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Quellenangabe:
Abbau der Rechte im Asylverfahren, Fortschritte bei Familiennachzug und Arbeitsrecht (vom 25.04.2018),
URL: http://no-racism.net/article/5341/, besucht am 19.04.2024

[25. Apr 2018]

Abbau der Rechte im Asylverfahren, Fortschritte bei Familiennachzug und Arbeitsrecht

Die französische Nationalversammlung hat nach langen Debatten einen Gesetzentwurf zu Asyl und Einwanderung verabschiedet. Französischen Medien zufolge war es der erste Gesetzentwurf unter Präsident Macron, der auch innerhalb der parlamentarischen Mehrheit umstritten war.

Denn seit 2017 haben die Abgeordneten der Regierungspartei alle Vorhaben der Regierung ohne grösseren Streit durchgewunken.

Matthieu fasst zusammen, welche Massnahmen verschärft werden und welche Fortschritte der verabschiedete Text vorsieht :: Audio, 3:35


Die drei kleinen linken Fraktionen, aber auch manche Abgeordneten der wirtschaftsliberalen Regierungsparteien La République en Marche und MoDem, übernahmen die Kritik vieler flüchtlingssolidarischer Organisationen und des französischen Bürger_innenbeauftragten.

Das Gesetz sieht vor, dass die Behörden Menschen ohne Aufenthaltsstatus länger in Abschiebehaft nehmen dürfen. Bislang mussten sie Abschiebehäftlinge, die nicht abgeschoben werden können oder über deren Abschiebung noch nicht entschieden wurde, spätestens nach anderthalb Monaten wieder freilassen. Diese Höchstdauer für Abschiebehaft wird nun auf drei Monate verlängert, so die Fassung, die die Nationalversammlung verabschiedet hat. Die Regierung wollte die Abschiebehaft ursprünglich gar auf viereinhalb Monate verlängern. Abgesehen von der Tatsache, dass Ausländer_innen in Abschiebehaft ohne strafechtlichen Grund ihrer Freiheit beraubt werden, werden ihre Rechte in dieser Zeit auch beschnitten, etwa mit verkürzten Verfahren und weniger Klagerechten gegen Entscheidungen der Behörden.

Sehr umstritten war der Paragraph, der es erlauben sollte, auch Minderjährige in Abschiebehaft zu nehmen. Trotz heftiger Kritik auch innerhalb der Regierungspartei La République En Marche blieb diese Massnahme im Entwurf, den die Nationalversammlung verabschiedet hat.

Nicht nur für Menschen in Abschiebehaft soll das Gesetz die Verfahren verkürzen. Insbesondere die Frist, in der Menschen gegen die Ablehnung von Asylanträgen klagen dürfen, soll auf zwei Wochen halbiert werden.

Eine weitere Kritik der flüchtlingssolidarischen Organisationen richtet sich gegen die Einführung von Anhörungen per Videokonferenz. Bislang mussten Klagen von Ausländer_innen gegen Entscheidungen der Verwaltung wie alle anderen gerichtlichen Klagen auch in ein Gericht verhandelt werden.

Dennoch gibt es in der aktuellen Fassung einige wenige Fortschritte bei den Rechten von Einwander_innen und Flüchtlingen. Asylbewerber_innen sollen etwa ab 6 Monate nach Antragstellung arbeiten dürfen.

Menschen mit dem eingeschränkten Schutzstatus des subsidiären Schutzes und Staatenlose sollen künftig einen vierjährigen Aufenthaltsstatus erhalten, statt wie bislang jedes Jahr um ihr Status bangen zu müssen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen künftig nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Geschwister mit dem Familiennachzug nachholen dürfen.

Staaten, in denen Homosexualität bestraft wird, sollen von der Liste sogenannter sicherer Herkunftsstaaten gestrichen werden.

Ausserdem wurde ein Paragraph mit dem Spitznamen "Solidaritätsdelikt" unter dem Druck der Linken und Teilen der Regierungsparteien abgeschwächt, indem einige Ausnahmen hinzugefügt werden. Der Paragraph mit diesem Spitznamen richtet sich gegen Menschen, die Ausländer_innen ohne Aufenthaltstitel in irgendeiner Weise helfen. Trotz der Abschwächung des Paragraphen hält Amnesty International die verabschiedete Formulierung immer noch für völkerrechtswidrig und für einen Damoklesschwert über den Kopf von solidarischen Menschen und Organisationen.

Nun muss sich der Senat, also das Oberhaus des französischen Parlaments, mit dem Gesetzentwurf befassen. Die konservative Opposition, die den Text als zu lasch und einwanderungsfreundlich kritisiert, verfügt im Senat über eine Mehrheit. Sie will dort den Text verschärfen.

Beitrag von Focus Europa und punkt12 auf Radio Dreyeckland, zuerst veröffentlicht am 23. April 2018 auf :: rdl.de.