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Quellenangabe:
Von rassistischen Polizeiübergriffen, kollaborierenden Richtern, zynischen Medizinern, "sachkundi (vom 20.07.2000),
URL: http://no-racism.net/article/84/, besucht am 28.03.2024

[20. Jul 2000]

Von rassistischen Polizeiübergriffen, kollaborierenden Richtern, zynischen Medizinern, "sachkundi

Bericht über die 1. Verhandlung beim UVS (10.7.2000) mit anonymisierten Gesprächsprotokollen

Am Montag, dem 10. Juli 2000 fand die erste UVS ("Unabhängiger"
Verwaltungssenat)-Verhandlung im "Fall" Traiskirchen statt. 34 Menschen sind BeschwerdeführerInnen gegen die Polizei. Sie wurden am 17. Jänner 1999 im Flüchtlingslager Traiskirchen von einer Horde PolizistInnen und zwei KÃŒtern überraschend überfallen, beschimpft, durchsucht (u.a. Anal-und Vaginal"visitationen"), geschlagen, gedemütigt und gefoltert, auch ein zwei Monate altes Baby wurde nicht verschont.
"Suchtgiftrazzia im Zuge der Operation Herbstblatt" heißt das dann im Polizeijargon, oder "Amtshandlung der Gendarmerie am 19.1.1999".
Von 19:30 bis 24:00 tobten sich die PolizistInnen aus. Gefunden haben sie nichts. Sie bestreiten nun alle Vorwürfe.

Der erste Verhandlungstag begann um 9am und endete unterbrochen nur von kurzen Pausen nach 19:00. Fünf Frauen wurden zu diesem ersten Termin geladen und mußten sich 10 Stunden lang die Zynismen des Vorsitzenden Richters, Paul
Marzi, der von ihm konsultierten "sachverständigen" Zeugen und der PolizistInnen, die sich plötzlich an gar nichts mehr erinnern, nicht einmal an die eigenen KolegInnen, anhören. Die Frauen sollten nur kurz und präzise antworten (Marzi: "De soll ma kan Roman erzÃŒhln: Jo oder Na und aus".) und auch die anfangs zugezogene Portugiesisch-Dolmetscherin wurde von Marzi kräftig unter Druck gesetzt, den sie wiederum an die befragten Frauen weitergab. Zum
GlÃŒck sprang dann ein Anwesender ein und übersetzte auf Kingala. Er ließ sich vom Richter nicht unterbrechen und gab den zwei an diesem Tag vernommenen Frauen genügend Zeit, die Geschehnisse zu schildern.

Unser Protokoll ist 20 Seiten lang und ist ein Dokument der Grausameiten, nicht nur des 17. Jänners 1999 sondern auch des Wahnsinns der Verhandlung. Der Vorsitzende Richter Marzi hatte gegenüber der APA bereits geäußert, daß sich die "überPrüfung" in Traiskirchen nicht "auf Luft aufbaue," sondern es "gewichtige Gründe im Zusammenhang mit Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz" gäbe. Frau sollte wissen, er kommt selbst aus der Sicherheitsdirektion und sprach nach der Verhandlung zwei der anwesenden Bullen mit ihren Spitznamen an. Ständig wurde betont, auch in den verschiedenen Pressemeldungen, die am Dienstag erschienen, daß "im Zuge der Ausforschung eines Drogenringes in Nö sich nun 15 Personen am Landesgericht Nö verantworten müssen". außer dem Rechtsanwalt der 34 BeschwerdeführerInnen, Dr. Rainer, versuchten jedoch alle zu vertuschen, daß bei den Betroffenen NICHTS gefunden wurde.
Trozdem durfte der "sachkundiger Zeuge" (Abt. 2.8, Innenministerium) Gerhard Jouszt ein über eine Stunde dauerndens Referat über internationalen und nationalen Drogenhandel halten, indem er u.a. versuchte zu rechtfertigen, was die PolizistInnen abstritten, Eigentor sozusagen: So erzählte er, daß im Zuge der "Operation Streetrunner", die gerade läuft, drei Vertrauenseinkäufe
von verdeckten ErmittlerInnen durchgeführt und dabei festgestellt wurde, daß Drogen mit Wachs isoliert im Mund, im Anal- und im Vaginalbereich versteckt würden. Auf die Frage, ob es also auch Erfahrungen mit Dealerinnen gäbe, antwortete er: "Nein, Erfahrungen mit Frauen haben wir nicht, aber der Genitalbereich eignet sich sehr gut als Versteck." Er fährt fort: "Normalerweise
führen wir bei Verdacht Rüntgen oder Ultraschalluntersuchungen vor. Das muß von einem Amtsartzt oder von VertrauensÀrtzten der Gendarmerie durchgeführt werden." So wie bei R.Ibekwe??? Motiviert durch die Fragen des Vorsitzenden fährt er fort: "Es gibt rund um Traiskirchen sozial SchwÀchere und Flüchtlinge, die benutzt werden, mit Suchtgift zu handeln. (...) Es gibt auch internationale Erfahrungswerte und es sind eben v.a. westafrikanische Leute, die im Strassenverkauf eingesetzt weren." Dr. Rainer stellt keine Fragen an Jouszt: "Was hat dieser Vortrag überhaupt mit unserem Fall zu tun?"

