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Quellenangabe:
Info: Repression in Göteborg nach EU-Gipfel (vom 20.05.2002),
URL: http://no-racism.net/article/770/, besucht am 19.04.2024

[20. May 2002]

Info: Repression in Göteborg nach EU-Gipfel

Sieben Leute wegen Göteborg vor deutschem Gericht + Keine Anklage gegen Antifa Schweden für "Aufwiegelung" + Schwedische Polizeigewalt gerät unter Kritik + Oberster Gerichtshof kritisiert Urteile der Gefangenen von Göteborg

Sieben Leute wegen Göteborg vor deutschem Gericht



Sieben deutsche Staatsbürger (eine Frau und sechs Männer) werden laut der schwedischen Presse wegen angeblicher Beteiligung an den Krawallen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Göteborger EU-Gipfel, in Deutschland angeklagt. Durch Ermittlungen der schwedischen Polizei wurden sie im Nachhinein auf Filmaufnahmen identifiziert. Der schwedische Staatsanwalt Thomas Ahlstrand, der in Göteborg für internationale Strafangelegenheiten zuständig ist, stuft die Anklagepunkte als nicht schwer genug an, um eine Auslieferung zu beantragen.

Auslieferungen von eigenen Staatsbürgern an andere EU-länder sind seit neustem durch Abkommen geregelt. Aber es ist jetzt auch möglich, dass Gerichtsverfahren wegen in anderen EU-Staaten begangener Taten im Herkunftsland eröffnet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die vorgeworfene Tat auch im Herkunftsland eine Straftat darstellt. Laut Ahlstrand haben die deutschen Behörden signalisiert, dass ein solches Verfahren in diesem Fall angewendet werden kann. GÃŒran Nordenstan, der bei der Göteborger Polizei die Auswertung der Proteste gegen den Göteborger EU-Gipfel leitet, ist davon überzeugt, dass die Deutschen wirklich im Herkunftsland vor Gericht gestellt werden. Er sagt zu der Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden: "Wir haben gute Beurteilung von unseren deutschen Kollegen für die durchgeführte Auswertung erhalten".

Die Anklage wurde in Schweden erhoben und zusammen mit den Ermittlungsergebnissen an die deutschen Behörden weitergeleitet. "Das deutsche Rechtssystem wird selbständig die in Schweden ausgeführte Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft prüfen. Es gibt Bestimmungen über gewaltsamen Aufruhr im deutschen Gesetzbuch, in denen, soweit ich es verstanden habe, das Strafmass geringer für geringfügigere Vergehen und höher für härtere Vergehen als in Schweden ist", erklärt der Staatsanwalt Ahlstrand. Auf dieselbe Art kann es demnächst zu weitere Verfahren gegen niederländische oder skandinavische AktivistInnen kommen, da diese länder bereits vorher Abkommen über rechtliche Zusammenarbeit unterzeichnet haben. "Die Organisation, die für die EU-Prozesse geschaffen wurde, wird gegen Ende Mai abgewickelt sein," meint Kommissar Nordenstad. Inklusive den sieben Deutschen werden noch insgesamt 102 AktivistInnen vor Gericht gestellt. In 64 fällen wurde die Anklage bereits erhoben. Die Restlichen liegen bereits der Staatsanwaltschaft vor oder sind auf dem Weg dahin. Das Höchste Gericht in Schweden hat in einem richtungsweisendem Revisionsverfahren das Strafmass eines Aktivistens erheblich gesenkt.

Dennoch werden die bestehenden Urteile jetzt durch Prozesse wegen ähnlicher Verfahren in anderen EU-ländern einem Vergleich ausgesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob Schweden das einzige EU-Land mit überzogener Repression gegen GlobalisierungsaktivistInnen bleibt.

[gipfelinfo 5.5.2002, Nr. 2]



Keine Anklage gegen Antifa Schweden für "Aufwiegelung"



Der schwedische Justizminister GÃŒran Lambertz hat beschlossen, dass die Ermittlungen, ob die Antifa Schweden mit ihrem Mobilisierungsplakat für das EU-Gipfeltreffen in Göteborg durch Aufwiegelung gegen das Pressegesetz verstossen hat. Das Plakat Àhnelte einem Filmplakat uns zeigte Godzilla, der [die? das?] unter der überschrift "Stoppt den EU-Gipfel" Göteborg zerlegt. Der Justizminister untersuchte, ob der Text "Agieren - Blockieren - Sabotieren" als Aufwiegelung gewertet werden könnte. Aber die Schwierigkeit, eineN VerantwortlicheN ausfindig zu machen und die näherRückende Verjährungsfrist, brachte den Justizminister dazu, die Ermittlungen einzustellen. "Im Wort "Sabotieren" kann sehr wohl Aufwiegelung stecken. Aber wir schätzen, dass man niemand zur Verantwortung gezogen werden kann, selbst wenn es Aufwiegelung war", sagte GÃŒran Lambertz einer Nachrichtenagentur.

