Quellenangabe:
Offener Brief an den bürgermeister Innsbrucks, DDr. Herwig van Staa (vom 14.03.2000),
URL: http://no-racism.net/article/602/,
besucht am 21.11.2024
[14. Mar 2000]
Freitag, 12. Mai 2000 im Stadtsaal Innsbruck und Samstag 13. Mai 2000 im Kongreßhaus Innsbruck, Dogana.
Veranstalter: Die Waffenstudenten der Burschenschaften Brixia, OberÖsterreicher Germanen, Suevia, Landsmannschaft Tyrol, des Corps Athesia und dem ATV Innsbruck.
An den bürgermeister der Stadt Innsbruck
DDr. Herwig van Staa
Rathaus
6020 Innsbruck
Innsbruck, 14.03.2000
Sehr geehrter Herr bürgermeister!
Ich bin enttäuscht darüber, dass der Aufsichtsrat des Congress Innsbruck entschieden hat, die Festakademie und der Festkommers am 13. Mai 2000 im Kongresshaus Innsbruck stattfinden zu lassen. Ich bin enttäuscht, dass die Festakademie vom 12. Mai im Stadtsaal Innsbruck stattfinden wird. Noch mehr aber bin ich besTürzt über Ihre persönliche Teilnahme an der Festakademie der Waffenstudenten. Sie setzen sich an einen Tisch mit dem "rechtsextremen Alt-Aktivisten Dr. Otto Scrinzi" und bestätigen gegenüber Medien die Seriosität der Veranstalter, die sie angeblich persönlich kennen. Auch wenn Sie dort am Podium -wie ich vermute -einige Worte gegen den rechtsextremen Zeitgeist fallen lassen werden, bleibt die Tatsache bestehen, dass Ihre Ankündigung an der Festakademie teilzunehmen den mehr als fragwürdigen Anliegen der Veranstalter nützt und dem Ganzen ein liberales MÀntelchen verleiht. Sie sind deren Feigenblatt. Ich halte dies für einen unverzeihlichen Fehler.
Da ich aus sehr persönlichen Gründen gegen jede Form des Rassismus und Rechtsextremismus bin, nehme ich mir das demokratische Recht auf alle legalen demokratischen Mittel zurückzugreifen, um diesem Ungeist in einem Europa in Veränderung entschieden entgegen zu treten. Ich möchte Sie daher nicht über die von mir bereits gestarteten und geplanten Aktivitäten - die ich Schritt für Schritt setzen werde, je nach Erfordernis - in Unkenntnis lassen:
1) Recherchen über die Teilnehmer an der Festakademie laufen. Die
Teilnehmer sind, so das erste Ergebnis, lange nicht so seriÃŒs wie die
Veranstalter dies behaupten. So scheut Univ.-Prof. Dr. Hans-Helmuth KnÃŒtter nicht den Kontakt mit deutschen Rechtsextremisten. Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen attestiert Dr. Alfred Mechtersheimer (Abg. z. Europaparlament a.D.) in seinem Bericht über das Jahr 1997, dass sich dieser in jüngster Zeit "zu einem der wichtigsten Protagonisten rechtsextremistischer Bestrebungen" gemausert hat. Er wird auch in deutschen Verfassungsschutzberichten mehrfach unter der Rubrik Rechtsextremismus namentlich geführt. Univ. Doz. Dr. Friedrich Romig, Brigadier Gunter Spath, Helmut MÃŒller, Dr. Gerulf Stix sind mehrfach als Aula-Autoren aufgetreten. Die Aula hat zahllosen Rechtsextremisten und Auschwitz-Leugnern als Forum gedient, sie bedient rassistische Muster etc. über die Aula dürfte bekannt sein, dass dieses Blatt nicht nur in einem Bericht über den Rechtsextremismus
2) Zum Hauptveranstalter, der Brixia selbst: Laut Fernsehbericht des
ORF-Tirol waren 80 % der Brixen NSDAP Mitglieder und 20 % bei der SS. Nach dem Krieg hat sich die Brixia nicht von einschlÀgig belasteten Personen gelöst. U.a. hat die Brixia den Auschwitz-Leugner David Irving 1989 nach Innsbruck als Referenten eingeladen.
