Quellenangabe:
Demo - internationaler feministischer Kampftag 2019 (vom 25.02.2019),
URL: http://no-racism.net/article/5522/,
besucht am 21.11.2024
[25. Feb 2019]
Aufruftext zur Demo zum internationalen femnistischen Kampftag 08. März 2019. Treffpunkt: 17 Uhr, Wien Mitte Landstrasse, 1030 Wien.
*Die Demo ist offen für alle Geschlechter*
Liebe alle!
Wir, eine Gruppe autonomer Aktivist_innen, haben uns erneut als Take Back The Streets zusammengefunden, um anlässlich des Internationalen Feministischen Kampftags am 8. März 2019 eine Demo zu organisieren. Lasst uns nach einem Jahr türkis-blauer Regierung gemeinsam auf die Straße gehen und kollektiv ein feministisches Zeichen gegen Sexismus, Rassismus, Rechtsextremismus und Kapitalismus setzen.
Seit dem 18. Dezember 2017 ist in Österreich die ÖVP-FPÖ Regierung III im Amt und das Fazit dieses ersten Regierungsjahres ist alarmierend: Gezielte finanzielle Kürzungen feministischer und linker Organisationen und NGOs, politische Hetze in diversen Medien, rassistische Polizeikontrollen und die Verunmöglichung von Zugang zu Sozialleistungen für immer mehr Menschen. Durch einen Rechtsruck werden struktureller Antifeminismus, die Diskriminierung von FLI*NT Personen (Frauen, Lesben, Inter*, Nicht-binär, Trans) und LGBTI*Qs (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans , Inter*, Queer) salonfähig - eine starke feministische Gegenbewegung ist umso notwendiger.
Der am 1. Dezember 2018 in Kraft getretene 12-Stunden-Tag hat massive Auswirkungen insbesondere für Frauen, die nach wie vor den Großteil unbezahlter und unsichtbarer Hausarbeit leisten. Eine 60-Stunden-Woche verschlechtert die Vereinbarkeit von Lohnarbeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuungspflichten für alle Beteiligten drastisch. Gleichzeitig haben nur rund 10% der Kindertagesheime in Österreich Öffnungszeiten von mehr als 12 Stunden. Die direkte Folge dieser Veränderung ist eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen in Form des Modells des „männlichen Ernährers” der Familie - Familienkonstellationen jenseits der heterosexuellen Kernfamilie fallen dabei unter den Tisch. Frauen werden durch ein tägliches Arbeitspensum von 12 Stunden umso mehr in Teilzeit und prekäre Lohnarbeitsverhältnisse gedrängt. Die Chance auf eine (unbefristete) Vollzeitanstellung und finanzielle Absicherung und Unabhängigkeit wird dadurch insbesondere Alleinerziehenden von Grund auf verunmöglicht. [1]
Dabei ist nicht zu vergessen, dass auch ohne diese weiteren Verschlechterungen nach wie vor ein beachtlicher Gender-Pay-Gap existiert. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie haben Frauen, die in Österreich ein Kind geboren haben, auch noch 10 Jahre nach der Geburt Gehaltseinbußen von durchschnittlich 51%. Das ist unabhängig von der Zeitspanne, in der sie nicht erwerbstätig waren.
Es gibt immer noch zu wenige Kinderbetreuungsplätze, die eine immense Entlastung für Erziehende sein könnten. Anstatt sich dieses massiven Problems anzunehmen, kürzt die Regierung finanzielle Mittel für die Kinderbetreuung in den Ländern. Vom Familienbonus, der mit 2019 in Kraft tritt und abhängig von der Einkommenssteuer ist, profitieren ausschließlich Personen mit bereits hohem Einkommen. In unserer Gesellschaft Privilegierte bekommen dadurch umso mehr, während Niedrigverdienende und Alleinerziehende leer ausgehen.
Durch ein System wie dieses werden Menschen ohne Vermögen und vor allem Frauen sowie andere strukturell Benachteiligte, wie BPoC (Black and People of Colour) oder LGBTI*Q-Personen, in Eigenverantwortung von prekären Lohnarbeitsverhältnissen abhängig macht. Die Schere zwischen Arm und Reich wird damit nicht nur passiv hingenommen, sondern aktiv verstärkt.
Wir fordern ein gutes Leben für alle! Ohne Zwang zur Lohnarbeit und Ausbeutung!
