Quellenangabe:
Die Charta von Lampedusa (vom 21.05.2014),
URL: http://no-racism.net/article/4632/,
besucht am 21.11.2024
[21. May 2014]
Die Charta verlangt eine radikale Veränderung der sozialen, ökonomischen, politischen, kulturellen und rechtlichen Beziehungen, die das gegenwärtige Migrations- und Grenzregime kennzeichnen. Diese Beziehungen sind die Basis der globalen Ungerechtigkeit, der Millionen von Menschen derzeit ausgeliefert sind.
Die Charta von Lampedusa ist ein Bündnis zwischen den unterschreibenden Organisationen, Gemeinschaften und Individuen, die die Prinzipien, die sie enthält, bejahen, ausüben und verteidigen wollen. Jede_r Unterzeichner_in kann mit der Charta in der eigenen Weise und in der eigenen Sprache umgehen, wie sie_er dies als angemessen betrachtet. Die Charta von Lampedusa ist das Ergebnis eines konstituierenden Prozesses und der Konstruktion eines Rechts von unten. Die Charta wurde gemeinsam geschrieben bei einem Treffen verschiedener Organisationen, Gemeinschaften und Einzelpersonen vom 31. Januar bis 2. Februar 2014 auf Lampedusa. Anlass für dieses Treffen war der Tod von über 600 Frauen, Männern und Kindern durch die Schiffsbrüche vom 3. und 11. Oktober 2013. Dies waren die aktuellen Tragödien im Mittelmeer, das sich durch die gegenwärtige Regulierung und Kontrolle der Migration in einen Meeresfriedhof verwandelt hat.
Die Charta von Lampedusa ist keine Gesetzesvorlage oder eine Aufforderung an Staaten oder Regierungen. Seit vielen Jahren schränken Regierungen Personen und deren Bewegung ein. Die Einschränkung ist funktionales Element der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik und produziert Ungleichheit und Ausbeutung. Diese Politik hat sich mit der Wirtschaftskrise der ersten Jahre des neuen Jahrtausends weiter verstärkt. Insbesondere schafft die Europäische Union durch ihre Migrationspolitik eine geopolitische Landschaft, die für uns völlig inakzeptabel ist. Diese Politik basiert auf Ausschluss und der Limitierung von Mobilität, indem sie unterscheidet zwischen Menschen, denen es erlaubt ist, sich frei zu bewegen und anderen, die zahlreiche Hindernisse überwinden müssen, deren Bewegungsfreiheit verhindert oder stark eingeschränkt wird oft mit dem Risiko, das Leben zu verlieren.
Die Charta von Lampedusa verlangt eine radikale Veränderung der sozialen, ökonomischen, politischen, kulturellen und rechtlichen Beziehungen, die das gegenwärtige System kennzeichnen. Diese Beziehungen sind die Basis der globalen Ungerechtigkeit, der Millionen von Menschen derzeit ausgeliefert sind. Die Veränderung beginnt mit dem Aufbau einer Alternative, basierend auf Freiheit und Lebensperspektiven für Alle, ohne irgendeine Unterscheidung aufgrund von Staatsangehörigkeit und/oder Herkunft. Die Charta von Lampedusa basiert auf der Anerkennung, dass alle Menschen die Erde als gemeinsamen Raum bewohnen und dass diese Zugehörigkeit von uns Allen respektiert werden muss. Unterschiede müssen als eine Bereicherung verstanden werden, als eine Quelle neuer Möglichkeiten, und sollen nie benutzt werden, um Schranken zu bilden.
Die Charta von Lampedusa versteht unseren Planeten als ihren Anwendungsbereich und das Mittelmeer als ihren Ursprungsort, in dessen Zentrum die Insel Lampedusa liegt. Die gegenwärtige Politik sowie die Regulierung der Migration hat der Insel die Rolle einer Grenze und eines obligatorischen Durchgangsortes aufgezwungen. Zehntausende Menschen starben beim Versuch, die Insel zu erreichen. Die Charta von Lampedusa will der Insel und ihren Bewohner_innen ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände geben. Mit dieser ersten Veränderung der gängigen Routen, die von politischen und ökonomischen Regeln bestimmt werden, will sich die Charta über die Welt verbreiten. Mit unserer Unterschrift verpflichten wir uns, das von der Charta von Lampedusa formulierte Recht von unten in unserem politischen, sozialen und kulturellen Kampf in die Tat umzusetzen, unabhängig davon, ob dieses durch Staaten und/oder internationale Institutionen anerkannt wird. Die Charta von Lampedusa gliedert sich in zwei Teile. Diese Zweiteilung widerspiegelt die Spannung zwischen unseren Wünschen und überzeugungen einerseits und der politischen Realität auf der Welt andererseits.
Teil eins listet unsere Grundsätze auf. Diese bilden die Grundlage unserer Kämpfe, welche sich aus der Charta von Lampedusa ergeben.
Der zweite Teil hingegen anerkennt die Notwendigkeit, sich mit der Realität der gegenwärtigen Migrationspolitik und der Militarisierung der Landesgrenzen auseinanderzusetzen: mit dem Rassismus, der Diskriminierung, der Ausbeutung, den Ungleichheiten, den Einschränkungen und dem Tod von Menschen, den diese Politik produziert. Die Charta von Lampedusa fordert dabei eine umfassende Richtungsänderung.
Die komplette Charta von Lampedusa findet sich in mehreren Sprachen online auf :: lacartadilampedusa.org. PDF der deutschen Version :: hier.