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Quellenangabe:
Rassistische Menschenjagd in Bautzen (vom 18.09.2016),
URL: http://no-racism.net/article/5186/, besucht am 26.12.2024

[18. Sep 2016]

Rassistische Menschenjagd in Bautzen

25 Jahre nach dem Pogrom in Hoyerswerda kommt es nur 35 Kilometer entfernt zu massiven Naziübergriffen auf in Bauzen lebende Geflüchtete. Die Mainstream-Medien betreiben dabei eine Täter_innen-Opfer-Umkehr. Aussendung der ARI Berlin und Erklärung des RAA Sachsen.

Pressemitteilung der antirassistischen initiative Berlin


25 Jahre nach dem Pogrom in Hoyerswerda und 35 Kilometer von Hoyerswerda entfernt: Rassistische Menschenjagd in Bautzen - Lokalpresse, Polizei und Stadt Bautzen machen aus Opfern Täter

In den letzten Tagen gab es mehrere rechtsextreme Demonstrationen in Bautzen, darunter unter anderem ein Fackelmarsch mit aggressivem Einsatz von Pyrotechnik. Am Abend des 14.09.2016 versammelten sich rund 100 Nazis und Rechtsextreme auf dem Bautzener Kornmarkt.

Der Markt ist der Treffpunkt von Kinder und Jugendlichen, die unbegleitet nach Deutschland geflohen sind. Hier gibt es freies W-Lan. Und diese minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten sind nicht freiwillig in Bautzen. Sie sind geflohen und hierher "verteilt" worden. Der Kornmarkt mit freiem W-Lan bietet die Chance zur Kommunikation mit der Außenwelt.

Die Kinder und Jugendlichen werden am 14.09.2016 von einem 100-köpfigen Mob beschimpft und angegriffen. Die bereits anwesende Polizei schreitet nicht ein. Einige der 20 Minderjährigen wehren sich, dann flüchten sie zurück zu ihren Unterkünften, verfolgt vom rechten Mob.

Ein Rettungswagen, der zur Unterkunft der Geflüchteten entsandt wird, um Verletzte zu versorgen, wird von Rechtsextremen mit Steinen angegriffen und gestoppt.

All dies hindert die Polizeiführung in Bautzen nicht daran, auf einer Presse-Konferenz am 15.09.2015 eine absurde Variante des Geschehens vorzustellen: 20 Kinder und Jugendliche hätten auf dem Kornmarkt 80 Deutsche angegriffen, die sich dort versammelt hätten.

Alle im Internet veröffentlichten Videos zeigen Angriffe auf Geflüchtete; der Angriff rechter Gewalttäter auf einen Rettungswagen wird von der Polizei bagatellisiert, die Hetzjagd durch die Stadt schlicht ignoriert. Die Kinder und Jugendlichen seien die Täter.

Eine Phalanx aus Polizeiführung und Stadtregierung redet sich die geduldeten Pogrome in Bautzen zurecht und macht die Opfer zu Tätern. Ihre absurde Variante bringt es bis in die Tagesschau.
Als verlängerter Arm des rechten Mobs verhängt die Stadt eine Ausgangssperre über die Bautzener Geflüchtetenlager, so wird ein Lager zum Knast. Sie inhaftiert Minderjährige täglich ab 19 Uhr. Die minderjährigen Geflüchteten haben es gewagt, sich gegen den rechten Mob zu verteidigen.

Die Bautzener Stadtverwaltung und Polizei vollstreckt den Willen der Nazis, wie vor 25 Jahren, 35 Kilometer von Bautzen entfernt in Hoyerswerda. Der damalige Pogrom begann am 17.09.1991 und zog sich über mehrere Tage hin. Er endete damit, dass unter Beifall und Steinwürfen von Neo-Nazis und Anwohner_innen zwischen dem 20. und 23. 09. 1991 die langjährig in Hoyerswerda ansässigen Vertragsarbeiter sowie die in einem anderen Wohnheim untergebrachten Geflüchteten in Bussen abtransportiert wurden.

Am 15.09.2016 sind abends bereits über 200 Nazis in Bautzen aufmarschiert, beflügelt von ihrem "Erfolg", die unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge aus der Innenstadt vertrieben zu haben.

Zwischen dem 17. und 23.9.2016 jährt sich der Pogrom von Hoyerswerda zum 25 mal, was wird zu dieser Zeit in Bautzen passieren?

Um es klar zu sagen: Sich gegen rassistischen Terror zu wehren, ist richtig!

Solidarität mit den unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten in Bautzen.