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Nicht nur frauenpolitische und feministische Vereine, Projekte und Organisationen, auch andere Formen der Gegenkultur, litten 2018 unter der türkis-blauen Regierung. Das Frauenministerium kürzte diversen Vereinen[2], wie beispielsweise MAIZ in Linz, dem feministischen Magazin an.schläge oder dem Verein Autonome Frauenhäuser das Budget. Diese Budgetkürzungen erschweren nicht nur die Arbeit der Vereine, viele davon sind dadurch in ihrer Existenz bedroht. Auch 2019 wurde das Budget für frauenpolitische Vereine und Projekte nochmals gekürzt. Insgesamt summieren sich diese Kürzungen der Regierung damit auf über eine Million Euro. Sie sind als ein strategischer Angriff auf feministische Projekte zu bewerten.
'Wir fordern keine Einsparungen sondern den Ausbau von feministischen und frauenpolitischen Projekten!'
Im September wurde eine Mail des Innenministeriums an die Landespolizeidirektion publik, welche nicht nur eine Informationseinschränkung für "kritische Medien" empfahl, sondern auch eine verstärkte Kommunikation über Sexualdelikte forderte. Die Polizei soll nun vermehrt und proaktiv von Gewalttaten berichten, welche im öffentlichen Raum stattfanden, besonders brutal waren oder in denen Täter und Opfer sich nicht kannten. Zusätzlich soll die Staatsbürgerschaft der Täter sowie deren Aufenthaltsstatus angegeben werden. Dadurch wird verkannt, dass der weitaus größere Teil der Gewalt gegen Frauen im näheren Umfeld der Betroffenen stattfindet - beispielsweise durch den (Ex-) Partner oder im Freundeskreis. Medial wird damit ein rassistisches Bild (re)produziert und rassistische Hetze unter dem Deckmantel des "Schutzes der (weißen) Frau" gesellschaftlich legitimiert, während das Budget für Einrichtungen wie den Verein Autonome Frauenhäuser gekürzt wird.
Jede 5. Frau in Österreich erlebt in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt von einem nahen männlichen Angehörigen. Jede 10. Frau ist Opfer einer Vergewaltigung. Nicht einmal 10% der Betroffenen erstattet jedoch Anzeige. Nur bei 1% aller Vergewaltigungen kommt es auch zu einer Verurteilung der Täter. Die Judikatur bietet Betroffenen kaum Möglichkeiten sich rechtlich gegen sexualisierte Übergriffe und Gewalt zu wehren.
Allein in Wien kommt es etwa einmal monatlich zu einem Mord oder Mordversuch im Familienkreis - betroffen sind hier meist ebenfalls Frauen. Die Anzahl an Frauenmorden in Österreich ist so hoch wie seit 10 Jahren nicht mehr. Alleine dieses Jahr sind bereits sechs (Stand: 27.01.2019) Frauenmorde bekannt geworden. Hass und Gewalt gegen Frauen sowie der Umgang damit in Gesellschaft, Medien, Politik und Justiz, ist Symptom eines antifeministischen Backlashs in der Gesellschaft, den wir momentan erleben und ein massiver Rückschlag für die Selbstbestimmung und Gleichstellung aller Geschlechter.
Wir fordern rechtliche Rahmenbedingungen, welche Personen ermöglichen, gegen sexualisierte Gewalt vorzugehen. Wir müssen öffentlich mehr über Gewalt gegen Frauen und Frauenhass sprechen sowie (toxische) Männlichkeitsentwürfe in unserer Gesellschaft radikal kritisieren und verändern. Wir fordern nicht nur einen Ausbau der Unterstützung von betroffenen Frauen, sondern auch mehr Präventions- und Täterarbeit mit Jungen und Männern.
