Quellenangabe:
Räumung des EKO-Camps bei Polykastro (vom 14.06.2016),
URL: http://no-racism.net/article/5141/,
besucht am 24.11.2024
[14. Jun 2016]
Am 13. Juni 2016, gegen vier Uhr morgens, hat die griechische Polizei begonnen, das sich in der Nähe von Polykastro befindende Geflüchteten-Camp EKO zu räumen.
Das inoffizielle Camp nahe der griechisch-mazedonischen Grenze, etablierte sich, wie einige andere wilde Camps, nach der Räumung des durch die Medien bekannt gewordenen Camp's bei Idomeni bzw. nach der Schließung der sogenannten Balkanroute. Neben den offiziellen staatlich-organisierten Lagern, den sogenannten military camps, in denen es (immer noch) an sämtlichen humanitären Mindeststandards fehlt, wurde das bis zu 2500 Menschen zählende Camp an der Autobahnraststätte unter vielen Geflüchteten gemocht, weil Geflüchtete und Aktivist_innen eine Struktur der Selbstorganisation schufen. Autonome Küche, Schule, Radio oder Kino konnten so vielleicht an einigen Stellen die Lebensrealität einiger Menschen menschenwürdiger gestalten.
Die Gerüchte über eine bald anstehende Räumung machten schon seit einigen Tagen unter den Bewohner_innen im Camp die Runde. Solcherlei Gerüchte gab es hier in der Vergangenheit öfter, allerdings wurde nun aus dem Gerücht eine Tatsache. So kam es, dass schon in der Nacht einige Beamte verdeckt und offen das Gelände observierten. Um ca. vier Uhr morgens sammelten sich dann mehrere dutzend Uniformierte gegenüber der Tankstelle und weitere an den Eingängen des Geländes. Etwa eine Stunde später gab die Polizei dann die Räumung des Camps bekannt und stellte allen "Nicht-Geflüchteten" das Limit, in einer Stunde die Autobahnraststätte zu verlassen um kurz darauf die Geflüchteten mit Bussen in offizielle Camps nach Thessaloniki zu transportieren. Refugees und Supporter_innen entschlossen sich dieser Forderung nicht nach zu gehen und stattdessen im Camp zu bleiben. Daraufhin fuhren gegen sieben Uhr mehrere Manschaftsbusse im und um das Camp auf. Helme und Schilder demonstrierten die Macht des europäischen Grenzregimes und damit leider irgendwie auch die Ausweglosigkeit dieser beschissenen Situation.
Manche Familien im Camp wurden durch Zivilbeamte, welche Nicht-Geflüchtete ausfindig machen wollten, geweckt. Dabei wurden die Zelte ohne Rücksicht auf die sich darin befindenden Menschen willkürlich geöffnet. Einige der eingesetzten Beamten bekräftigten in herablassenden Gesten und sinnlosen herumschreien ihr Unternehmen. Fast ein Dutzend Volunteers wurden in Gewahrsam genommen, sind mittlerweile aber wieder raus. Es ist vor allem dem in dieser Situation behutsamen Verhalten vieler Refugees geschuldet, dass es zu keiner größeren Eskalation während der Räumung kam.
Ungefähr 300 Menschen bildeten gegen 9.30 Uhr einen spontanen Demonstrationszug, der mit Transparenten gegen die Abschottungspolitik der EU, Trillerpfeifen und Sprechchören wie "open the borders!" eine Runde um das Campgelände machte. Andere Geflüchtete tanzten und sangen gemeinsam kurdische Lieder.
Aber vor allem die Trauer und Wut über diese kaputte Gesellschaft waren in diesen Minuten und Stunden im Camp allgegenwärtig. Eine Gesellschaft, welche geflüchtete Menschen systematisch jegliche Möglichkeit auf ein menschenwürdiges Leben verwehrt. Eine Gesellschaft, welche Freund_innenschaften zerstört und Solidarität unter Menschen erst gar nicht entstehen lässt. Eine Gesellschaft, in der nur jene ein halbwegs gutes Leben haben sollen, die das Glück hatten, auf einem bestimmten Stückchen Erde geboren worden zu sein.
Wo Gestern Abend noch ein großes Open Air Kino stattfand, standen heute Morgen Bereitschaftspolizisten; und in den nächsten Wochen werden irgendwann wieder vereinzelte Busse an der Autobahnraststätte und der gegenüber liegenden Seite anhalten, um 10 Minuten zu pausieren. Die Menschen im Camp mussten innerhalb von weniger als 2 Stunden(!) ihre Taschen packen, gezwungener Maßen zu den bereitgestellten Bussen laufen, ihr altes Leben aufgeben und irgendwo hinfahren, wovon sie nicht wissen, was sie erwartet. Für viele der Menschen leider mittlerweile keine neue Erfahrung sondern bitterer Alltag! Es sind tausende, die diese Verhältnisse nicht mehr hinnehmen. Und viele dieser Menschen werden sich auch in Zukunft nicht davon abbringen lassen, für ein gutes Leben in Würde diese Verhältnisse praktisch in Frage zu stellen.
Fight fortress europe!
Artikel zuerst veröffentlicht am 13. Juni 2016 auf :: fallingborderssite.wordpress.com, hier bearbeitet von no-racism.net.