent­li­chen eine ide­el­le Be­frie­di­gung aus dem "deutsch­spre­chen­den Eu­ro­pa" zie­hen dürf­ten, pro­fi­tie­ren vor­ran­gig Par­tei­en wie die FPÖ, die Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land oder der Front Na­tio­nal von der Ver­un­si­che­rung. Das Ge­schäft mit der Angst läuft blen­dend, und so trei­ben sie das Pro­jekt einer hier­ar­chi­schen und ent­so­li­da­ri­sier­ten Ge­sell­schaft voran, in­ner­halb wie au­ßer­halb der Par­la­men­te. Indem sie den Mit­tel­schichts­spie­ßer zur Es­senz von Volk und Na­ti­on ver­klä­ren, gleich­zei­tig aber den Un­ter­gang des Abend­lan­des an die Wand malen, brin­gen sie sich er­folg­reich als ag­gres­si­ve Ver­tei­di­ger der weiß-eu­ro­päi­schen Mehr­heits­ge­sell­schaft in Stel­lung, als au­then­ti­sche Be­wah­rer von Na­ti­on, Fa­mi­lie und west­li­cher Leit­kul­tur. Da sie die Krise des Ka­pi­ta­lis­mus nicht lösen kön­nen, ver­schie­ben sie das Pro­blem auf den Na­tio­nen-​ und Kul­tur­kampf. Nicht zu­fäl­lig ma­chen sie über­all Fein­de der männ­lich "abend­län­di­schen Le­bens­wei­se" aus, von der "Eman­ze" bis zum "Islam", die an­geb­lich die Leis­tungs­kraft der west­li­chen Ge­sell­schaf­ten un­ter­gra­ben. Ihr Pro­gramm ist das einer au­to­ri­tär or­ga­ni­sier­ten, kul­tu­rell zwangs­ho­mo­ge­ni­sier­ten Ge­sell­schaft. Mehr noch, in den ab­ge­half­ter­ten Re­gi­men von einst ent­de­cken sie po­li­ti­sche Ge­stal­tungs­vor­schlä­ge für das 21. Jahr­hun­dert. Es sind diese sehr ge­gen­wär­ti­gen Kon­junk­tu­ren re­ak­tio­nä­rer Po­li­tik­vor­stel­lun­gen, die die Teil­neh­mer*innen auf dem WKR-Ball in den Kos­tü­men von vor­ges­tern ein Glanz-​und-Glo­ria-Spek­ta­kel auf­füh­ren lässt. Die Werte einer längst un­ter­ge­gan­ge­nen und daher umso he­roi­scher schil­lern­den Epo­che - Härte, Ehre, Steh­ver­mö­gen - sind ihnen alles, das ge­mein­sa­me gute Leben je­doch nichts. So zer­schla­gen sich die Kor­po­rier­ten un­ter­ein­an­der mit den Ge­sich­tern zu­gleich die In­di­vi­dua­li­tät. Und da die christ­li­chen Werte, die sie im Munde füh­ren, spä­tes­tens im Wie­ner­wald enden, gerät ihnen noch jeder Tote im Mit­tel­meer zur Be­stä­ti­gung der ei­ge­nen Durch­set­zungs­kraft und Herr­lich­keit.

