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Quellenangabe:
Bericht vom ersten Tag im Prozess gegen Charles Ofoedu (vom 06.09.2000),
URL: http://no-racism.net/article/91/, besucht am 22.11.2024

[06. Sep 2000]

Bericht vom ersten Tag im Prozess gegen Charles Ofoedu

Charles wird zur Last gelegt, er habe wissentlich Geld im Auftrag eines Drogenkartells an sich gebracht, verwahrt und überwiesen. Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf die Protokolle von den Einvernahmen von Charles bei der Polizei und vor der Untersuchungsrichterin sowie ein paar ZeugInnen.

Mittwoch, 6.9.2000 um 9.30h: Die Staatsanwältin eröffnet damit, dass die Verhandlung gegen Charles O. wegen der Demonstration vor den Toren des Grauen Hauses wohl unter keinem guten Stern stehe (hihi). Selbstverständlich handle es sich um keinen politischen Prozess. Dagegen verwehre sie sich, weil die Staatsanwaltschaft doch der Objektivität und Wahrheitsfindung verpflichtet sei. Die Anklage gegen Charles nach dem Suchtmittelgesetz sei wohlgemerkt nur im Zweifel fallengelassen worden. (weil sich im 11 BÀnde umfassenden Akt dazu leider kein Hinweis hat finden lassen).

Die Wahrheitsfindung beginnt mit einem EröffnungsplÀdoyer, in dem die Staatsanwältin eigentlich nur über das ominÃŒse Chinarestaurant "Willkommen" in der Währingerstrasse spricht. Dort sei ein Umschlagplatz für größere Mengen von Drogen gewesen, die von den Mitgliedern des nigerianischen Kartells im After transportiert wurden (sic!). Dort hätte es in der oberen Etage die Chairman-Tische gegeben, wo die Geldtransaktionen abgewickelt wurden. Dort hätten jene, die sich von der Polizei verfolgt fühlten, am WC die Kleidung gewechselt. Dort sei Geld für Rechtsanwältinnen gesammelt worden. Rundherum noch ein paar AusschmÃŒckungen, was so ein Kartell noch mit sich bringt: Falsche Dokumente, Begleitung beim Strassenverkauf durch erfahrenere DealerInnen, Gegenobservationen (cool) und internationale überweisungen, zumeist über Western Union.

Charles wird konkret zur Last gelegt, er habe wissentlich zwischen April 1997 und Mai 1999 über 500.000.- ATS im Auftrag des Kartells an sich gebracht, verwahrt und insgesamt 910.000.- ATS laut Belegen überwiesen. Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf die Protokolle von den Einvernahmen von Charles bei der Polizei und vor der Untersuchungsrichterin sowie ein paar ZeugInnen.

Verteidiger Andreas Fehringer repliziert, dass die Staatsanwaltschaft in ihrem EröffnungsplÀdoyer eigentlich eine Themaverfehlung begangen habe. Das Konstrukt einer kriminellen Organisation stehe überhaupt nicht zur Debatte. Vielmehr gehe es nur darum, ob Charles eine solche Organisation kannte und ob er bei den überweisungen wissentlich für sie tätig wurde. Zu den angeblichen Geständnissen meinte der Rechtsanwalt, dass da wohl eine babylonische Sprachverwirrung im Spiel gewesen sei (sehr nobel ausgedrückt - andere erklärungen für das Zustandekommen der Vernehmungsprotokolle hätten ihm wohl umgehend eine Verleumdungsklage eingebracht). Charles habe sagen wollen, dass er zum Schluss vermutet habe, dass das von ihm überwiesene Geld nicht sauber sei, weshalb er auch die überweisungstätigkeit bereits 2 Monate vor seiner Verhaftung aus freien stücken eingestellt habe.