Gegen die Täter-Opfer-Umkehr durch Stadtverwaltung und Polizeiführung in Bautzen.
Gegen die völkische Solidarität von Stadt Bautzen, Polizei und Lokalpresse mit dem organisierten rechten Mob.



Erklärung des RAA Sachsen e.V. zu den Ereignissen in Bautzen


Brandanschlag in Bautzen im Februar 2016

In der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag (14./15.09.2016) kam es in Bautzen zu Auseinandersetzungen auf dem Kornmarkt in Bautzen. Laut Polizei ging die Eskalation von geflüchteten Jugendlichen aus.

Die Situation auf dem Kornmarkt in Bautzen ist nicht neu. Seit Wochen sammeln sich dort immer wieder Neonazis und rechte Jugendliche. Jugendliche Geflüchtete, die sich ebenfalls auf der sogenannten "Platte" aufhalten, werden angepöbelt und angefeindet. In den vergangenen Wochen und Monaten gab es immer wieder rassistische Angriffe in Bautzen: so nach dem EM Viertelfinale Deutschland-Italien Anfang Juli. Zunächst kam es auf dem Kornmarkt zu Attacken von ca. 50 Deutschen gegen einen Asylsuchenden. Nachdem die Polizei diesen zu seiner Unterkunft brachte, um weitere Ausschreitungen zu verhindern, zog eine Gruppe von 10 deutschen Männern vor die Wohnung eines weiteren Asylsuchenden, skandierten rechte Parolen und versuchten in das Haus einzudringen.

In Bautzen hat sich seit mindestens zwei Jahre eine rechte Szene erneut etabliert, die für Angriffe, Bedrohungen und Einschüchterungen gegenüber Nicht-Rechten, Flüchtlingsunterstützer_innen, Linken, Sorben und Asylsuchenden verantwortlich ist. Seit Jahren engagieren sich Menschen in Bautzen für eine offene und demokratische Stadt, doch immer wieder sind es solche Ereignisse, die dieses Engagement überschatten. 2014 wurden Veranstaltungen von sorbischen Jugendlichen wiederholt angegriffen, 2015 machten Neonazis am Rande ihrer Demonstrationen wiederholt Jagd auf Gegendemonstrant_innen. Seit 2016 häufen sich die Attacken gegen vor allem jugendliche Flüchtlinge, viele von ihnen minderjährig.

Erst am vergangenen Freitag eskalierte eine rechte Demonstration, die Teilnehmer jagten Gegendemonstranten in das soziokulturelle Zentrum Steinhaus und belagerten dieses, warfen Feuerwerkskörper und Gegenstände, während die Polizei eine Stürmung des Hauses verhinderte.

In dieser Gemengelage davon zu sprechen, dass am Mittwoch die Eskalation von den jungen Geflüchteten ausging, ignoriert die Umstände. Mag von da auch der erste Stein geworfen worden sein, so verkennt eine solche Behauptung, von wem die Gewalt ausgeht. Seit langem versuchen Neonazis in Bautzen den Ton anzugeben. Gruppen wie StreamBz machen im Internet keinen Hehl daraus, ihren Anspruch auf Bautzen gewaltsam durchsetzen zu wollen. Der Kornmarkt ist scheinbar zum symbolischen Ort dieses für die Naziszene typischen Hegemonieanspruchs geworden.

Augenzeugen berichten von einem organisierten und bedrohlichen Auftreten der Nazis auf dem Kornmarkt am Mittwoch und von einem zweifelhaften Vorgehen der Polizei, die die zum Teil minderjährigen Geflüchteten mit Beschimpfungen des Platzes verweisen wollte. Dies und auch die nun ergriffenen Maßnahmen zeigen die einseitige Zielrichtung des Vorgehens in Bautzen. Als Unruhestifter werden die Geflüchteten gesehen, weil sie allein mit ihrer Präsenz bereits provozierten. Mit einem solchen Vorgehen bestärkt man die Angreifer in ihrem Handeln und macht die Betroffenen zu Tätern.

Dass allein Konsequenzen für die geflüchteten Jugendlichen verhängt werden mit Alkoholverbot, Ausgangssperre und Verlegung vermeintlicher "Rädelsführer" ist das falsche Signal. Konsequenzen muss es vor allem für die Nazis in Bautzen geben. Andernfalls werden diese Gruppierungen weiter an Boden gewinnen und ihrem Ziel einer "national befreiten Zone" einen Schritt näherkommen.

Pressemitteilung der antirassistischen initiative Berlin vom 16. September 2016, online auf :: ari-berlin.org und Erklärung des RAA Sachsen, zuerst veröffentlicht auf :: raa-sachsen.de.