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Quellenangabe:
Politjustiz im Rahmen des nationalen Konsenses: Operation Spring und folgende (vom 01.03.2000),
URL: http://no-racism.net/article/515/, besucht am 29.03.2024

[01. Mar 2000]

Politjustiz im Rahmen des nationalen Konsenses: Operation Spring und folgende

Verhetzende, rassistische Politik bedient sich verbreiteten Feindbilder; die Polizei versucht die Fakten dazu zu liefern. Mit den Rechten von MigrantInnen nimmt man es da nicht mehr so genau. Wie kam es dazu?

Heute stehen Menschen dunkler Hautfarbe unter dem Verdacht Drogenhändler und Kriminelle zu sein. Dementsprechend sind schikanÃŒse Perlustrierungen auf offener strasse und rassistische Beschimpfungen alltäglich. Verhetzende, rassistische Politik bedient sich dieser verbreiteten Feindbilder; die Polizei versucht die Fakten dazu zu liefern. Mit den Rechten von MigrantInnen nimmt man es da nicht mehr so genau. Wie kam es dazu?

"Operation Spring" und folgende
MigrantInnen sind seit langem den speziellen Bestimmungen des Fremdenrechts unterworfen und werden so zu Menschen zweiter Klasse gegenüber den privilegierten StaatsbürgerschaftsbesitzerInnen gemacht. Rassistische Politik knüpft hieran an, indem sie die schlechtere soziale Stellung als von den diskriminierten Menschen selbst gemacht darstellt. Völlig ausgeklammert wird die Frage nach den Gründen von Migration.

Im Mai 1999 erhielt die rassistische Hetze in Medien und Politik mit der "Operation Spring" eine neue Dimension: Drei Wochen nach dem Tod von Marcus Omofuma wurden über hundert Menschen dunkler Hautfarbe unter dem Verdacht auf Drogenhandel inhaftiert. Tags zuvor hatte die Wiener FPÖ ein ganzseitiges Inserat in drei Zeitungen geschaltet und den damaligen Innenminister Schlögl zum Handeln gegen die "nigerianische Drogenmafia" aufgefordert. Die politische Inszenierung der "Operation Spring" ist zudem hervorzuheben, da am Tag danach bereits alle Themen des Nationalratswahlkampfs der Wiener FPÖ in einigen Zeitungen genannt wurden. Es scheint daher, als habe es sich bei der "Operation Spring" um den konstruierten Anlaßfall gehandelt, der in Hinblick auf Europaparlamentswahl und Nationalratswahl im Wahlkampf ausgeschlachtet werden sollte. Wie erfolgreich diese rassistische Hetze war, läßt sich daran ermessen,
dass auch einige grüne PolitikerInnen begannen, sich im Nachhinein von der solidaritätsbewegung, die nach dem Tod von Marcus Omofuma entstanden war, zu distanzieren. Als Argument wurde angeführt, sich nicht von DrogendealerInnen mißbrauchen lassen zu wollen. Schließlich wurde über den toten Omofuma in der "Berichterstattung" über Drogenkriminalität berichtet. Täter und Opfer waren umgedreht. Die verstärkt geführte Debatte über den sich ausweitenden Rassismus und Übergriffe seitens der Exekutive unterdrückt.

Ende September 1999 sTürmte die Polizei ein Gesellenheim in der Zohmanngasse und wieder wurden dutzende Menschen dunkler Hautfarbe verhaftet. Warum ausgerechnet wenige Tage vor der Nationalratswahl, obwohl der Polizei monatelang bekannt war, dass es dort zu angeblichen Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz kam? Im Jänner 2000 kam es im Zuge einer Razzia in Traiskirchen zu massiven Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen seitens der Exekutive, was bereits Gegenstand eines Gerichtsverfahrens ist.Wir wollen hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass alle diese Aktionen noch unter einem sozialdemokratischen Innenminister ("Haiders bestem Mann in der Regierung") durchgeführt wurden. Staatlicher Rassismus beginnt nicht erst mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ, nun ist aber eine offen rassistische Partei in der Regierung.

"You will burn in hell, not we"
Diese Aussage einer Dolmetscherin in einem Prozeß gegen einen des Drogenhandels beschuldigten Afrikaner läßt Erinnerungen an die Hexenprozesse der Inquisition wach werden. In den Prozessen mangelt es nicht an Vorverurteilungen und sorglosem Umgang mit etwaigen Widersprüchen. Es scheint, als wolle das Gericht Schuldbekenntnisse hören; egal, ob ein Tatbestand als erwiesen gilt oder nicht. Schließlich werden aus Kleinkriminellen große Drogenbosse, aus Unschuldigen und Gelegenheitsdealern wird die "nigerianische Drogenmafia".