3) Ich beabsichtige die Aushängeschilder der Veranstaltung (Univ. Prof. Dr. Bassam Tibi u.a.), die dem Treiben ein liberales MÀntelchen umhängen, über den Hintergrund der Festakademie zu informieren. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass danach der eine oder andere der Teilnehmer noch absagen wird.
Übrigens wurden Bassam Tibi und Dr. Günther Nenning in der Zwischenzeit wieder aus dem Veranstaltungsprogramm (Homepage zur Festakademie) genommen.
Ein Zeichen von Distanzierung, das auch Sie ernst nehmen sollten, Herr
bürgermeister.
4) Ein Teil des von mir gesammelten Informationsmaterials zum Kommers ist bereits auf französisch und englisch vorliegend. Ich plane eine Presseaussendung an alle relevanten Europäischen und amerikanischen Medien (mit einer umfassenden Sammlung aller wichtigen Informationen zum rechtsextremen Kontext der Festakademie und des Festkommers).
5) für den 12. und 13. Mai 2000 sind bereits mehrere Gegenkundgebung und eine Demonstration am 13. Mai angemeldet. Wenig bekannt ist, dass der 14. Mai exakt der Tag ist, an dem die Regierung schüssel-Haider die ersten hundert Tage hinter sich gebracht hat. Es finden in ganz Österreich Kundgebungen und Demonstrationen statt. Die Umtriebe der Burschenschaften mit brauner Vergangenheit werden bei diesen Demonstrationen und Kundgebungen und allenfalls davor stattfindenden Pressekonferenzen entsprechend Österreichweit gewürdigt und einem Publikum weit über Tirols Grenzen hinaus bekannt werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Teilnahme an den Gegenaktivitäten in Innsbruck sehr breit ausfallen werden.
6) Zufall oder nicht, aber am 5. Mai 2000 tritt im Vorfeld der Festakademie in Innsbruck die Gruppe "BÃŒhse Onkelz" aus Deutschland auf. Die Band ist für ihre menschenverachtenden Texte gegen MigrantInnen bekannt. Der 5. Mai ist der von der EU bestimmte EuropäischeTag gegen Rassismus und Gewalt. Am
7. Mai findet in Traiskirchen eine Gedenkfeierlichkeit statt. Ich betone
den Zusammenhang deswegen, weil davon auszugehen ist, dass das
internationale Interesse an den Ereignissen in Österreich und in Tirol
zusätzlich sensibiliert wird.
7) Ich beabsichtige auch die Partnerstadt Innsbrucks Grenoble, die auf eine Klarstellung der Haltung Innsbrucks wartet, über die skandalösen Vorgänge in Innsbruck zu informieren und behalte mir vor, die Aktivitäten insgesamt auszuweiten.
Bitte fassen Sie dieses Schreiben als Absichtserklärung auf. Noch ist
meinerseits nichts endgültig entschieden und manches nur im Planungsstadium bzw. laufen die erforderlichen Recherchen. Ich betone, dass mein Handeln ausnahmslos privat ist und nur ideell mit den Anliegen meiner Arbeitsstelle, der AusländerInnenberatung Tirol, zu tun hat.
Die Stadtgemeinde Innsbruck und auch Sie nicht, sehr geehrter Herr
bürgermeister, dürfen sich dafür hergeben, den Rechtsextremismus hoffähig zu machen. Ich bitte Sie die Folgen für den Ruf Innsbrucks zu bedenken. Ich bitte Sie Ihre Teilnahme an der Festakademie abzusagen und die Vergabe des Stadtsaals und der Dogana im Kongresshaus Rückgängig zu machen.
Hochachtungsvoll