Die Vernehmung des Beschuldigten seitens der Staatsanwaltschaft reitet zunächst auf den Polizei-Vernehmungsprotokollen herum, bis sich herausstellt, dass die Dolmetscherin erst nach der Vernehmung dazugekommen ist und Charles zu diesem Zeitpunkt keine Brille hatte. Charles leidet an einer seltenen angeborenen Augenkrankheit, weshalb er ohne Brille rein gar nichts in halbwegs normaler Schriftgröße lesen kann. Angesichts dieses leicht beweisbaren Umstandes, der die Vernehmungsprotokolle der Polizei als Beweismittel faktisch entwertet, wird die Staatsanwältin leicht hektisch. Immerhin: Zur Zeit seiner Vernehmung vor der Untersuchungsrichterin hatte er eine Brille. Charles weist jedoch postwendend darauf hin, dass dies nicht seine Spezialbrille gewesen sei. Diese Brille sei ihm von einer netten Dame in die U-Haft geschickt worden. Auch die Brille, die sein Bruder ins Gefängniss geschickt hat, sei nicht auf sein Augenleiden abgestimmt gewesen.

Daraufhin verlegt sich die Staatsanwältin auf Vorhaltungen, wonach diverse Personen im Dunstkreis des Chinarestaurants "Willkommen" ihn mit Chief angesprochen hätten und dass er den Leuten für die Demo freigegeben habe. Einsetzendes Gekicher im Zuschauerraum wird mit der Drohung, den Saal räumen zu lassen, beantwortet.

Zu den überweisungen meint Charles: Wenn er gewußt hätte, dass es sich um Drogengeld handelt, hätte er doch nicht bei Western Union seinen Namen angegeben. Er habe mit den überweisungen den Leuten helfen wollen.

Rechtanwalt Fehringer versucht daraufhin, durch seine Beschuldigtenbefragung verschiedene Punkte nochmals klar herauszuarbeiten: Den Grund, warum Charles überhaupt für andere Leute überweisungen getätigt hat; die Geschichte mit der Brille; die Anrede "Oga", die nichts anderes bedeutet als "Herr", usw.
Den erfreulichen Höhepunkt dieser ersten Verhandlungsrunde liefert die erste Zeugin der Anklage, die - wie der Richter betont - extra und auf Kosten des Steuerzahlers aus Nigeria eingeflogen wurde. Diese Zeugin hat in einem abgehörten Telephonat, in dem von DrogenGeschäften in Verbindung mit dem Namen Charles die Rede war, ihren Gesprächspartner gefragt, ob er "diesen Charles" meine. Daraufhin hat dieser geantwortet: "Ja" er meine "Charles Ofoedu, the evil man". Vor Gericht konnte die Zeugin dieses Abhörprotokoll nicht bestätigen. Sie kenne den Angeklagten überhaupt nicht. Es sei wahrscheinlich von einem anderen Charles die Rede gewesen. Ihr damaliger Freund hätte auch Charles geheißen.

Nach der Pause wird eine zweite Zeugin diesmal aus der Haft vorgeführt, die sich jedoch wie schon in anderen Verfahren wegen Angst vor Racheaktionen der Aussage entschlägt. Daraufhin wird nur noch über die weiteren Beweisanträge verhandelt. Der Richter meint, dass unbedingt noch der anonymisierte Zeuge 1 zu hören sei, weil dieser Charles wirklich belaste. Der Richter liest auch die Aussage des berÃŒchtigten AZ 1 vor: Er habe Charles im Chinarestaurant Willkommen an einem jener Tische sitzen sehen, die nur den Bossen vorbehalten waren und zu denen normale Dealer wie er selbst keinen Zutritt hatten. Er habe nie gesehen, dass Charles etwas mit Drogen zu tun gehabt hätte, aber er vermute es, da die Leute "Papa" zu ihm gesagt hätten.

Mit dieser fürwahr höchst inkriminierenden Aussage geht der Verhandlungstag zu Ende. Vertagt wird auf unbestimmte Zeit bis irgendwann Ende Oktober.