[www.motkraft.net - Anm.: Das Plakat kann in voller Grüße bewundert werden auf der GBG2001-Seite der AFA-Schweden]


Schwedische Polizeigewalt gerät unter Kritik



Schweden gerät in mehreren Punkten durch die UN Menschenrechtskommission in Kritik. Besonders gilt sie übertriebener Gewalt durch Polizisten und Gefängniswärter, die in den letzten Jahren gemeldet wurde, schreibt die Zeitung "Svenska Dagbladet". In bestimmten fällen hat die Gewalt zu Todesfällen geführt. Die Kommission beschreibt die Gewalt als "beunruhigend" und verweist auf die Krawalle am Rande des Göteborger EU-Gipfeltreffens, als die schwedische Polizei mit Waffen antwortete. "Viele fälle von Misshandlungen wurden gemeldet", konstatiert die Menschenrechtskommission. "Es gibt Anklagen, weil die an Polizisten und Gefängniswärter gegebene Richtlinien für die Anwendung von Gewalt oft parteiisch und nicht ganz richtig waren", schreibt die Menschenrechtskommission über Schweden und betont, dass die Anklagen umgehend und unabhängig ausgewertet werden müssen. Schweden wird auch empfohlen die Ausbildung in Menschenrechte für Polizisten und Gefängniswärter zu stärken. Der Polizeichef Sten Heckscher ist über die Wortwahl der Folterkommission verwundert. "Das hört sich nach außerordentlich denkwürdigen Behauptungen an. Aber wir werden selbstverständlich näher nachsehen, worum es sich eigentlich handelt", sagt er der Zeitung. Der Justizminister Thomas BostrÃŒm wollte die Kritik nicht kommentieren. Im Bericht rät die Menschenrechtskommission Schweden vorsichtig damit zu sein, Ausländer in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Schweden sollte auch die Kontrollen verschärfen, ob die abgeschobenen Menschen wirklich so behandelt werden, wie die Staaten es versprechen.

[Dagens Nyheter, schwedenweite Tageszeitung]



Oberster Gerichtshof kritisiert Urteile der Gefangenen von Göteborg



Scharfe Kritik ÃŒbte der schwedische Oberste Gerichtshof an den Urteilen des Amts- und Hofgerichtes nach den Protesten in Göteborg 2001. Torkel Gregow, Sprecher des O. G., befürchtet, dass den zu Gefängnisstrafen Verurteilten ein zu hohes Strafmaß zugewiesen wurde. "Das schwedische Rechtssystem ist auf extreme Geschehnisse wie den Kravallen in Göteborg nicht vorbereitet", meint Gregow im Svenska Dagbladet.

Doch der Oberste Gerichtshof hat keine Möglichkeit diese Urteile zu korrigieren, da nur prÀjudizierte fälle wiederaufgenommen werden können. Auf sechs Urteile, die zu Gefängnisstrafen für 13 Personen führte, wird daher der jüngste Spruch des O. G. keinen Einfluss haben. Eine Wiederaufnahme dieser fälle im Amts- und Hofgericht wird als sehr schwer eingeschätzt. Da der Oberste Gerichtshof die Geschehnisse um das Hvidfelska Gymnasium nicht zu den Protestaktionen gegen das EU- MInisterInnenratstreffen rechnet, sondern als Folge der polizeilichen Belagerung der Schule sieht, wurde das Strafmass einer Person von 20 auf 4 Monate gesenkt. Weitere drei Prozesse wurden an den O. G. weitergeleitet, die zehn weitere Personen betreffen, darunter auch die sogenannte "Organisationszentrale". Die Angeklagten versuchen nun sogar eine Wiederaufnahme der Prozesse gegen die, nach den Kravallen auf der Avenyn, Verurteilten.

Justizkanzler GÃŒran Lambertz verkündete, dass die Voruntersuchung gegen die Antifaschistische Aktion (AFA) wegen Aufwiegelung und Verstosses gegen die Pressefreiheit niedergelegt wird. AFA Schweden hatte mit einem Plakat zu den Demonstrationen in Göteborg aufgerufen, dass Godzilla beim verwÃŒsten von Göteborg zeigte mit dem Mobilisierungstext: "Agiere, Blockiere und Sabotiere!!" Lambertz untersuchte, ob das unter den Tatbestand Aufwiegelung fallen könnte.
Da aber kein/e Verantwortliche/r für das Plakat ausgemacht werden konnte und die Preskriptionszeit auslief, wurde die Voruntersuchung niedergelegt. "Dem Wort Sabotiere kann ein Aufwiegelungsversuch zugeschrieben werden, aber da man niemanden deswegen verurteilen kann, legen wir die Voruntersuchung nieder" meinte GÃŒran Lambertz zu Tidningarnas Telegrambyra.

[übersetzung von "motkraft nyhetsbref", www.motkraft.net]

INFOGRUPPE BERLIN
Die Berliner Gipfelsoli-Infogruppe ist hervorgegangen aus der Infogruppe der Genuagefangenen. Wir sind unter gipfelsoli (at) nadir.org zu erreichen. Wir haben einen Email-Verteiler angelegt, über den aktuelle Nachrichten zu Göteborg und Genua (und andere Aktivitäten wie z.B. die Mobilisierung nach Brüssel, München oder Barcelona) verschickt werden.
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