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Quellenangabe:
Serbien: Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch EU-Grenzpolizei (vom 23.10.2017),
URL: http://no-racism.net/article/5269/, besucht am 28.03.2024

[23. Oct 2017]

Serbien: Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch EU-Grenzpolizei

Kinder und Jugendliche auf der Flucht sind an den Grenzen entlang der Balkanroute systematischer Gewalt ausgesetzt. Das zeigt ein neuer Bericht von Ärzte ohne Grenzen mit dem Titel "Games of Violence" (Gewaltspiele).

Der Bericht, den die humanitäre Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) am 4. Oktober 2017 veröffentlichte, dokumentiert anhand medizinischer Daten und Aussagen junger Patient[_inn]en, wie vonseiten der EU-Grenzbehörden und der Polizei an den Grenzen Serbiens mit Ungarn, Bulgarien und Kroatien kontinuierlich Gewalt ausgeübt wird.

"Unsere Teams in Serbien berichten, dass Kinder und junge Erwachsene bei dem Versuch, Serbien zu verlassen, massiver Gewalt ausgesetzt sind. Das Vorgehen der Grenzpolizei der EU-Mitgliedsstaaten ist erschreckend", sagt Marcus B., der im Wiener Büro von Ärzte ohne Grenzen für humanitäre Angelegenheiten zuständig ist. "Die Geschichten unserer Patienten und Patientinnen, die unsere Ärzte und Krankenschwestern seit über einem Jahr hören, ähneln einander sehr: Junge Menschen werden geschlagen, gedemütigt, mit Hunden gejagt. Die körperlichen und psychischen Verletzungen, die unsere Teams behandeln, sind zum überwiegenden Teil die unmittelbaren Folgen dieser Gewalt."


Schläge, Hundebisse und Tränengas


In den ersten sechs Monaten 2017 haben 92 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die in den psychologischen Einrichtungen von Ärzte ohne Grenzen betreut wurden und von Übergriffen berichteten, die EU-Grenzpolizei oder Behörden als Täter[_innen] genannt, vor allem in Bulgarien, Ungarn und Kroatien. Fast die Hälfte dieser Kinder (48 Prozent) hat die bulgarischen Behörden hervorgehoben. Von Jänner bis Juni 2017 haben die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen, die in mobilen Kliniken in Belgrad Hilfe leisten, darüber hinaus 62 Vorfälle vorsätzlicher Gewalt an der ungarischen Grenze und 24 Vorfälle an der kroatischen Grenzen dokumentiert. Die große Mehrheit dieser Berichte folgt dem gleichen Muster von Schlägen, Hundebissen und dem Einsatz von Tränengas, die Teams von Ärzte ohne Grenzen bereits in den vergangenen zwei Jahren beobachtet haben. Sie zeigen auf, dass gegen Menschen, die versuchen, in die Europäische Union zu gelangen, offensichtlich systematische Gewalt ausgeübt wird.

B.: "Es darf nicht sein, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vorsätzlich Gewalt gegen Kinder und junge Erwachsene einsetzen, um sie davon abzuhalten, innerhalb der EU um Asyl anzusuchen. Dieses Vorgehen ist auch kontraproduktiv: Es hält Kinder und Jugendliche nicht von ihrem Vorhaben ab, sondern treibt sie in die Hände jener Schlepper[_innen], die die EU und ihre Mitgliedsstaaten vorgeben zu bekämpfen."


Der Bericht auf englisch als PDF :: Games Of Violence - Unaccompanied Children And Young People Repeatedly Abused By EU Member State Border Authorities (MSF, October 2017)

Ärzte ohne Grenzen ist seit Ende 2014 in Serbien im Einsatz und unterstützt Flüchtlinge, Asylwerber und Migranten an den Grenzübergängen unter anderem mit medizinischer und psychologischer Hilfe. Seit Jänner 2016 ist Ärzte ohne Grenzen auch in der serbischen Hauptstadt Belgrad tätig und bietet dort medizinische Grundversorgung und psychologische Hilfe für Migranten an, die in inoffiziellen Lagern der Stadt leben. 2017 hat Ärzte ohne Grenzen eine permanente Klinik im Stadtzentrum eröffnet und setzt sich für Zugang zu Gesundheitsversorgung und Unterkünften sowie für den Schutz von gefährdeten Männern, Frauen und Kindern in Serbien ein.

Presseaussendung von Ärzte ohne Grenzen, veröffentlicht am 04. Oct 2017 auf :: aerzte-ohne-grenzen.at.