Quellenangabe:
Büren: Abschiebeknast und Billiglohnfabrik (vom 02.10.2004),
URL: http://no-racism.net/article/966/,
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[02. Oct 2004]
Dokumentation des Aufrufes zu einer bundesweiten Demonstration gegen Abschiebe Maschinerie und kapitalistische Verwertungslogik beim größten Abschiebe Gefängnis Deutschlands am 3. Oktober 2004 um 13.00 Uhr in Büren, an der sich ca. 500 Leute beteiligten.
Zwischen der Kleinstadt Büren (Kreis Paderborn) und einer Autobahnauffahrt liegt versteckt im Wald der größte Abschiebeknast Deutschlands. für 35 Millionen Mark ließ die nordrhein-westfälische Landesregierung 1993 ein früheres Kasernengelände der belgischen Armee zum Hochsicherheitsknast umbauen. Maximal 560 männliche Gefangene, unter ihnen selbst minderjährige Jugendliche, werden dort "fluchtsicher" bis zum Abtransport per Bus und Flugzeug eingesperrt. Am 17.1.1994 wurden die ersten Abschiebehäftlinge in die Justiz Vollzugs Anstalt (JVA) Büren gebracht. Seit dem waren weit über 30.000 Menschen - oft über Monate - in der JVA inhaftiert, weil sie keinen deutschen Pass vorzeigen können und um sie ohne großen Aufwand abzuschieben.
In den letzten zehn Jahren, davon sechs Jahre unter rot-grüner Bundesregierung, hat sich für Flüchtlinge die Situation verschlechtert. Die Grenzen nach Deutschland wurden undurchlässiger gemacht und das EU Europa zur Festung ausgebaut. Mit der Drittstaatenregelung wurde das Abschiebungsverfahren noch rigoroser.
Doch trotz aller staatlichen Abschreckungsmaßnahem kommen weiterhin Flüchtlinge und MigranntInnen in die Metropolen. Da es für die Regierungen der reichen Staaten der ersten Welt offensichtlich unmöglich ist Migration und Flucht zu stoppen, setzen sie vermehrt auf das Migration Management, die versuchte Steuerung von Migrationsbewegungen nach Nützlichkeitskriterien.
Die Sicht auf Migrantinnen und Migranten ist weiterhin geprägt durch rassistische Ablehnung. Dabei nimmt hierzulande die Zahl derjenigen zu, die Menschen in deren Adern kein "deutsches Blut" fließt nach ihrer wirtschaftlichen Verwertung betrachten, gegenüber den Anhängerinnen und Anhängern der platten "Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche" Parole der Nazis. Günther Beckstein, Innenminister von Bayern, formulierte das im Juni 2000 im Focus mit dem Satz: "Wir brauchen weniger Ausländer, die uns ausnützen, und mehr, die uns nützen". Dass mit Ausländern nicht etwa Schweden, US-Amerikaner oder Franzosen gemeint sind, ist allen, die diesen Satz gelesen haben, sicher klar. Dass mit diesen "Ausländer(n)" Migrantinnen und Migranten aus dem "süden" gemeint sind, die "uns ausnützen", wird quasi als deutsche Volksweisheit vorausgesetzt. Damit hat Herr Beckstein an einen rassistischen Konsens angeknüpft: Das Bild vom arbeitsscheuen Flüchtling, der als Sozialhilfeempfänger ein betuliches Leben führt und der im Grunde nur hierher geflüchtet ist, um "unserem Sozialstaat zur Last zu fallen". Das soll in die Köpfen eingespiegelt werden, obwohl es nicht der Wirklichkeit entspricht. Die Realität der Flüchtlinge ist demgegenüber geprägt von Abschiebeknast, Arbeitsverboten und rassistischen Sondergesetzen. Es werden Ãngste geschört, denen der "nützliche" Ausländer fleiÃig und mit "niedrigen Lohnkosten" entgegenwirken soll. Denn bei der Betonung auf "uns nützen", soll jede und jeder sofort an hohe Rentenbeiträge, soziale "Sicherungssysteme usw. denken. "Junge Zuwanderer braucht das Land" heißt es etwa in einer überschrift der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 05.10.2003. Der Artikel stellt dann fest: "Eine jährliche Nettozuwanderung von 300.000 Menschen würde die Dynamik des Beitragssatzanstiegs bremsen, stellte die Unabhängige Kommission Zuwanderung in ihrem Bericht fest. Gezielte Zuwanderungspolitik, die das Alter und die Qualifikation der Immigranten beRücksichtigt, könne den Anstieg der Beiträge zur Rentenversicherung spÃŒrbar dÀmpfen." Lange ist klar, dass auch neue Investitionen nicht mehr Arbeitsplätze schaffen. Die Produktivität hat in diesem Lande schon lange ein maß erreicht, bei der alle Menschen gut bei sehr viel weniger an Lohnarbeitszeit leben könnten. Die "gezielte Zuwanderungspolitik, die das Alter und die Qualifikation der Immigranten beRücksichtigt", hat lediglich junge Arbeiterinnen und Arbeiter im Auge, die für weniger Geld mehr schaffen als ihre Àlteren Kolleginnen und Kollegen, die sie ersetzten. Als z.B. die Àlteren Türkischen Kollegen im Ruhrgebiet wieder verschwinden sollten, hat ihnen der Staat angeboten, die von ihnen eingezahlten Sozialversicherungsbeiträge auszuzahlen, wenn sie denn "freiwillig" ausreisen würden.