Männ­lich­keit as usual

Die selbst­er­nann­ten rech­ten Eli­ten, die sich auf dem WKR-Ball ab­fei­ern, haben kein Pro­blem damit, dass der Ka­pi­ta­lis­mus für den über­wie­gen­den Teil der Men­schen die Hölle auf Erden ist. Im Ge­gen­teil: Sie sind die er­bar­mungs­lo­sen Kol­le­gin­nen und Vor­ge­setz­ten, die neo­li­be­ra­len Ein­peit­scher und knall­har­ten Ra­tio­na­li­sie­re­rin­nen. Doch auch Her­ren­men­schen wol­len ab und an ein­mal als ganze Men­schen an­er­kannt wer­den. Dazu hal­ten sich die "Fe­schis­ten" ans Be­währ­te: die bür­ger­li­che Klein­fa­mi­lie. Liebe, Trä­nen, Wut und was da noch bei den Her­ren an Sen­ti­ments ist, ver­bleibt im ab­ge­zir­kel­ten Kreis der Liebs­ten. Sie ver­schan­zen sich in der ge­sell­schafts­ab­ge­wand­ten Ge­mein­schaft­lich­keit ro­man­ti­scher Zwei­er­be­zie­hun­gen, wo sie Er­ho­lung vom ka­pi­ta­lis­ti­schen Rat­ten­ren­nen fin­den. Was unter den Be­din­gun­gen be­stän­dig zu­neh­men­den Leis­tungs- und Op­ti­mie­rungs­drucks oft­mals der letz­te noch le­bens­wer­te Zu­fluchts­ort ist, bie­tet ihnen vor allem die Mög­lich­keit, den im täg­li­chen Kampf lä­dier­ten Kör­per­pan­zer wie­der­her­zu­stel­len, um dann im All­tag - busi­ness as usal - nur noch här­ter zu­zu­lan­gen. Diese jeden Tag aufs Neue ge­leb­te Tei­lung der Welt in Öf­fent­lich und Pri­vat folgt dabei, wen wun­derts, wei­ter den tra­di­tio­nel­len Ge­schlech­ter­rol­len. Sie als na­tur­ge­ge­ben dar­zu­stel­len wird - iro­nisch genug - selbst zum po­li­ti­schen Pro­jekt der ex­trem Rech­ten. Kein Wun­der, dass die FPÖ offen den Schul­ter­schluss mit Va­ter­recht­lern und "Mas­ku­li­nis­ten" sucht. Für die WKR-Ball-Be­su­cher sind Frau­en daher trotz Ga­lan­te­rie und Tür­auf­hal­ten keine ei­gen­stän­di­gen Sub­jek­te, son­dern zu­al­ler­erst Un­ter­stüt­zungs­an­häng­sel und Ver­fü­gungs­mas­se der Män­ner. Wenn es nicht ge­ra­de darum geht, jene zu­sam­men mit an­de­ren Män­nern wahl­wei­se gegen "den Islam" oder "den Fe­mi­nis­mus" zu ver­tei­di­gen, dann darum, ihnen den ge­sell­schaft­li­chen, sprich: den häus­li­chen Platz zu­zu­wei­sen und sie aus Re­pre­sen­ta­ti­ons­grün­den ab und an im Ball­kleid und zu Wie­ner Wal­zer durch einen Fest­saal zu schie­ben. Dass der WKR-Ball die­ses über­kom­me­ne Ver­hält­nis von Män­nern und Frau­en als gla­mou­rö­ses und nach­ah­mens­wer­tes Mo­dell aus­stellt, macht ihn auch auf die­ser Ebene zu einer ideo­lo­gi­schen An­ge­le­gen­heit. Auch des­we­gen, weil ge­ra­de die Zur­schau­stel­lung des He­te­ro­idylls er­ah­nen lässt, dass die dy­na­mi­sier­ten Ge­schlech­ter­ord­nun­gen im neo­li­be­ra­len Ka­pi­ta­lis­mus längst das kon­ser­va­ti­ve und rech­te Mi­lieu er­fasst haben. Wenn auch die ge­walt­för­mi­ge Durch­set­zung der rech­ten Fa­mi­li­en­ideo­lo­gie sys­te­ma­tisch und ganz real zu Las­ten der gro­ßen Mehr­heit der Frau­en geht, an der Ver­klä­rung der Ge­schlech­ter­ver­hält­nis­se sind sie im rech­ten Mi­lieu meist ganz gleich­be­rech­tigt be­tei­ligt. Das Ab­fei­ern von tra­di­tio­nel­len Rol­len­bil­dern und die Hetze gegen alles Ab­wei­chen­de ist dort mit­nich­ten ex­klu­siv "männ­li­chen Cha­rak­ters", wie nicht nur die dem Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­ring na­he­ste­hen­de Wie­ner aka­de­mi­sche Mä­del­schaft "Freya" zeigt. Auf Men­sur im­mer­hin wird ver­zich­tet, um die hüb­schen Ge­sich­ter zu scho­nen, doch hin­ter der un­ver­sehr­ten Fas­sa­de herrscht die glei­che trübe Grau­sam­keit.

