Quellenangabe:
Nein zum Terror heißt: Nein zu Faschismus und Rassismus! (vom 15.03.2019),
URL: http://no-racism.net/article/5524/,
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[15. Mar 2019]
Nein zum Terror heißt: Nein zu Faschismus und Rassismus!
In Christchurch, Neuseeland kam es am 15. März 2019 zu einem terroristischen Anschlag auf zwei Moscheen, bei dem um die 50 Menschen ermordet wurden. Es war ein Angriff auf die Freiheit durch Täter*innen mit rechtsextremen bzw. faschistischem Hintergrund. Folgender Kommentar geht auf die zunehmenden Anschläge auf die Grundfreiheiten der Menschen ein und fragt, was die Verharmlosung von rechtem Terror mit der geplanten "Sicherungshaft" in Österreich zu tun hat.
Laut Behörden handelte sich beim terroristischen Anschlag in Christchurch um eine "gut vorbereitete Tat". Ergänzt werden muss: Eine Tat, die eng verbunden ist mit Antiislamismus bzw. antimuslimischem Rassismus und der zunehmenden Hetze gegen Muslim*innen.
Neuseeland galt bis heute als eines der sichersten und friedlichsten Länder der Welt. So einer der Überlebenden, der niemals mit einer derartigen Tat gerechnet hätte. Und auch Darren Morton hält in einem Kommentar der NZ Herald fest, dass kaum eine*r gedacht hätte, dass eine derartige Tat in dem Inselstaat stattfinden könnte. Doch für die Kommentatorin war diese Tat nur eine Frage der Zeit, wie der Titel ihres Beitrages es auf den Punkt bringt: "it was a matter of when, not if."
"Die Israelitische Kultusgemeinde Wien drückt der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ebenso wie in Neuseeland ihr Mitgefühl, ihre Solidarität und ihr Entsetzen ob des verbrecherischen Anschlages gegen zum Gebet versammelte Muslime in Christchurch aus.
„Hier haben Extremisten Menschen aus nur einem Grund ermordet: weil sie Muslime waren. Dieser Menschenhass ist Gift für die Welt. In Gedanken bin ich bei den Angehörigen der Opfer und wünsche den Verletzten baldige Genesung“, so IKG-Präsident Oskar Deutsch" (Aussendung der Israelitische Kultusgemeinde vom 15. März 2019)
Es ist kein Zufall, dass sich dieser Terroranschlag gegen die Menschen in zwei Moscheen während des Freitagsgebetes richtete. Die Hetze gegen Muslim*innen erreicht tagtäglich neue Höhepunkte. Es ist jedoch kein Krieg der Religionen, wie die angebliche Bedrohung des christlich-jüdischen Abendlandes durch einwandernde Muslim*innen vorgeben soll. Es ist auch kein kultureller Krieg, wenn von der Bedrohung der europäischen oder amerikanischen Kultur gesprochen und geschrieben wird. Es ist vielmehr ein ideologischen Kampf.
Die Bleichgesichter wollen ihre Privilegien mit allen Mitteln verteidigen, ganz egal wie vielen Menschen das den Tod kostet. Sei es durch militärische Auseinandersetzungen überall auf der Welt, sei es im Zuge der Abschottung von Migrant*innen an den tödlichen Grenzen, insbesondere im Mittelmeer, sei es durch alltägliche faschistische Übergriffe und terroristische Attacken auf Geflüchtete und Migrant*innen - oder eben auf Muslim*innen. Ein Ziel dieser Bemühungen ist die Installierung faschistoider Systeme in den westlichen Demokratien, die in letzter Zeit gerne als "liberale Demokratien" bezeichnet werden.
In Europa und den USA, wo die Verbindungen von Nazis und Faschist*innen bis in die höchsten Regierungsebenen reichen, aber auch in Australien, wird permanent vor Einwanderung gewarnt, werden "die Fremden" als "die Bedrohung" schlechthin stigmatisiert und den rassistischen Gedanken folgend mehr und mehr entrechtet. Eine Tendenz, aus der es derzeit keine Ausweg zu geben scheint, denn mit sog. Fake-News und verhetzenden Aussagen wird Stimmung gemacht, wird den Menschen eine Gefahr eingeredet, die von der tatsächlichen Bedrohung von Freiheit und Demokratie ablenken soll: Eine Bedrohung, die 74 Jahre nach der militärischen Niederlage des Nationalsozialismus und Faschismus vor allem von rechtsextrem gesinnten Terrorist*innen ausgeht.