Wir haben seit dem Beginn unseres Kampfes gegen den Abschiebeknast in Büren am Rande auch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Teilprivatisierung ein Test ist, der zukünftig auch in anderen Gefängnissen zum Tragen kommen wird. Auch in dieser Hinsicht werden die eingesperrten Menschen zu Objekten der Profitmacherei. Dabei können wir in Büren zwei Tendenzen beobachten, die wiederum gegen die Gefangenen gerichtet sind. Zum einen die Privatisierung von KnÀsten. Dass diese lukrativ sind, zeigen die USA und die Erfahrungen, die Deutsche Firmen dort sammeln. Die C.C.A. (Correction Corporation of America), ist der größte privater Betreiber von Gefängnissen in der USA und steigerte den Wert ihrer Aktien innerhalb von 10 Jahren von 50 Millionen auf 3,5 Milliarden US-Dollar. Nicht nur ausbruch-sicher, sondern auch profit-sicher werden die privaten KnÀste betrieben, denn pro Häftling wird von staatlicher Seite ein garantierter Betrag pro Tag bezahlt und so empfehlen BÃŒrsen-Fachleute die Aktien der C.C.A., mit dem Spruch, die Firma gleiche "einem Hotel, das immr zu 100 Prozent belegt (...) und bis zum Ende des Jahrhunderts ausgebucht ist". Mit im Geschäft ist Hochtief, eine Firma zu der einem sonst nur schlecht bezahlte Bauarbeiter einfallen. In den USA baut und "betreut" Hochtief bereits KnÀste und möchte gerne auch in Deutschland in dieses Geschäft einsteigen. für Bernward Kulle von Hochtief Development ist nicht etwa der Gewinn der in diesem Geschäft gemacht wird maßgeblich nein, ganz Menschenfreund stellt er fest: "Meine Kollegen berichten mir von dort über eine erheblich höhere Zufriedenheit der Insassen als in staatlich betriebenen Anstalten." Im Geschäft ist allerdings schon die Firma KÃŒtter Security, die auch in Büren stückerbusch am Elend anderer Geld verdient. Da sie auch Migranten einstellt, kommt es zu der Situation, dass in Büren Migranten Migranten für 8,00 âÃÂì die Stunde bewachen, während die Gefangenen für 2,00 âÃÂì Stundenlohn arbeiten. (Von den 2,00 âÃÂì wird allerdings noch fasst die Hälfte einbehalten, um die "entstandenen Kosten" zu finanzieren.) Auf einer "Security Messe" empfahl sich KÃŒtter Security damit, dass sie bereits die Infrastruktur besÀÃen, um KnÀste komplett in privater Regie zu übernehmen. Die Zyniker werden in Zukunft KnÀste wie die "Abschiebehaftanstalt" in Büren nicht nur erhalten, weil sonst Arbeitsplätze gefährdet sind, sondern weil darüber hinaus sonst die Aktien der Betreiber an Wert verlieren würden.
Während die Schere zwischen Arm und Reich hier und weltweit auseinander gerissen wird und den Kolleginnen und Kollegen, die erwerbsarbeiten, immer schlechtere Arbeitsbedingungen (länger arbeiten für weniger Lohn) zugemutet werden, besteht die "Nützlichkeit der Ausländer" in der Verbesserung der Profitbedingungen. Anschließend wird ihre "Nützlichkeit" darin bestehen, zur Zielscheibe des rassistischen Mobs zu werden. Die Strategie von "Teile und Herrsche" baut auf die Ãngste, die der Rassismus schört. Die Aufteilung in Ausländerinnen und Ausländer, die in Form postmoderner Kulis nach Europa kommen, und in Flüchtlinge, die möglichst schnell wieder abgeschoben werden, spielt mit diesen Ãngsten in menschenverachtender Weise.