Die un­heim­li­che Rück­kehr des klei­nen Glücks

Die so ein­falls­los wie lei­den­schaft­lich be­trie­be­ne Ein­rich­tung des ei­ge­nen Le­bens in der Klein­fa­mi­lie ist kein Pri­vi­leg einer ob­sku­ren und rück­wärts­ge­wand­ten Min­der­heit. Viel­mehr scheint in der ge­gen­wär­ti­gen Krise der ge­schütz­te In­nen­raum der Paar­be­zie­hung vie­len zu­neh­mend als ein­zig mög­li­cher Ver­wirk­li­chungs­raum in­di­vi­du­el­len Glücks. An die Stel­le so­zi­al­li­be­ra­ler Au­to­no­mie­vor­stel­lun­gen und neo­li­be­ra­ler Selbst­ver­wirk­li­chungs­phan­ta­si­en tritt seit ein paar Jah­ren, kaum sind deren ma­te­ri­el­len Grund­la­gen in der Krise auch bei den Bes­ser­ver­die­nen­den in West­eu­ro­pa be­droht, er­neut der ge­schütz­te fa­mi­liä­re In­nen­raum - auch wenn der von außen eher an einen Panic Room er­in­nert. Die Er­werbs­ar­beit von Frau­en hat sich in den letz­ten zwan­zig Jah­ren zwar aus­ge­wei­tet. Öko­no­mi­sche Gleich­heit und so­zia­le An­er­ken­nung hat sich für den über­wie­gen­den Teil der Frau­en gleich­wohl nicht ein­ge­stellt. Wäh­rend die un­mit­tel­ba­ren staat­li­chen Kri­sen­be­wäl­ti­gungs­maß­nah­men von der Ban­ken­ent­schul­dung bis zur Ab­wrack­prä­mie vor allem männ­lich-​do­mi­nier­te Wirt­schafts­be­rei­che sta­bi­li­siert haben, ist Voll­zeit­be­schäf­ti­gung von Frau­en rück­läu­fig. Ein be­trächt­li­cher Teil der weib­li­cher Lohnar­beit fin­det in de­re­gu­lier­ten und pre­kä­ren Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen statt. Der Abbau und der Aus­ver­kauf so­zi­al­staat­li­cher Ein­rich­tun­gen ver­schärft die dop­pel­te Aus­beu­tung der Frau durch ge­rin­ger be­zahl­te Lohn- und un­be­zahl­te Sor­ge­ar­beit. Aus der noch vor Kur­zem her­bei­ge­schrie­be­nen "Krise der (Er­näh­rer-)Männ­lich­keit" ist an­de­rer­seits der so bär­ti­ge wie zu­pa­cken­de Hips­ter­mann - flan­kiert von "Männ­er­rech­lern" auf der rech­ten und dem "Neuen Mann" auf der lin­ken Seite - ziem­lich un­ver­sehrt her­vor­ge­gan­gen. So kann das alte ge­sell­schaft­li­che Leit­bild zum Neuen avan­cie­ren.