Auf den Donnerstagsdemo gegen die rechtsextreme Regierung am 8. November 2018 in Wien wurde in Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 mittels Schildern klar gestellt: "Nie wieder ist jetzt!" Denn wenn die Menschen tatsächlich genug haben von Terror und Ausgrenzung, von Diffamierung und Spaltung, von rassistischer und antiislamistischer Hetze, dann ist es längst an der Zeit zu handeln. Von der offiziellen Politik ist hier nicht viel bis nichts zu erwarten. Die Ideologie und Geisteshaltung der Mächtigen dieser Welt, insbesondere aber nicht nur der geistigen Erb*innen des Nationalsozialismus und Faschismus, die es in mehr und mehr Ländern in die Regierungen schaffen, ist zu eng verwoben mit jener des faschistischen Terrors.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass in Europa permanent vor dem angeblich mit Einwanderung verbundenen "muslimischen Terror" gewarnt wird, dass der "politische Islam" verdammt wird, ohne zu differenzieren - eben weil diese rassistische Hetze auf antimuslimischen Denkmustern basiert.
Doch was ist die Alternative? Es gibt zu wenige Gegenstimmen zu dieser Entwicklung. In Österreich ging jede(!) der im Parlament vertretenen Parteien mit rassistischen Argumenten - insbesondere gegen Muslim*innen - auf Stimmenfang, in Deutschland kommt es nach wie vor tagtäglich zu rassistischem Terror, der vor allem von der rechtsextremen und Neonazi-Szene ausgeht. Die Morde des NSU sind dabei nur Spitze eines Eisberges, der nach und nach dahinschmelzt - und die dahinter liegende Geisteshaltung zum Vorschein bringt. In Italien versucht ein fern jeder demokratischen Kontrolle agierender Innenminister mehr und mehr faschistoide Politik zu etablieren. Und in den USA ist es Trump, der als Sinnbild für Populismus und Fake-News mit rechtsextremen und rassistischem Hintergrund steht. Dies alles sind nur einige Beispiele für eine mehr als bedenkliche Entwicklung, die seit Jahrzehnten zu beobachten ist.
Erinnert sei an den (Brief)bombenterror in Österreich, der einem "Einzeltäter" zugeschrieben und dessen Verwobenheit in die rechte Gesinnungsgemeinschaft ausblendet wurde. Oder an Massenmörder Breivik, der im Juli 2011 in Norwegen 77 Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, kaltblütig ermordete - und dem Attentäter aus Christchurch als Vorbild diente. Ganz im Sinne der faschistischen Stimmungsmache wird rechter Terror verharmlost, werden rassistische Mörder*innen als Einzeltäter*innen dargestellt - oder die Schuld bei den Opern selbst gesucht.
Gleichzeitig wird jede Tat, die nur irgendwie mit Ausländer*innen zu tun hat, den sog. "Fremden" zugeschrieben und diese kollektiv verurteilt bzw. dafür verantwortlich gemacht. Selbst die Existenz von Menschen wird infrage gestellt, indem sie als "kulturfremd" bezeichnet werden und deren angebliche Unvereinbarkeit mit "westlichen Werten" strapaziert wird. Doch welche Werte sind es, von denen hier gesprochen wird? Und warum wird der Wertediskurs für rassistische Stimmungsmache genutzt?
Es ist an der Zeit aufzuwachen und klar zu sagen: Nein! Nein zu Rassismus und Faschismus, nein zu Antiislamismus und Antisemitismus. Aber ebenso bedarf es einer klaren Absage zu rassistischen Maßnahmen wie der in Österreich geplanten "Sicherungshaft". Denn diese ist nur ein weiterer Schritt zur Eingrenzung bzw. dem Entzug der Freiheit - einer Freiheit, die als das zu verteidigende Gut der "liberalen Demokratien" gilt. Diese Freiheit wird jedoch von Politiker*innen aller Couleur mit Füßen getreten.
Von Neuseeland in die Alpen - rechter Terror und rassistische Hetze
Manche werden sich jetzt wohl fragen, was der rechte Terror in Neuseeland mit Österreich zu tun hat. Der hier gemachte Gedankengang ist nicht so weit her geholt, wie erscheinen mag, ist es doch einer der Attentäter selbst, der auf seiner Munition unter anderem auf die Zweite Türkenbelagerung von Wien verweist. Und aktuell gibt es in Wien eine Debatte, die der Gesinnung der Attentäter*innen entspringen könnte.
