Quellenangabe:
Strassers Asylgesetznovelle: Verfassungswidrig! (vom 15.10.2004),
URL: http://no-racism.net/article/985/,
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[15. Oct 2004]
Der Vfgh hat Strassers neues Asylgesetz in den zentralen Punkten für nicht mit der Verfassung konform erklärt. Neuerungsverbot, Abschiebung im laufenden Berufungsverfahren und Schubhaft bei neuerlichem Asylantrag fallen :-) , Liste der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten, Durchsuchung von Flüchtlingen, Schubhaft bei Entfernen aus Erstaufnahmestelle und Ausschlussgründe für Grundversorgung bleiben :-(
Der präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Karl Korinek, hat am 15. Oktober bekannt gegeben, dass folgende Teile des neuen Asylgesetzes verfassungswidrig sind : das umstrittene Neuerungsverbot, eine Schubhaft-Bestimmung sowie die Regelung, dass kein Abschiebe-Schutz für Asylwerber bei negativem Bescheid in erster Instanz besteht.
Nicht aufgehoben wurde vom VfGH hingegen die ebenfalls beeinspruchte Liste sicherer Dritt- und Herkunftsländer. Auch die Durchsuchungsbestimmungen und das Bundesbetreuungsgesetz ist verfassungskonform. Das Asylgesetz wurde von den Landesregierungen von Oö und Wien sowie vom unabhängigen Bundesasylsenat beeinsprucht. Insgesamt kritisierte der VfgH die legistische Qualität des Asylgesetzes. So gebe es Verweise auf Bestimmungen, die es gar nicht gebe. Systematisch sei das Gesetz "nicht gut gelungen", meinte Korinek.
Das Neuerungsverbot des Asylgesetzes sah vor, dass Asylwerber in zweiter Instanz nur dann neue Beweise vorbringen durften, wenn der Flüchtling "aufgrund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" nicht in der Lage war, diese vorzubringen. Doch Traumatisierungen lassen sich erst in einem Vertrauensverhältnis und nach längerer Zeit als solche erkennen und keinesfalls in einer Umgebung wie Erstaufnahmestellen binnen einer sehr kurz gefassten Frist. Diese Bestimmung war für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu eng gefasst, weshalb sie ersatzlos gestrichen wird, wie VfGH-präsident Karl Korinek am Freitag bekannt gab.
Das Neuerungsverbot an sich bleibt damit zwar in Kraft, allerdings können sich künftig alle Asylwerber auf eine "psychische und physische Sondersituation" und damit auf die Ausnahmebestimmungen berufen. Die Beweiswürdigung liege dann bei der Behörde.
Ebenfalls aufgehoben wurde von den Verfassungsrichtern jene Bestimmung, wonach der Abschiebeschutz endet, wenn in erster Instanz ein negativer Bescheid ausgestellt wird. Hier stünden dem öffentlichen Interesse einer raschen DurchFührung der Ausweisung mögliche Nachteile des Asylwerbers entgegen, meinte Korinek. So wäre etwa ein Berufungsverfahren aus dem Ausland kaum möglich. Die im Sinne der Menschenrechtskonvention nötige InteressensabwÀgung könne nur im Einzelfall vorgenommen werden. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung mache eine derartige InteressensabwÀgung unmöglich. Die Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden, eine Reparaturfrist gibt es nicht.
Die Regierung hatte hier mit der Dublin-Richtlinie argumentiert, die vorsieht, dass jenes Land für einen Flüchtling zuständig ist, über dessen Grenze er die Region betritt. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sei aber aus Dublin nicht zwingend abzuleiten, so der VfGH. De facto bedeutet das, dass eine Abschiebung im Rahmen von Dublin nicht zulässig ist, wie Korinek erläuterte.
Der dritte vom VfGH aufgehobene Passus bezieht sich auf eine Schubhaft-Bestimmung. Im Asylgesetz war vorgesehen, dass das Stellen eines erneuten Asylantrages nach rechtskräftiger negativer Erstentscheidung zur Verhängung der Schubhaft führt. Hier sehen die Richter eine "überschießende Wirkung". Es gebe durchaus fälle, wo ein Folgeantrag Chancen auf Erfolg habe - und zwar bei geänderter Sach- und Rechtslage. Das werde im Gesetz aber nicht beRücksichtigt. für diesen Punkt hat der VfGH eine Reparaturfrist bis zum 30. Juni 2005 gesetzt. Bei anhängigen Verfahren ist die Bestimmung allerdings nicht anzuwenden.