Bür­ger­lich­keit als Pri­vi­leg

Bei der Auf­recht­er­hal­tung der Ge­schlech­ter­ord­nung geht es immer auch um die Si­che­rung von ver­schränk­ten Ge­schlechts- und Klas­sen­pri­vi­le­gi­en. Ihnen gilt die fa­mi­liä­re Mo­bil­ma­chung. Denn auch die bür­ger­li­che Klein­fa­mi­lie hat ihren Preis, will sagen, man muss sie sich erst­mal leis­ten kön­nen, wenn beide ar­bei­ten wol­len bzw. immer häu­fi­ger müs­sen. Meist ge­schieht das auf Kos­ten an­de­rer, etwa den Mil­lio­nen von weib­li­chen Putz- und Pfle­ge­kräf­ten aus Ost­eu­ro­pa und Asien, deren Elend eben­so­we­nig wie die ei­ge­nen Pri­vi­le­gi­en in der Selbst­er­zäh­lung der Kon­ser­va­ti­ven einen Platz hat. Das Be­kennt­nis zur Bür­ger­lich­keit gerät so vor allem zur Recht­fer­ti­gung des jet­zi­gen Zu­stands, an dem auch der Staat ein In­ter­es­se hat - an­statt etwa die pri­va­te Re­pro­duk­ti­ons­ar­beit zu­sam­men mit der Ge­sell­schaft­li­chen ra­di­kal um­zu­ver­tei­len. Ver­wun­der­lich ist all das in Zei­ten des per­ma­nen­ten Ge­re­des über die Krise nicht, auch nicht an­ge­sichts der ma­te­ri­el­len Vor­zü­ge, die eine weiße Mit­tel­schichts­fa­mi­li­en­e­xis­tenz so mit sich bringt. Frap­pie­rend ist aber die brei­te und selbst­ver­ständ­li­che Ak­zep­tanz ihrer ideo­lo­gi­schen Recht­fer­ti­gung. Selbst wenn sich die Fa­mi­li­en­idyl­len der alten wie der neuen Bür­ger­lich­keit mit­un­ter schnell in einen pa­tri­ar­cha­len Alb­traum ver­wan­deln - nicht nur im Ber­li­ner Prenz­lau­er Berg stei­gen die Schei­dungs­zah­len und sind die Frau­en­häu­ser voll -, kann das der all­ge­gen­wär­ti­gen Sehn­sucht nach Pri­vat­heit und fa­mi­ly value, die von der ex­tre­men Rech­ten bis zu den Al­ter­na­tiv­os alle eint, of­fen­bar nichts an­ha­ben. Be­glei­tet vom Trom­mel­feu­er der Kul­tur­in­dus­trie wird das Leit­bild des Neo­b­ie­der­mei­er er­folg­reich in Le­bens­welt und All­tags­ver­stand ver­an­kert und greift längst auch auf ab­wei­chen­de Le­bens­wei­sen und Be­zie­hungs­mo­del­le über. Es kit­tet so die Brü­che und Wi­der­sprü­che der rea­len Exis­tenz­be­din­gun­gen (nicht nur) in kri­sen­haf­ten Zei­ten. Dass Fa­schis­ten meist nicht die Grü­nen wäh­len, und die Ökos sel­ten die FPÖ, ist bei der sie ei­nen­den Logik von har­mo­ni­schem Innen und be­droh­li­chem Außen keine Ne­ben­sa­che, zeigt aber deut­lich, wie weit sich der ge­sell­schaft­li­che Kon­sens im po­li­ti­schen wie im pri­va­ten Be­reich zu­guns­ten von kon­ser­va­tiv-​re­pres­si­ven und au­to­ri­tär-rechts­po­pu­lis­ti­schen Ord­nungs­vor­stel­lun­gen ver­scho­ben hat. - Höchs­te Zeit, eben die­sen eine deut­li­che Ab­sa­ge zu er­tei­len.