Wenn Unrecht zu Recht wird, wird solidarität zur Pflicht

In unserer tätigkeit werden wir seit 16. November 1999 massiv behindert, da es für Menschen, die der GEMMI zugerechnet werden, eine Verweigerung der Besuchserlaubnis gibt. Diese Verweigerung der Besuchserlaubnis wurde mit der vorgeschobenen Mutmaßung ausgesprochen, dass die GEMMI angeblich einen passiven Widerstand unter afrikanischen Gefangenen koordiniere. Stattdessen werden Menschen, die noch über eine ausgestellte Dauerbesuchserlaubnis für afrikanische Gefangene verfügen, oftmals Schikanen in den Weg gelegt: Es kommt z.B. vor, dass auf einen Besuch eines Menschen dunkler Hautfarbe rund drei Stunden gewartet werden muss, während zur gleichen Zeit für andere Besuche nur eine Stunde Wartezeit erforderlich ist. Die Öffentlichkeit der Prozesse gegen AfrikanerInnen gilt auch nur mehr beschränkt: Seit Jänner werden vor öffentlichen Verhandlungen gelegentlich Ausweiskontrollen durchgeführt, die Daten von ProzeßbeobachterInnen notiert, und dies verbunden mit der Anweisung, dass es nicht erwünscht sei, sich während des Prozesses Notizen zu machen.

Seit Anfang März hat die fragwürdige Vorgangsweise der Exekutive eine neue Dimension erlangt: Wie bereits hinlÀnglich bekannt sein dürfte, zerrten Vermummte mit gezÃŒckten Waffen, die sich erst im Nachhinein als Polizisten zu erkennen gaben, nach der Opernballdemonstration vier DemonstrantInnen aus einem Taxi. Zwei von ihnen wurden festgenommen und sitzen noch heute in U-Haft. Eine weitere Demonstrantin wurde auf dem Weg nach Hause unter nicht minder fragwürdigen Umständen verhaftet. Nach einer anonymen Anzeige drang die Polizei wenige Tage später während der Beratungszeit des Flughafensozialdienstes in ein grünes Parteilokal ein: Die Anzeige stellte sich zwar als völlig haltlos heraus, stattdessen wurden Beratung suchende Menschen kontrolliert, einige festgenommen und in Schubhaft gesteckt. Fragen nach der Dienstnummer der eingesetzten Beamten, wurden mit Drohungen, ab sofort jeden Tag die Beratungsstelle heimzusuchen, beantwortet. In der gleichen Woche wurde die Frau eines Aktivisten der Organisation Demokratie für Afrika unter der Beschuldigung Widerstand gegen drei Polizisten geleistet zu haben festgenommen. Wir fragen uns, wohin das eigentlich führen soll. Dies auch und vor allem deshalb, da einer der nach der Opernballdemo verhafteten und noch immer in U-Haft sitzenden, bei uns mitgearbeitet und selber afrikanische Gefangene besucht hat. Den für diese Einsätze Verantwortlichen sei gesagt, dass wir sie tatsächlich an ihren Taten messen und gerade deshalb nichts anderes als ihren Rücktritt fordern können.

Zugleich hätten wir gern gewußt, was von einer Justiz zu halten ist, an deren Spitze heute Haiders Ex-Chefanklänger steht; wo noch zusätzlich bekannt ist, dass eine law-and-order Staatsanwältin der ÖVP Anklage gegen die ersten politischen Gefangenen seit dem Regierungsantritt der FPÖVP Regierung erheben soll. Während heute Menschen, denen nichts anderes als angeblicher Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen werden kann, wochenlang in U-Haft festgehalten werden, wurden Prozesse gegen mutmaßliche mehrfache Mörder des NS-Regimes jahrelang verschleppt, bis es schließlich möglich wird, diese wegen angeblicher endgültiger Verhandlungsunfähigkeit für immer zu vertagen.

Da die sozialdemokratischen Verantwortlichen bisher keine Konsequenzen aus ihrer politischen Verantwortung gezogen haben, fordern wir den Rücktritt des Ministers a.D. Schlögl aus allen politischen Ämtern. Zudem fordern wir die Auflösung der neuen politischen Geheimpolizeieinheit SEK. Herr Stiedl, auch Sie fordern wir daher auf, abzutreten.

Von den neoliberalen Erben des Klerikalfaschismus und denen des Nationalsozialismus in der Regierung fordern wir nur eines: ihren Rücktritt.

Einstellung aller Verfahren und Freiheit für die Gefangenen der Politjustiz!
Gleiche soziale und politische Rechte für alle Menschen, die in diesem Land leben !
Widerstand !

Text von GEMMI