Ein anderer angefochtener Schubhaft-Passus ist hingegen sehr wohl verfassungskonform. Es darf dann eine Schubhaft verhängt werden, wenn sich der Asylwerber "ungerechtfertigt" aus der Erstaufnahmestelle entfernt. Das Gesetz sehe nämlich keinen ständigen zwangsweisen Aufenthalt in der Erstaufnahme vor, sondern nur bei fällen, wo die Mitwirkung im Verfahren nötig ist. Daher sei die Bestimmung keine freiheitsbeschränkende maßnahme und auch nicht unverhältnismäßig, so Korinek.
Eine Reihe von weiteren angefochtenen Bestimmungen des Asylgesetzes sind hingegen verfassungskonform. Nicht aufgehoben wurde etwa die Liste sicherer Dritt- und Herkunftsländer. Flüchtlinge, die aus diesen ländern kommen haben generell keinen Anspruch auf Asyl. Auch die Durchsuchungsbestimmungen und die Ausschlussgründe im Bundesbetreuungsgesetz hielten der VfGH-Prüfung stand.
Bei den sicheren Drittstaaten (Schweiz, Liechtenstein) gab es für die Verfassungsrichter "keine Argumente", dass in diesen ländern die Voraussetzungen für die Sicherheit im Allgemeinen nicht gegeben wäre. Auch bei den sicheren Herkunftsländern (EU-Staaten, Schweiz, Liechtenstein, Australien, Island, Kanada, Neuseeland und Norwegen) wurde aus Sicht des VfGH nichts vorgebracht, "was an der Sicherheit" der länder zweifeln ließe, wie VfGH-präsident Karl Korinek es formulierte. Die Liste solle bloß der Vereinfachung des Verfahrens dienen. Sie enthebe die Behörden aber nicht davon, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen.
Ein weiterer in diesem Zusammenhang angefochtener Passus wurde insofern hinfÀllig, als die Richter keinen praktischen Anwendungsbereich finden konnten. Demnach ist die Grenz-zurückweisung von Flüchtlingen möglich, die weder aus einem EU-Staat noch aus der Schweiz oder Liechtenstein nach Österreich einreisen. Von solch einem Nachbarstaat sei Österreich aber nicht umgeben, meinte Korinek. Und für die Einreise per Flugzeug gebe es wieder eine separate Bestimmung.
Strasser machte also offensichtlich Gesetze bevor er dachte!
Die Durchsuchungsbestimmung von Flüchtlingen entsprechen ebenfalls der Verfassung. Die Landesregierungen von Wien und OberÖsterreich hatten gemeint, dass der Durchsuchung von Kleidern und sonstigen Behältnissen keine Grenzen gesetzt seien. für die Verfassungsrichter geht aus dem Gesetz aber hervor, dass eine Durchsuchung nicht zulässig ist, wenn der Asylwerber selbst durch Vorlage der Dokumente und Gegenstände an der Sachverhaltsdarstellung mitwirkt. Die Bedenken der Beschwerdeführer seien daher nicht gerechtfertigt.
Und schließlich wurden auch noch Beschwerden gegen Ausschlussgründe im Bundesbetreuungsgesetz zurückgewiesen. Da mit dem neuen Gesetz im Gegensatz zu früher ein Rechtsanspruch fixiert worden sei, könne offensichtlich nicht von einer Verschlechterung für die Flüchtlinge gesprochen werden, meinte Korinek.
Das Höchstgericht hat allen, die Strassers Gesetz bekämpften, Recht gegeben. Das muß politische Folgen haben.
Ernst Strasser hat die Warnungen der besten Experten missachtet. Er hat alle Menschenrechtsorganisationen in diesem Land vor den Kopf gestoßen.
Er trägt persönlich die Verantwortung dafür, daß schwerst verfolgte, traumatisierte, von Folter und Tod bedrohte Menschen in unsichere Nachbarländer abgeschoben wurden, von wo sie jederzeit weitergeschoben werden können, bis sie wieder dort sind, woher sie geflohen waren.
Asyl in Not fordert die sofortige Einberufung des Nationalrats, damit über Strassers Amtsenthebung abgestimmt werden kann: Strasser muß fort. Er ist eine Schande für dieses Land.
Quelle: Der Standard, Asyl in Not, Presseinformation des VfgH
Dank an www.deranwalt.at, Kanzlei Dr. Wolfgang Rainer, von dem der comic übernommen wurde