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Quellenangabe:
Trotz Massaker - Kampf gegen Isolationshaft geht weiter (vom 29.12.2000),
URL: http://no-racism.net/article/777/, besucht am 25.04.2024

[29. Dec 2000]

Trotz Massaker - Kampf gegen Isolationshaft geht weiter

Presseerklärung vom 27.12.2000

Seit dem 20. Oktober 2000 befanden sich etwa 2000 politische Gefangene in Türkischen Gefängnissen in einem unbefristeten Hungerstreik. 240 Gefangene
beteiligten sich an einem sogenannten Todesfasten, als letztes Mittel, um die Verlegung in sogenannte F-Typ-Isolationsgefängnisse zu verhindern. Isolationshaft, bei Menschenrechtsorganisationen als "weisse Folter" bekannt, soll politische Gefangene in ihrer Identität brechen, sie psychisch und physisch vernichten. Die neuen F-Typ-Gefängnisse sollen das ohnehin schon brutale Knastsystem ergÀnzen, in dem Übergriffe, Massaker und Folter alltäglich sind Boten bisher die Gemeinschaftszellen, in denen etwa 50-100 Menschen auf engstem Raum unter miserablen Bedingungen zusammengepfercht waren, doch einen gewissen Schutz vor den Zugriffen der Folterer, so sind die Gefangenen in Isolationshaft auch der blutigen Folter, wehrlos ausgeliefert. Forderungen der Hungerstreikenden:

- Schliessung der F-Typ Isolationsgefängnisse
- Der Erlass vom Januar, der u.A. das Recht auf Verteidigung faktisch abschafft, muss aufgehoben werden
- Schliessung der Staatssicherheitsgerichte
- Die verletzten und kranken Gefangenen müssen behandelt werden
- Die Folterer müssen bestraft werden.


Das Massaker



Am 19 Dezember haben nun Türkische Polizeieinheiten 18 efängnisse, in denen der Hungerstreik stattfand, mit Waffengewalt und unter Einsatz von Panzern und Bulldozern gesTürmt. Vorwand war, das Leben der Hungerstreikenden retten zu wollen, das Ergebnis war ein brutales Massaker: 29 Tote sind namentlich bekannt, es gab unzählige Verletzungen. Eine Gefangene ist inzwischen im Krankenhaus gestorben Die Verletzten wurden in Krankenhäuser gebracht und dort von Polizisten an die Betten gekettet. Die überlebenden wurden in die F-Typ-KnÀste verlegt. Dies war wohl der wahre Zweck dieser Operation. Entgegen anders lautendenden Versprechen der Türkischen Regierung war es nur TÀuschung. Die "Konsensgruppe", bestehend aus Mitgliedern der Menschenrechtskommission des Türkischen Parlaments und von Berufsverbänden wie Anwalts und Ärztekammer, die bisher mit den Gefangenen verhandelt haben, erklärten nach dem Massaker, sowohl sie, als auch die Gefangenen Wären weiterhin an einer Verhandlungslösung interessiert gewesen, worin freilich nicht die Verlegung in F-Typ-Gefängnisse enthalten sein sollte.