Zuerst wird A.A. vernommen. Sie versucht ,das ihr wiederfahrene zu erzählen, wird dabei Öfters von Marzi mit dem Hinweis auf die Wahrheitspflicht unterbrochen, außerdem "mach ich Sie darauf aufmerksam, daß erhebliche Unterschiede zwischen Ihren Vorwürfen und den Schilderungen der Beamten bestehen." Sein insistenter Versuch, A.A. in Widersprüche, die vom Rechtsanwalt verfaßte Anklageschrift betreffend, schlägt kÀrglich fehl. Sie erzählt, wie am 17.1.1999 um ca. 19:30 plötzlich, ohne vorherige Benachrichtigung, mehrere Polizisten mit Waffen im Anschlag das Zimmer sTürmten, in dem sie sich mit 4 Frauen und 3 Männern beim Essen befand. Es waren lange Waffen, wie im Krieg, erzählt sie. Die PolizistInnen hatten auch Messer. Marzi meint abfÀllig, ob sie den Bajonetten meine, und erinnert sie wiederum an die Wahrheitspflicht:
"Polizisten und Gendarme führen nur Kleinfeuerwaffen, keine Messer und schon gar keine Bajonetten". daß es mehrere Zeugen dafür gibt, daß dieBeamtInnen mit Sturmgewehren aufRückten, interessiert ihn nicht. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Die Skizze, die A.A. vom "Messer" anfertigt, Àhnelt einem GummiknÃŒppel. Der Grund für die Amtshandlung wurde ihnen nie erklärt. A.A. erzählt, wie sie in eine Plastikflasche urinieren mußte, in die selbe, die alle benutzen mußten, der Gang zum WC wurde ihr verweigert. Nur eine Frau durfte später in Begleitung einer Polizistin aufs WC. Sie erzählt wie sie von männlichen Polizisten untersucht und begrabscht wurde, wie sie gezwungen wurde, sich
abfotografieren zu lassen, sie erzählt von der Demütigung und Erniedrigung, die sie verspörte, als sie vor allen in die Flasche urinieren mußte. Der Vorsitzende daraufhin: "Na Sie hätten sich ja umdrehen können." Und "Ham`s die Hose jetzt ganz runter lassen oder nur bis zu den Knien?"

M.L. erzählt, sie habe bereits geschlafen, als ihr Zimmer von 6 männlichen Bullen und einem KÃŒter gesTürmt wurde. Auch sie beschreibt die Sturmgewehre. Das Fenster wurde aufgerissen, das Baby entkleidet, die Windeln zerissen, das Zimmer auf den Kopf gestellt. Der KÃŒter schleckte das Baby unter den LachkrÀmpfen der Bullen ab. Obwohl man ihr verboten hatte, daß Kind wieder
anzuziehen, tut sie das nach einiger Zeit. Den Zusammenhang mit der Bronchitis und dem Fieber, unter der das Kind daraufhin erkrankte, stritt der nächste "sachkundige Zeuge", ein GynÀkologe, vehement ab. Auch die Frage des Rechtsanwalts, ob es für ein Baby Qual, Leid oder Unbehagen bedeute, 4 Stundne lang
ungestillt, brÃŒllend, bei Kälte, von einem Hund beschleckt, ohne die Umarmung der Mutter, neben einem offenem Fenster im Jänner zu liegen, antwortet der "Experte" lächelnd mit: "NEIN (!!!) - es wurde später ja wieder angezogen - frische Luft tut keinem SÀugling weh." M.L. durfte auch nicht aufs WC, sie mußte in eine schüssel vor den Augen der 6 Männer, die sich auf 1 Meter Distanz aufpflanzten, urnieren. Auch bei M.L. erntete der Richter mit seinen
EinschÃŒchterungs - und seinen weiteren Versuchen, sie in Widersprüche zu verwickeln, keinen Erfolg.

