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Quellenangabe:
Urteil gegen einen Gefangenen der Operation Spring: 8 Jahre (vom 19.11.2002),
URL: http://no-racism.net/article/524/, besucht am 22.12.2024

[19. Nov 2002]

Urteil gegen einen Gefangenen der Operation Spring: 8 Jahre

Die rassistische Klassenjustiz schlägt wieder einmal zu
Begründung für die hohe Strafe: die innere Einstellung des Angeklagten.
Oder: Bist du nicht geständig, sondern widerständig und hältst nicht dein Maul, bist du auf jeden Fall schuldig.

A. wurde am 25.5.1999 im Zuge der Operation Spring verhaftet. Seitdem war er inhaftiert im LG1 (Landesgericht 1) in der Wickenburggasse in Wien, ohne Arbeit, eine Stunde Hofgang am Tag - dreieinhalb Jahre dauerte seine Verhandlung. Die Vorwürfe gegen ihn, Mitglied einer Organisation zu sein und dort eine wichtige Rolle gespielt zu haben, waren von Anfang an durch nichts zu beweisen. Er selbst bestätigte, dass er nichts mit einer Bande zu tun hatte, was dazu führte, dass er von den Gerichten als besonders verstockt und in einer imaginÀren Hierarchie weit oben stehend angesehen wurde. A. wurde in erster Instanz im Herbst 1999 zu 10 Jahren verurteilt. Darauf folgten weitere Rechtsgänge und zahlreiche wechselnde Verteidiger. Die Verhandlung vom 7.11.2002 war die letzte. Der Oberste Gerichtshof hatte die vorhergegangenen Urteile in den Anklagepunkten Bande und Gewerbsmäßigkeit bestätigt, jedoch die Anklage wegen in Verkehrsetzung einer übergroßen Menge an Suchtgift (25 fache Menge des Grenzwerts) aufgehoben. In dieser Verhandlung geht es nur mehr um die Menge.

Richter verliest:
A. hätte verkauft: (es folgt eine Liste von Daten und Mengen und Personen. Insgesamt beläuft sich die Summe auf ca. 100 g Heroin + Kokain).
25 fache Menge wurde aufgehoben.
Entscheidungsbegründung: 24.4.98 wurde A zu 9 Monaten verurteilt, wurde anlässlich der Weihnachtsamnestie am 17.12.98 entlassen, 3 jährige Probezeit.
A. sei ein Mitglied einer international & national agierenden nigerianischen Tätergruppe, die fortlaufend und geplant Suchtgift-Handel betreibe, 70 Personen Wären ausgeforscht und teilweise verurteilt.
Staatsanwältin + A. haben keine weiteren Fragen.
Akt gilt als verlesen.

Schlussplädoyers:
Staatsanwältin:
Es konnte nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden ob eine übergroße Menge in Umlauf gebracht wurde, es muss lediglich von einer grossen Menge ausgegangen werden. Die Mitgliedschaft bei einer Grossbande wurde durch den OGH (Oberster Gerichtshof) nicht aufgehoben, ebenso nicht die Gewerbsmäßigkeit. Das erste Urteil von 10 Jahren ist zu reduzieren, erschwerend ist allerdings die Vorstrafe und der rasche Rückfall. Mildernde Umstände keine.

Anwalt:
Er schliesst sich der Frau Staatsanwältin an, es liegen keine ausreichenden Beweise für eine übergrosse Menge vor. Wenn man rechnet, komme man auf 100 g, die man dem Angeklagten nachweisen könne. Die Operation Spring war der erste Lauschangriff mit Kameraüberwachung. Es wurde verdichtet beobachtet, wie es vorher noch nicht der Fall war. Wenn man so intensiv beobachtet, kann man davon ausgehen, dass nicht mehr da ist, als man beobachtet hat; also dass nicht mehr gedealt wurde, als was man weiss.

Darüberhinaus muss die Situation des Angeklagten berücksichtigt werden, er hatte keine Wohnmöglichkeit, keine Arbeitsmöglichkeit, wendet sich an andere Afrikaner - was verständlich ist, er selbst (der Anwalt) hat sich bei seinem Australienaufenthalt an die Österreichische Gemeinschaft gehalten. A. hätte sich geständig verhalten.
Der grundsätzliche Strafrahmen ist 1 bis 15 Jahre, A. ist 2 mal zu 10 Jahren verurteilt worden (damit ist gemeint in erster Instanz), beim Obersten Gerichtshof hat man sich über die extrem hohe Freiheitsstrafe gewundert, nach der tatsächlichen Mengenzuordnung. Üblicherweise ist bei so einem Fall mit einem Drittel des Strafrahmens zu rechnen, also 5 Jahre. Milderungsgründe sind die teilweise geständige Verantwortung. außerdem die extrem lange Verfahrensdauer. Die daraus resultierende U-Haft ist wesentlich strenger als Strafhaft, es gibt keine Arbeit, die Haft ist wesentlich unangenehmer. Richtig ist, das eine Bande vorliegt, A. hätte eine Rolle als Zwischenhändler innegehabt, aber er wäre in diese Gruppe hineingeraten, da wäre eine größere Gruppe gewesen und er wäre dazugestoßen.

