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Quellenangabe:
Situation von Flüchtlingen in Wien: Stellungnahme der freiwilligen RechtsberaterInnen Hbhf & Wbhf (vom 05.10.2015),
URL: http://no-racism.net/article/4904/, besucht am 25.04.2024

[05. Oct 2015]

Situation von Flüchtlingen in Wien: Stellungnahme der freiwilligen RechtsberaterInnen Hbhf & Wbhf

Wir sind eine Gruppe von selbst organisierten freiwilligen RechtsberaterInnen, die in den letzten Wochen täglich an den Wiener Bahnhöfen und der Stadthalle vor Ort waren, um ankommende Flüchtlinge zu beraten.

WIR MACHEN

hiermit auf die momentan untragbare Situation und menschenrechtswidrige Situation aufmerksam, in der sich Flüchtlinge in Wien derzeit befinden:

1. Polizeiinspektionen nehmen im Moment keine Asylanträge mehr auf.

2. Flüchtlinge werden gesammelt von den Bahnhöfen mit Bussen in die Stadthalle gebracht, die völlig überbelegt ist. Die dortigen Unterbringungsbedingungen sind vollkommen unzureichend (zu Stoßzeiten zu wenig Essen, keine kältetaugliche Kleidung, schlechte hygienische Bedingungen).

3. Niemand, außer den freiwilligen BeraterInnen, informiert die Flüchtlinge über weitere Abläufe.

4. 1000+ Flüchtlingen in den verschiedensten Notunterkünften stehen - wie wir beobachteten - 6 BeamtInnen in der Stadthalle zur Verfügung. Wohl auch aufgrund des großen Missverhältnisses und trotz großer Bemühungen der Verantwortlichen vor Ort wird nur ein Teil der Flüchtlinge registriert. Der Rest der Menschen wird unregistriert in Notquartiere weggebracht. Die Behörden kümmern sich nicht darum, wo die Menschen letztendlich untergebracht und versorgt werden.

5. Problem: Seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 besteht zwischen der Registrierung und der Anordnung zur weiteren Vorgangsweise durch die Asylbehörde (BFA) kein Anspruch auf Grundversorgung, die Flüchtlinge sind daher auf Notquartiere angewiesen und nicht krankenversichert.

6. Teilweise erhalten die Flüchtlinge nach ihrer Registrierung keine Ladung für die Erstbefragung bei der Polizei. Es ist vollkommen unklar, wie eine solche zugestellt werden kann, wenn der Person keine Unterkunft zugeteilt wird.

7. Die Flüchtlinge müssen derzeit bis zu 2 Wochen warten, bis sie nach der Registrierung zu einer Erstbefragung geladen werden. Die Notquartiere sind vielfach überfüllt. Daher sind die Menschen in dieser Zeit in einem rechtlich und sozial vollkommen unsicheren Zustand und größtenteils obdachlos (der Winter naht).

[bb]WIR FRAGEN UNS[/b]

1. Wo ist der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung?

2. Wo sind die Verteilerzentren der Bundesländer?

3. Was tut die Regierung, um jene menschenwürdige und menschenrechtskonforme Behandlung und Unterbringung von Flüchtlingen in Österreich sicherzustellen, die sie von anderen Ländern - insbesondere Ungarn - einfordert?

4. Wann übernehmen die Behörden jene Verantwortung, die sie derzeit auf die Zivilgesellschaft abwälzt?

5. Was passiert mit all den nichtregistrierten Flüchtlingen, nachdem sie ohne einen Antrag stellen zu dürfen, aus der Stadthalle weggebracht wurden?

6. Sind diese Missstände gewollt oder werden sie zumindest stillschweigend akzeptiert?

WIR FORDERN

1. die Verantwortungsübernahme des Staates für eine menschenwürdige Unterbringung;

2. eine lückenlose Versorgung der Flüchtlinge;

3. dass Österreich seinen Pflichten aus der Genfer Flüchtlingskonvention nachkommt und funktionierende und menschenrechtskonforme Strukturen für Menschen bietet, die von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch machen.

Die freiwilligen RechtsberaterInnen HbHf & Wbhf, Stellungnahme vom 25.09.2015