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Die derzeitige österreichische Regierung verstärkt ein bereits existierendes rassistisches Klima. Auch als Regierungspartei fällt die FPÖ immer wieder mit so genannten „Einzelfällen" auf. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 50 solcher „Einzelfälle“ der Wiederbetätigung, Hetze und Anstellung von Personen aus rechtsextremen Kreisen dokumentiert. [3] Im September 2018 gibt der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl die Anweisung für eine Ausgangssperre für Asylwerber_innen, die rund um die Uhr gelten soll. Drei Monate später wird bekannt, dass er heimlich minderjährige Geflüchtete in ein Quartier überweisen ließ, das einem Gefängnis gleicht. Gleichzeitig veröffentlicht die FPÖ im November ein Facebook Video, das sich gegen E-Card Missbrauch richten soll und voller rassistischer Stereotype ist. Die Koalitionspartei ÖVP schweigt in den meisten Fällen und trägt damit weiter zu einer Normalisierung von Hetze und Rassismus bei, während rechte Gewalt stetig ansteigt. Die Gewalt gegen muslimische Personen nimmt zu, vermeintlich muslimischen Frauen wird ein Opferstatus zugeschrieben - besonders in der Debatte um Kopfbedeckungen wie Hijab oder Burka - während sie gleichzeitig zunehmend antimuslimische Übergriffe erfahren. Was jedoch nicht thematisiert wird, ist ebendieser antimuslimische Rassismus, der sowohl hinter Angriffen, als auch Politiken und medialem Diskurs steckt.
Ebenso nimmt Racial Profiling zu, also rassistisch motivierte Polizeikontrollen, bei denen Österreich EU-weit auf Platz 1 ist. [4] Statt zu intervenieren, bekommt die Polizei bewusst mehr Verantwortung übertragen, durch neue Gesetze wird die exekutive Macht verstärkt. Aber nicht nur Österreich erlebt einen Rechtsruck, weltweit nehmen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu, rechtsradikale Politiker_innen wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro kommen an die Macht und Parteien wie die AfD in Deutschland gewinnen immer mehr an Stimmen.
Hass und Gewalt gegen Migrant_innen, BPoC und (vermeintliche) Muslim_innen sowie rassistische Stereotype sind Alltag in Österreich. Wir stellen uns gegen den rassistischen Normalzustand in der Gesellschaft - egal ob von Polizei, von Rechts oder der Gesamtgesellschaft.
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Angesichts dieser Entwicklungen in Österreich und weltweit halten wir es für enorm wichtig, sich zu vernetzen und gemeinsam Widerstand zu leisten. Nicht nur in Österreich spitzen sich die Verhältnisse zu. Überall in Europa wird die rechte Forderung nach einer „Festung Europa" lauter, weltweit werden feministische und soziale Errungenschaften sukzessive wieder abgebaut und rechte Hetze schürt Hass gegen Migrant_innen, BPoC, LGBTI*Q-Rechten, feministische Forderungen sowie alljene, die im kapitalistischen System die Arschkarte gezogen haben. Gewalt und Hetze werden immer salonfähiger. Sozialer Ausschluss und Angst vor Gewalt werden damit für immer mehr Menschen zum Alltag.
Wir sagen NEIN dazu und fordern ein gutes Leben für alle - unabhängig vom Pass, Geschlecht, Hautfarbe oder sozialem Status.
Deshalb rufen wir auf, am internationalen feministischen Kampftag am 8. März gemeinsam auf die Straße zu gehen und aktiv zu werden!
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BPoC bezeichnen Black and People of Colour.
Cis bezeichnet, dass eine Person in Übereinstimmung mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht lebt bzw. dieses ist.
FLI*NT steht für Frauen, Lesben, Inter*, Nicht-binär und Trans.
Heteronormativität bezeichnet eine für natürlich gehaltene, binäre Geschlechtereinteilung in Mann und Frau. Heterosexualität wird als naturgegeben und unveränderbar gesehen. Abweichungen – sei es von den Normen Mann und Frau oder von der Heterosexualität – werden sanktioniert. Heteronormativität bezeichnet Institutionen, Denkstrukturen und Wahrnehmungsmuster, die Heterosexualität zur Norm stilisieren und privilegieren
inter* bezeichnet Menschen, deren Körper von Geburt an, oder so wie sie sich entwickeln, nicht der medizinischen und gesellschaftlichen Norm von männlichen bzw. weiblichen Körpern entsprechen.
LGBTI*Q steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Personen, Inter*personen und Queers
Quellen bzw. weiterführende Ressourcen:
[1]
https://mosaik-blog.at/12-stunden-unbezahlte-arbeit-frauen/
[2] https://derstandard.at/2000084071322/Frauenprojekte-in-Oesterreich-von-massiven-Budgetkuerzungen-betroffen
[3]
https://kontrast.at/die-gesammelten-einzelfaelle-der-fpoe/
[4] http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/rassismus/fra-studie-rassismus-ist-fuer-viele-schwarze-in-der-eu-alltag/fra-2018-being-black-in-the-eu_en.pdf