In keiner Diskussion spielen zum Beispiel die Kosten eine Rolle, die die Abschiebmaschinerie verursacht. Denjenigen, die Land auf Land ab von leeren Kassen sprechen, ist nichts zu teuer, wenn auch noch mit den Flüchtlingen Profite zu machen sind. Dass dies selbst die Abschiebeknäste mit einbezieht, zeigt, wie zynisch und menschenverachtend diese Sicht ist. CDU Abgeordneter Wächter warnte vor der 98er Bundestagswahl vor einer rot-grünen Regierung, die den Knast schließen und somit die daran hängenden Arbeitsplätze vernichten würde. Die "Gefahr" bestand real nie, wie die Politik der rot-grünen Landesregierung eindrucksvoll zeigt, aber er sprach nur aus, was viele dachten. Heute ist dieser Zynismus gang und gäbe.
Die gesamte Flüchtlingsversorgung soll privatisiert werden. Sie soll - so heißt es von offizieller Seite - "professionell und effizient" vonstatten gehen. Die vom Gesetz geforderte "Abschrekkung" hat allerdings mit ökonomischer Effizienz nichts zu tun. Die Auszahlung von Bargeld kÀme den die Kommunen wesentlich billiger als die Ausgabe von Gutscheinen oder Essenspaketen. Die praktizierte "Effizienz" sichert die Gewinne der Firmen im "FlüchtlingsGeschäft" und wendet sich gegen die Flüchtlinge. In einer aktuellen Studie über die Privatisierung von Gefängnissen und "Immigration Detention Centers (IDC)" in großbritannien zieht die staatliche "Competition Commission Organisation" ein vernichtendes ResÃŒmee über den "Erfolg" der bisherigen Privatisierungen. Ein Beispiel: Nur drei Monate nach der Fertigstellung brach in einem IDC Feuer aus, die Folgen waren verheerend - weil bei den Sprinkleranlagen gespart wurde (genau wie in Büren!) und die Feuerwehr erst aufs Gelände durfte, nachdem die Polizei es umstellt hatte, damit keiner der 385 Flüchtlinge davonkommen konnte. Viele wurden verletzt und/oder verloren ihre gesamte Habe. Angeklagt wurde nicht der Betreiber des IDC, sondern 13 Flüchtlinge, obwohl Feuerwehrleute die mangelnde Sicherheit des Gebäudes für den Brand verantwortlich machten. Auch in Büren wird die psychosoziale Betreuung der Abschiebehäftlinge nicht mehr durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) durchgeführt. Die Betreuung wird nun durch die private Firma Kote & Mrosek (European Homecare EHC) gewährleistet werden. EHC ist einer der größten Dienstleister auf dem "Flüchtlingsmarkt". " ... wir organisieren kostengünstig die Einrichtung und regelmäßige Belieferung von Wohnheimen und Unterkünften für soziale Randgruppen." So heißt es auf der Web - Seite von EHC. In Österreich "betreut" European Homecare seit dem 1. Juli alle BundesFlüchtlingseinrichtungen. Der Grund warum EHC den Zuschlag bekam war die Tatsache, das dass EHC die Betreuung pro Tag und Asylwerber für 12,90 âÃÂì übernommen hat. Vorher lagen die Kosten dafür bei 17,00 âÃÂì. Selbst das Rote Kreuz konnte bei diesem "Dumping" nicht mithalten.
Die Abschottung der Grenzen Europas und die Erleichterung der Abschiebungen haben dazu geführt, dass immer weniger Menschen einen Antrag auf Asyl stellen. Eigentlich könnte in der Logik der Abschiebemaschinerie der ganze Abschiebekomplex massiv zurückgefahren werden. Aber es fängt schon beim Bundesamt für die An(Ab)erkennung ausländischer Flüchtlinge an: Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Abschiebebehörden will der Amtsleiter nicht senken. Daher beschäftigt man sich in den Amtsstuben mit so genannten "Altfällen". Bereits erteilte Asylgenehmigungen werden überprüft, ausgesprochene Aufenthaltsgenehmigungen in Frage gestellt. Da ist zum Beispiel Gruppenleiter Michael Kleinhans, der in der Abteilung Asylverfahren für alle aussenstellen in Bayern und Nordrhein- Westfalen verantwortlich ist. Er macht in einem internen Schreiben seinen "Mitarbeitern" klar: "Ich weise ... nochmals darauf hin, dass ein zurückhalten von Arbeit wegen der niedrigen Zugänge äußerst schädlich wäre. Wenn zu den niedrigen Zugangszahlen auch noch niedrige Erledigungszahlen kÀmen, müssten wir mit Stellenkürzungen rechnen." Resultat dieser Politik ist, dass trotz der "niedrigen Zugangszahlen" die Anzahl der Inhaftierten nicht abnimmt und immer mehr Menschen, die zum Teil seit vielen Jahren hier leben, eingesperrt werden.