Die weibliche Beamtin, Monika Waldberg, bestritt, daß eine weitere
Polizistin bei der Aktion in Traiskirchen anwesend war (obwohl es ZeugInnen gibt). Bei ihrem Versuch, die totale Harmonie des Einsatzes zu beschreiben (alles ging ruhig vor sich, keinen Widerstand, die Frauen ließen sich freiwillig durchsuchen, sie führte bei Frau C. KEINE Vaginaluntersuchung vor, alle durften Wasser trinken gehen, alle durften aufs WC, alleine in die Kabine, sie habe
zwar den Speichel einer Frau die ins Klo spuckte, kontrolliert, das Urin aber nicht, Warum nicht?: "Das mach ich aus Prinzip nicht." (?!). Durch die Befragung des Rechtsanwalts und die unzähligen WidersprÃŒch, in die sie sich verstrickte, konnte sie sich am Ende an gar nichts mehr erinnern. Obwohl sie bestritt, daß eine weitere Frau bei der Aktion und auch bei deren Vorbesprechung ("AktionseinsatzGespräch") am selben Tag zu Mittag anwesend war, konnte sie nicht einmal schätzen, wieviele Beamte die "Amtshandlung" durchführten. Der Richter versuchte ständig, ihr aus der Patsche zu helfen, erinnerte sie kein einziges Mal an die Wahrheitspflicht. Frau C. beschreibt, wie die Beamtin die Vaginaluntersuchung durchgeführt hat und wie die männlichen Beamten durch die geöffnete WC-Türe gafften. Diese bestreitet alles. Den durchsichtigen Medizinhandschuh habe sie nur zum Abtasten der Frauen verwendet. Sie habe ihn kurz daraufhin weggeschmissen. Warum dieser jedoch nicht gefunden wurde, kann sie sich nicht erklären.

Der Hundeführer bestreitet, daß ein zweiter KÃŒter im Einsatz war. Er kann sich überhaupt an gar nichts erinnern, auch nicht an das
AktionseinsatzGespräch. ("Ich weiss nicht, ob Frauen dabei waren. Ich schau ja nicht extra, ist das jetzt eine Frau oder ein Mann." (?!) daß es KEINEN Hausdurchsuchungsbefehl gab, wußte er naTürlich auch nicht. Er hat nichts gehört und nichts gesehen, sei während der 4 Stunden in einer Nische gestanden, von wo aus man nur den Eingang des Waschraumes sehe, ob es drinnen zu Analvisitationen kam, könne er aber auch nicht sagen, er sah nur die Tür. Was war dann seine Aufgabe während des Einsatzes? "Beamtensicherung." Weitere Fragen des Rechtsanwaltes, ob Beamtensicherungen immer SO durchgeführt würden, wurden vom Vertreter der Behörde, Oberstleutnant Franz Polzer (Landesgendarmeriekommando Nö, Kriminalabteilung) mit dem Verweis auf polizeitaktische Geheimnisse abgewiesen. Er war auch nie im Zimmer des Babys. außerdem habe sein Hund "im Dienst noch
nie jemanden abgeschleckt." Das wenige, daß aus ihm herausgelockt werden konnte, reicht aus, um zu beweisen, daß seine Aussagen und die seiner Kolegin im Widerspruch stehen. Bullen sind zum GlÃŒck sogar zu blöd, sich abzusprechen
bzw. ihre Konstruktionen aufrechtzuerhalten.

ÖKOLI