Quellenangabe:
Innenminister der BRD und Jugoslawien vereinbaren beschleunigte Abschiebungen (vom 18.10.2002),
URL: http://no-racism.net/article/621/,
besucht am 23.11.2024
[18. Oct 2002]
Protestdemonstration von Roma-Flüchtlingen vor dem Bundesinnenministerium. Flüchtlingsrat fordert großzügige Bleiberechtsregelung
Ein gegenüber dem 1996 mit Milosevic vereinbartem deutsch-jugoslawischen Rückübernahmeabkommen offenbar erheblich verschärftes neues Abschiebeabkommen mit "modernen Rückübernahmestandards", die "die Rückführung erheblich beschleunigen" und "die Arbeit der Ausländerbehörden deutlich erleichtern" sollen, haben heute Innenminister Schily und der jugoslawische Innenminister Zivkovic in Berlin unterzeichnet.
Der Konvoi des jugoslawischen Innenminister Zivkovic traf um 10 Uhr am Bundesinnenministerium ein, wo er von 200 gegen ihre drohende Abschiebung protestierenden Roma bereits erwartet wurde. Die Roma waren mit Bussen aus Düsseldorf angereist, wo sie bereits seit Monaten gegen ihre drohende Abschiebung protestieren.
PRO ASYL, die Flüchtlingsräte Berlin und NRW und zahlreiche Prominente unterstützen die Protestaktion der Roma. Die Roma, die teilweise schon seit über 10 Jahren in Deutschland leben, waren wie andere Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien von allen bisherigen Bleiberechtsregelungen ausgeschlossen worden. Ein Bleiberecht erhielt nur, wer ein mehrjähriges Arbeitsverhältnis nachweisen konnte, was jedoch in vielen Regionen angesichts von den Behörden pauschal verweigerter Arbeitserlaubnisse gar nicht möglich war.
Von den 233.224 in Deutschland mit einer "Duldung" lebenden Ausländern kommen allein 103.000 aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo, etwa 70 - 80.000 davon dürften Roma sein. Die Mehrzahl dieser Flüchtlinge leben seit mehr als 8 Jahren in Deutschland, viele sogar mehr als 10 Jahre (genaue Zahlen siehe Antwort der Bundesregierung zur Umsetzung der so genannten Altfallregelungen für Flüchtlinge 1999 und 2001 in den Bundesländern, Bundestagsdrucksache 14/9916 http://dip.bundestag.de/btd/14/099/1409916.pdf - dabei ist zu beachten, dass zu den noch nicht so lange hier lebenden auch die hier geborenen Kinder entsprechenden Alters zählen).
Angesichts dessen, dass das Abkommen vor allem die Abschiebung von Roma zum Inhalt hat, die bereits langjährig als KriegsFlüchtlinge in Deutschland leben, und dass in Jugoslawien die rassistische Unterdrückung und Ausgrenzung der Roma anhält, es für Roma nach wie vor faktisch keine soziale Existenzmöglichkeit gibt, Zugang zu Wohnung, Arbeit, Bildung und Rechtsschutz fehlt bzw. verweigert wird, grenzt es an Volksverhetzung, wenn Bundesinnenminister Schily die von dem Abkommen Betroffenen lediglich als "illegale Migranten aus der Balkanregion" definiert.
Nicht zuletzt die angesichts von mehr als 500.000 von den Nazis in Deutschland und Osteuropa ermordeter Roma und Sinti besondere historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Roma gebietet es, nicht die Abschiebung zu beschleunigen, sondern stattdessen endlich eine großzügige und wirksame Bleiberechtsregelung zu schaffen, die anstelle von nur für wenige Wochen geltenden Duldungsbescheinigungen einen dauerhaft sicheren Aufenthaltstitel und auch das Recht beinhaltet, eine Wohnung zu beziehen, eine Arbeit oder Ausbildung aufzunehmen sowie Integrationsleistungen wie Ausbildungs-, Sprach- und Arbeitsförderung, Kinder- und Erziehungsgeld zu erhalten.