Die rechtsextreme Bundesregierung in Österreich will aller Kritik zum Trotz eine "Sicherungshaft" für Asylwerber*innen im Eilverfahren durchboxen. Und einmal mehr handelt es sich dabei um eine Anlassgesetzgebung. Aus einem Einzelfall wird ein generelles Sicherheitsrisiko konstruiert um angeblich "notwendige Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung" umzusetzen.
Erwähnenswert ist, dass der Anlass gebende Mordfall in Dornbirn bislang nicht aufgeklärt ist. Die Aussagen der Regierungsmitglieder, allen voran FP-Innenminister Kickl, sind politisch motiviert. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze dienen nicht der Verbesserung der Sicherheit für die Menschen in Österreich - ganz im Gegenteil. Was ist mit der Sicherheit von Personen, über die aus unterschiedlichen ideologischen Motiven plötzlich eine neue Form der Haft verhängt werden kann. Zahlreiche Expert*innen gehen beim derzeitigen Kenntnisstand davon aus, dass die vorhandenen Gesetze als ausreichend zum Schutze der Bevölkerung betrachtet werden können. Trotzdem wird gehetzt und Panik verbreitet.
Kanzler Kurz erklärte im Interview mit der Tageszeitung Österreich, diese Haft solle "eine gesetzliche Lücke schließen". Es gehe darum, so der Kanzler, "gefährliche Asylwerber*innen einzusperren". Der als Anlass für den Vorstoß zur Einführung dieser neuen Form der Haft geltende Mordfall in Dornbirn ist nicht aufgeklärt. Deshalb wird in einer "Unterschriftenaktion der Vorarlberger Bevölkerung" die "Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Klärung der rechtlichen, politischen und sicherheitstechnischen Verantwortung von zuständigen Behörden und des Innenministeriums im Mordfall BH Dornbirn am 06.02.2019" gefordert.
Doch wie so oft, wenn es sich um mutmaßliche Delikte von Geflüchteten handelt, wird kräftig in der Mottenkiste gerührt und propagiert. FPÖ Innenminister Kickl stürzte sich wie ein Geier auf diesen Fall und nützte ihn für seinen Vorstoß zur Einführung einer "Sicherungshaft" für "gefährliche Asylwerber*innen" - die auf Verdacht bis zu 18 Monate eingesperrt werden sollen. War anfangs noch von einer Maßnahme ohne richterlichen Beschluss die Rede, sah sich die rechtsextreme Regierung infolge massiver Kritik gezwungen, einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, in dem Richter*innen über die Verhängung der "Sicherungshaft" entscheiden sollen. Doch damit nicht genug - soweit die Pläne bislang an die Öffentlichkeit gedrungen sind, soll eine Haft zusätzlich zur Schubhaft eingeführt werden, mit der Geflüchtete auch dann inhaftiert werden können, wenn eine Abschiebung nicht durchführbar ist. Und genau das ist es wohl, was Kanzler Kurz mit dem "Lücke schließen" meint. Es hat den Anschein, als arbeite die Regierung massiv daran, gesetzliche Möglichkeiten zu schaffen, die den Behörden mehr Spielraum sowohl zum willkürlichen als auch zum systematischen Entzug der Freiheit geben. Dass sich dies vorerst vor allem gegen Geflüchtete richtet, hängt wohl mit der rassistischen Hetze zusammen, die von den Regierungsparteien tagtäglich gegen eben diese als homogen dargestellte Gruppe betrieben wird.
Während rechte Gewalt und rechter Terror - die sich vor allem gegen Geflüchtete, Migrant*innen und deren Unterstützer*innen richten - laufend verharmlost werden, werden jene, die tagtäglich eben dieser rassistischen Gewalt und Übergriffen ausgesetzt sind, pauschal zur "Gefährdung" erklärt, ihre Rechte werden Stück für Stück eingeschränkt und ihre Freiheiten entzogen. Doch je mehr gegen eine Gruppe von Menschen gehetzt, Menschen ausgegrenzt und entrechtet werden, desto leichter werden sie zu Opfern von Übergriffen, Gewalt und Terror. Der Massenmord in Christchurch führt dies einmal mehr vor Augen.