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Quellenangabe:
SozialarbeiterInnen sind keine Polizisten! (vom 01.10.2000),
URL: http://no-racism.net/article/513/, besucht am 24.11.2024

[01. Oct 2000]

SozialarbeiterInnen sind keine Polizisten!

Stellungnahme der ARGE Sozialarbeit von unten zum Polizeiüberfall auf das Gesellenheim Zohmanngasse am 28.9.99 und zur Kriminalisierung der Heimbewohner und der Heimleiterin Ute Bock.

Nach der ErsTürmung Gesellenheims am 28.09.99 in der Zohmanngasse, wobei 36 junge Afrikaner, die meisten von ihnen minderjährig, verhaftet wurden, wurde die Leiterin des Heims, Frau Bock, zwangspensioniert.
Im Frühjahr formte sich Widerstand von Seiten der Menschen, die im Fokus von rassistischer Hetze stehen; ein Schubhäftling wird getötet, und die einzige Reaktion der Verantwortlichen darauf ist, so viele Menschen dunkler Hautfarbe wie möglich zu verhaften und sie endgültig in der Öffentlichkeit als Kriminelle und Drogenhändler abzustempeln. Soll das etwa ernsthafte Auseinandersetzung mit der Drogenproblematik sein? Die Verhaftung der Jugendlichen knapp vor der Wahl ist ein weiterer Höhepunkt einer in der zweiten Republik beispiellosen Hetze.
Frau Bock betreut seit vielen Jahren Jugendliche, die andere Einrichtungen lÀngst aufgegeben haben - mit akuten Problemen wie Wohnungsnot, Drogenabhängigkeit und Asylproblemen. Ohne die Unterstützung von Frau Bock Wären viele von ihnen auf der strasse gestanden oder sogar abgeschoben worden. Dieselben Einrichtungen, die sich jetzt gerne von Frau Bock distanzieren, haben selber noch bis vor kurzem ihre Problemfälle bei ihr abgegeben - und die Tür von Frau Bock war allen offen.

Und sie hat öffentlich gegen menschenverachtende Praktiken der Polizei Stellung genommen, wie etwa den berÃŒchtigten Handwurzelknochentest, mit dessen Hilfe einige Ärzte behaupten, das tatsächliche Alter von Asylwerbern feststellen zu können. Im Regelfall werden damit Jugendliche zu Erwachsenen erklärt, was für die Behörden deren Abschiebung genauso erleichtert wie die Verurteilung von minderjährigen StrafTätern zu langjährigen Haftstrafen. Mit ihrem Engagement hat sich Frau Bock den Zorn derer aufgeladen, die die Sozialarbeit als eine Einrichtung sehen wollen, die Menschen einer gewünschten Norm zuführt, sie ruhig stellt und Widerstände gegen herrschende Zustände im Keim erstickt. Den sozialen Frieden sicherstellt, um an der üblichen Kriegsordnung festhalten zu können, die da heißt: Soldaten gegen Flüchtlinge, die Reichen auf Kosten der Armen immer reicher zu machen, Menschen ihrer Hautfarbe wegen zu Freiwild zu erklären. Die Tendenz, Sozialarbeit in Österreich immer stärker zum bloßen Erfüllungsgehilfen polizeilicher und repressiver maßnahmen zu erklären, und statt auf Hilfe auf Kriminalisierung zu setzen, ist offensichtlich.

Anläßlich der aktuellen Entwicklungen wollen wir eine Plattform aufbauen für alle, die nicht gewillt sind, ihre soziale Arbeit mißbrauchen zulassen, für alle, die soziale Arbeit als emanzipatorische und aufklärerische verstehen, die dazu beitragen, daß Menschen ihr Leben selbst bestimmen und gegen mißbrauch, Ausgrenzung und Repression aktiv werden. Wer täglich mit den Opfern und Ausgegrenzten dieses Systems arbeitet, muß sich früher oder später nach den gesellschaftlichen Ursachen sozialer Mißstände fragen. Ansonsten degeneriert die ganze Sozialarbeit zur bloßen Symptombekämpfung, zum Feigenblatt eines Asozialsystems. Jede/r SozialarbeiterIn ist gefordert, sich zu entscheiden. Wir wollen nicht mehr schweigend zusehen, wie KollegInnen auf Grund ihres Einsatzes bestraft werden, wir laden Euch ein, Euch zu solidarisieren und nicht tatenlos abzuwarten, sondern Kräfte zu sammeln und in Zeiten wie diesen Stellung zu beziehen. Wir brauchen unsere gegenseitige Unterstützung um gemeinsam zu handeln.

Zivilcourage gilt nicht als Förderungswürdig in Österreich, im Gegenteil, sie wird - wie bei Frau Bock - zur illegalen Handlung erklärt!
Wir solidarisieren uns mit Frau Bock und fordern ihre völlige Rehabilitierung und die Anerkennung ihrer Leistungen, sowie die Rücknahme ihrer Zwangspensionierung! Wir verlangen, daß die verhafteten Jugendlichen freigelassen werden und unbehelligt wieder in der Zohmanngasse oder einer ähnlichen Einrichtung wohnen können!
Wir fordern nicht zuletzt die Rücknahme aller diskriminierenden und rassistischen Gesetze, den Rücktritt des dafür verantwortlichen Innenministers, sowie die Suspendierung der zahlreichen Exekutivbeamten, die sich rassistischer Übergriffe schuldig gemacht haben! Wir protestieren entschieden gegen den mißbrauch von Sozialarbeit, die für die Menschen dazusein hat, nicht für Repression und Kriminalisierung!