Er zitiert einen Vergleichsfall in Salzburg. Mit 10 Jahren Haft ist ein Drogenbaron bestraft worden, er und seine Bande haben Heroin und Kokain im Wert von 4 Millionen Euro verkauft, er lebte als Arbeitsloser in Luxusvillen. Er hätte mit 48 Kilo Heroin + Kokain die Szene beliefert, hat wie gesagt eine Luxusvilla besessen, ein Schwimmbad, und er war nicht geständig - und dafür hat er 10 Jahre bekommen. Er fragt sich: hier in diesem Fall haben wir sagen wir hundert Gramm nachgewiesen. Und wo ist die Luxusvilla, wo ist der Ferrari?

Der Angeklagte hat versucht, sich durchzuwurschteln, wenn der Anklagepunkt der Bande nicht wäre, hätten wir nicht mehr als 2 Jahre Strafausmaß. Es handelt sich um eine Bande, ja, wenn jemand für 48 Kilo 10 Jahre kriegt und Arbeitslose kassiert hat, und ein Luxusauto und ein Schwimmbad besessen hat. Der Angeklagte wurde wieder straffällig, dafür ist er aber sowieso schon 3 Jahre gesessen, man sollte mit anderen fällen vergleichen und wie man sagt die Kirche im Dorf lassen. Was hätte der Angeklagte machen können, er hätte Österreich verlassen können, er hätte sich mit Schwarzarbeit über Wasser halten können wie etwa Zettelverteilen, er hat halt wieder vercheckt, er hat versucht sich illegal durch zu wurschteln, er hat über keine Villa und keinen Luxus verfügt. In diesem Sinne.

Dem Angeklagten wird nicht übersetzt, nur gefragt, ob er noch etwas sagen möchte.
A. sagt: Ich sage nicht, ich habe nichts getan, ich bitte um ein mildes Urteil, ich bin kein Mitglied einer Organisation, warum sonst hätte ich eine Wohnung auf meinen Namen haben sollen...
Richter und Anwalt winken ab, ja, ja schon gut.
Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.
Beim Hinausgehen die Staatsanwältin zum Anwalt (zynisch): Sie hätten gut daran getan, ihrem Mandanten das Wort zu verbieten, da können sie ihm jetzt gratulieren..


Urteilsverkündung:
Der Angeklagte ist schuldig im Sinne der Anklage, weiteres siehe der vorausgehenden Urteile. Die 25 fache Menge fällt weg, was bleibt in Verkehrsetzung einer grossen Menge, teils durchgeführt, teils versucht.
Paragraph 28 Abs II...
Hierfür eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren + Ersatz der Verfahrenskosten, Beschluss: bedingte Entlassung widerrufen, Vorhaft wird angerechnet.
Gründe: Zu den Inhalten - hier darf verwiesen werden auf den OGH Spruch, die Strafbemessung erfolgt: wegen Wegfalls der übergrossen Menge geringer, aber schneller Rückfall wirkt erschwerend. Der Angeklagte wäre immerhin in einer Bande tätig gewesen, es kÀme nicht so sehr auf die Menge an, sondern auf die innere Einstellung. Die innere Einstellung und der Vorsatz sind anzurechnen.
Daher erfolgt die Bestrafung angemessen der Täterpersönlichkeit (!!!!!!!).

Rechtsmittelverzicht.
Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Es bleibt zu fragen: woran erkennt man die Täterpersönlichkeit? Etwa an der Hautfarbe? Etwa an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen oder politischen Gruppe?
Diese "Argumente" wurden auch schon in anderen Prozessen herangezogen. Bei diesen "Urteilsbegründungen" handelt es sich nicht um juristische Willkür, sondern um systematische Zementierung selektiver Repressionsmechanismen, die sich gegen jede Gruppe richten können, gegen die zu hetzen für die Machthaber gerade opportun ist.






Unterstützungsgruppe
für die Gefangenen der "Operation Spring":
GEMMI - Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen

Spendenkonto: PSK 77 694 016
Die Spenden kommen den Gefangenen der Operation Spring und nachfolgendern rassistischer SÀuberungsaktionen zu Gute.


Bericht von GEMMI