Quellenangabe:
Versuchter Mord an Aktivisten (D) (vom 17.09.2001),
URL: http://no-racism.net/article/505/,
besucht am 27.11.2024
[17. Sep 2001]
Bereits am 3.9. kam es zu einem Mordversuch an einem Aktivisten aus D. Am 10.9. wurde er entfuehrt und misshandelt. Bisher sind die naeheren Umstaende unklar.
Presseerklärung
über den versuchten Mord und die EntFührung eines Mitglieds der IGA (Initiative gegen Abschiebungen) und des Caf"© foG (für offene Grenzen)im Dritte-Welt-Haus Frankfurt am Main
Am 03.09. wurde unser Genosse von Unbekannten nach Kelsterbach zu dem Ort gelockt, an dem Ende Juli das Antirassistische Grenzcamp stattgefunden hatte. Er wurde bedroht, an den Füßen gefesselt und in den Main getrieben. Es gelang ihm knapp zur anderen Seite zu schwimmen und Hilfe rufen zu lassen. Eine Woche später am 10.09. wurde unser Genosse wieder abgepasst und für ca. 20 Stunden entführt. Er wurde in dieser Zeit verhört und schwer verletzt.
Im Einzelnen:
03.09.2001 Versuchter Mord
Er fuhr am 03. September gegen 10.30 Uhr mit dem Rad von zu Hause los. In der Nähe seiner Wohnung wurde er von einem ihm unbekannten Mann mit Namen angesprochen. Dieser Mann gab ihm die Nummer eines Handys, er solle von einem "guten" Telefon aus anrufen, man brauche seine Hilfe.
Er fuhr weiter zu seiner Arbeit und rief von einer Telefonzelle aus die Nummer an. Ihm wurde gesagt, daß man sich mit ihm treffen wolle. Es wurde ihm ein Treffpunkt im Taunus genannt.
Er fuhr hin, längere Zeit kam niemand, so dass er die Handynummer nochmals anrief. Ihm wurde dann mitgeteilt, man wolle sehen, ob er observiert werde, er solle zu einem anderen Treffpunkt in Kelsterbach (Camp) kommen.
Er fuhr nach Kelsterbach, begab sich zu der Stelle an der das
Antirassistische Grenzcamp stattgefunden hatte. Dort tauchten vier Männer auf, die offenbar in den Böschen auf ihn gewartet hatten. Sie hatten mehrere Pistolen und dunkle stücke, vermutlich aus Hartgummi, dabei. Sie erklärten ihm, daß er ein
Volksverräter wäre und er sei zum Tode verurteilt. Man gab ihm eine Stunde Zeit einen Abschiedsbrief zu schreiben. Ihm wurde zu verstehen gegeben, dass er noch eine Chance bekÀme, da er ja ein "harter Junge" sei. Er wurde an den Füßen gefesselt und dabei geschlagen. Im Anschluss wurde er mit Kleidung und
Schuhen und zusammengebunden Füßen und mit vorgehaltener Pistole in den Main getrieben.
Es gelang ihm einen Schuh und die Fessel abzustreifen und auf die andere Seite nach Okriftel zu schwimmen. Er lag längere Zeit am Ufer, bis er sehr fror und aufstehen musste. Dann lief er durch Okriftel, bis er eine Kneipe fand, in der noch sauber gemacht wurde. Er machte Krach, bis man auf ihn aufmerksam wurde und er ließ die Polizei rufen.
10.09.2001 EntFührung und Verhör
Eine Woche später, am Montag, den 10. September wurde unser Genosse gegen 10.00 Uhr morgens erneut in der Nähe seiner Wohnung abgepasst. Er wurde von zwei Männern mit Messern bedroht, und gezwungen mit ihnen zu einem PKW mitzukommen. Man verband ihm die Augen und er wurde gezwungen, in den
Kofferraum des PKW einzusteigen. Die Entführer fuhren mit ihm längere Zeit durch die Gegend an einen Ort, an dem er verhört wurde. Ihm wurde mehrfach gesagt, dass ihm nichts passieren würde, sie wollten nur mit ihm reden. Weiterhin sagten die beiden Männer, es sei eine "starke Leistung" gewesen den ersten
Mordanschlag überlebt zu haben (auf der anderen Seite des Mains lebend anzukommen). Sie befragten ihn nach seinen antirassistischen und antifaschistischen Aktivitäten. Da er im Verhör nicht befriedigend antwortete, erhielt er zahlreiche Schläge auf den Kopf und den körper und sie schlugen ihm mit einem
schweren Gegenstand auf die Hand und zertrÃŒmmerten dabei den Daumen.
Ihm wurde schließlich gesagt, daß er in Ruhe gelassen würde, wenn er nicht zur Polizei ginge und er wurde gewarnt, dies doch zu tun.
Am nächsten Morgen Dienstag, den 11.09.01 ließen die Entführer ihn am Rande Frankfurts frei.
Es fällt uns schwer, das Geschehene einzuschätzen, da es Vorfälle sind, die wir in dieser Form in der BRD bisher nicht kannten.
AuffÀllig ist auf jeden Fall, wie gut die Täter über die Person unseres Genossen, seine Gewohnheiten und seinen Tagesablauf informiert waren.
Wir wissen von der Brutalität und Menschenverachtung neonazistischer und faschistischer Organisationen, allerdings auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen und der Professionalität des Auftretens der Täter fällt es uns schwer ein solch gut organisiertes und durchgeführtes Verbrechen auf ausschließlich faschistische Strukturen zu beziehen.
Den Angriff gegen unseren Genossen begreifen wir trotz aller Unsicherheiten über den Täterkreis als einen Angriff gegen alle Menschen, die versuchen, sich der immer weiter ausbreitenden rassistischen Grundhaltung in staatlichen Institutionen und einem großen Teil der Bevölkerung sowie der offenen Brutalität der faschistischen Schlägertrupps entgegenzustellen.
Das was für viele Flüchtlinge und MigrantInnen schon lange Realität war, hat jetzt in aller Brutalität auch einen Freund und Genossen von uns getroffen.
SOLIDARITÃT
Frankfurt, den 14.09.01