Aus einem Bericht der Türkischen Ärztekammer:
- Es wurden viele Gefangene auf dem Weg in die F-Typ KnÀste gefoltert und misshandelt. Viele, die aus den Krankenhäusern in die F-Typ-Gefängnisse
verlegt wurden waren 2-3Tage lang verschwunden und wurden offensichtlich gefoltert
- 9 Menschen, die sich bisher im Todesfasten befanden, sind seit dem Massaker spurlos verschwunden.
- Es existieren 2 unterschiedliche Listen, eine auf Computer, eine handschriftlich, auf denen unterschiedliche Angaben stehen, wer bisher aus den Krankenhäusern in die KnÀste verlegt wurde
- Manche Namen sind in den Namenslisten der im Gefängnis Einsitzenden verzeichnet, sogar unter Angabe der Zellennummer, aber in Wirklichkeit dort
nicht zu finden. Wo sie wirklich sind ist unklar
- AnwÀlten, die mit Gefangenen Kontakt aufnehmen wollten, wurde mitgeteilt, die Gefangenen seien nicht in der Lage, mit ihnen zu reden und mit dieser
Begründung die Kontaktaufnahme verweigert. Es unklar, ob die Betreffenden überhaupt dort oder am Leben sind.
- Es funktioniert keine Heizung, sogar das Wachpersonal hat gesundheitliche Probleme. In der Türkei ist Winter und es hat Minusgrade.
- Die Gefangenen haben bis jetzt keine Kleidung erhalten, zu Anwaltsterminen erschienen sie halbnackt oder in Laken gehüllt. In den Zellen gibt es nur
eine Decke. für verletzte Gefangene besteht wegen der Kälte Lebensgefahr
- Während der überFührungen von Krankenhäusern oder Gefängnissen in Gefängnisse wurden die Gefangenen nackt ausgezogen und misshandelt. Verletzungen davon sind Nasenbeinbrüche, Fingerbrüche Platzwunden. Weiterhin HautausschlÀge herrÃŒhrend von Gas, da bei der ErsTürmung der KnÀste oft nicht nur Tränengas, sondern auch andere, bisher unbekannte Giftgassorten eingesetzt wurden.
- Auch in den Isolationszellen gehen die Übergriffe weiter .Vorwand sind Zellendurchsuchungen.


Hungerstreik geht weiter



Der Widerstand der Gefangenen wurde auch mit diesem Massaker nicht gebrochen, im Gegenteil: alle politischen Gefangenen, die sich mit dem Kampf bisher identifiziert haben sind jetzt im Todesfasten. Zudem sind jetzt auch 10000 PKK-Gefangene in einen Hungerstreik getreten. Damit ist zugleich die Behauptung widerlegt, die Gefangenen seien von ihren Organisationen zum Hungerstreik gezwungen worden.


Politische Situation in der Türkei, Hintergründe



Der Türkische Staat versucht inzwischen, jede Kritik an dem Einsatz und allem, was mit dem Thema Isolationshaft zu tun hat, zu unterbinden. Es wurde eine Pressezensur erlassen, also ein Verbot, kritisch zu berichten, die meisten Zeitungen halten sich daran. 16 politischen- und enschenrechtsorganisationen wie aber auch Berufsverbänden und Gewerkschaften wie z.B. Ärzte- und Architektenkammer wurden offizielle Verlautbarungen zugestellt in denen ihre bisherigen erklärungen und Kritik an Isolationshaft und dem Massaker an den politischen Gefangenen als Unterstützung von Terroristen bezeichnet wurde. Es wurde ihnen bei Fortsetzung mit Repressalien bis hin zur Schliessung wegen Verstoss gegen das Antiterrorgesetz gedroht. Mittlerweile wird aber auch in bürgerlichen Kreisen in der Türkei die Kritik wegen der offensichtlichen Widersprüche in der staatlichen Propaganda lauter.


Die Rolle des Westens:



Bezüglich Isolationshaft von politischen Gefangenen ÃŒbt sich die Bundesregierung bisher in zurückhaltung. Kein Wunder stammt doch das Modell der F-Typ-Gefängnisse aus Deutschland, Stammheim. Die Türkei veranstaltete also das Blutbad, um EuropäischeStandarts einzuführen. Gleichzeitig mit dem Massaker an den politischen Gefangenen begann eine Operation der Türkischen Militärs gegen die PKK im Nordirak, unterstützt von US-Militärberatern. Zeitgleich mit dem Beginn des Massakers wurde der Türkei ein IWF-Kredit in Höhe von 25 Milliarden Dollar gewährt. Ein Schelm, wer BÃŒses dabei denkt...

Solidarisieren wir uns mit den kämpfen gegen Isolationshaft

Widerstand gegen Isolationshaft ist ein Kampf für Menschenwürde und gegen Folter Kein Stammheim am Bosporus Freiheit für alle politischen Gefangenen

Bündnis für internationale solidarität NÃŒrnberg

übernommen von http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2000/12/27/2076.html