Nichts Re­ak­tio­nä­res fällt, wenn es nicht ge­sto­ßen wird

Am Frei­tag, den 24. Ja­nu­ar 2014 fei­ern und ver­brü­dern sich in der Wie­ner Hof­burg unter dem selbst­ver­lie­he­nen Eh­ren­ti­tel "ge­sell­schaft­li­cher Leis­tungs­trä­ger" die­je­ni­gen, deren so­zia­les Pres­ti­ge und öko­no­mi­scher Reich­tum auf Aus­gren­zung und Un­ter­drü­ckung, auf Chau­vi­nis­mus, Ras­sis­mus und Se­xis­mus grün­det. Sie sehen sich als Elite und rech­te Avant­gar­de Ös­ter­reichs und Eu­ro­pas. Ehr­ver­let­zun­gen tra­gen sie un­ter­ein­an­der noch immer am Liebs­ten mit der Waffe aus und sähen gern die ganze Ge­sell­schaft unter ihrer Knute. Als Lö­sung der ge­gen­wär­ti­gen Krise haben sie vor allem parat: Zu­sam­men­rü­cken, den engen Gür­tel, die harte Hand und die wei­te­re Spal­tung der Ge­sell­schaft in oben und unten. Der WKR-​Ball ist daher der per­fek­te An­lass, den re­ak­tio­nä­ren Kri­sen­lö­sun­gen ein Bein­chen zu stel­len und den sau­be­ren Her­ren und Damen wie den fe­schen Bur­schen und Ma­deln den Spaß zu ver­der­ben.

Wir sagen: WKR? WTF! Er­tei­len wir - ge­mein­sam und über alle Gren­zen hin­weg - auf den Stra­ßen und Plät­zen Wiens, rech­ten Ideo­lo­gi­en und ihren po­li­ti­schen und kul­tu­rel­len Ver­tre­ter*innen eine klare Ab­sa­ge. Der WKR-​Ball ist nicht ein­fach nur Aus­druck einer un­ap­pe­tit­li­chen Ge­sin­nung und Kul­tur, son­dern Teil einer re­ak­tio­nä­ren, rech­ten Of­fen­si­ve an­ge­sichts der Krise. Das Ge­re­de der rech­ten Eli­ten von Na­ti­on, Wer­ten, Abend­land, Al­ter­na­tiv­lo­sig­keit und Tra­di­ti­on ver­deckt, dass es bes­se­re For­men des ge­sell­schaft­li­chen Le­bens gibt. Um die lohnt es sich in der der­zei­ti­gen Krise zu kämp­fen. Ge­win­nen und ver­tei­di­gen kann man sie al­ler­dings nur gegen Na­ti­on und Pa­tri­achat, Staat und Ka­pi­tal. Der Kampf gegen die Re­ak­ti­on ist daher immer auch der Kampf um das gute Leben für alle: Der so­li­da­ri­schen und frei­en Or­ga­ni­sa­ti­on un­se­res Zu­sam­men­le­bens, jen­seits von Aus­gren­zung durch Klas­sen­gren­zen und Ras­sis­mus, jen­seits von Zu­rich­tung und Dis­zi­pli­nie­rung durch Ge­schlech­ter­ord­nung und So­zi­al­chau­vi­nis­mus, jen­seits der Zu­mu­tun­gen und Ver­wer­tungs­zwän­ge des Ka­pi­ta­lis­mus.

Ob Leis­tung, Abend­land, Na­ti­on, Volk, Fa­mi­lie oder sonst ein Un­sinn - spuckt den neuen und alten Rech­ten am 24. Ja­nu­ar 2014 ins Glas. Die letz­te (und beste!) Party fei­ern wir. Die ein­zi­ge Kri­sen­lö­sung heißt Kom­mu­nis­mus!

De­mons­tra­ti­on
Frei­tag, 24. Ja­nu­ar 2014
17 Uhr, Land­stra­ße, Wien Mitte


An­ti­na­tio­na­ler Work­sh­op­tag
Sams­tag, 25. Ja­nu­ar 2014
12 Uhr, Wien (Ge­nau­er Ort TBA)

Bus­sen fah­ren u.a. aus Ber­lin, Bre­men, Frank­furt, Göt­tin­gen, Köln und Leip­zig.