Quellenangabe:
Erschlagen, vergraben, vergessen? Es reicht!! (vom 19.10.2004),
URL: http://no-racism.net/article/988/,
besucht am 21.11.2024
[19. Oct 2004]
Dokumentation eines Flugblattes der Coalition for Action zur Demonstration in Krems/Stein am 17. Oktober 2004, die trotz behördlicher Untersagung stattgefunden hat.
Erschlagen, vergraben, vergessen? Es reicht!!
Am 19. August 2004 starb ein 38 jähriger Nigerianer, Edwin Ndupu, in der Strafanstalt Stein unter bis jetzt ungeklärten Umständen.
Unseren Informationen zu Folge wurde Herrn Ndupu zuerst mit Tränengas und Pfefferspray ruhiggestellt und dann von ca. 15 Angehörigen einer speziell trainierten Einheit von Justizwachebeamten in voller SchutzausrÃŒstung so lange geschlagen, bis er nicht mehr in der Lage war aufzustehen, geschweige denn zu gehen. Er wurde in den berÃŒchtigten sogenannten "Keller" im 1. Stock der JA Stein getragen, wo er kurz darauf verstarb.
Edwin Ndupu wurde am 14. September am Friedhof in Krems begraben.
Dr. Hochmeister, Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts, führte zuvor eine Obduktion durch, deren Ergebnisse aber anzuzweifeln sind. Er diagnostiziert Fettembolie als Todesursache. Dr. Wilfried Wehner, eine anerkannten Autorität in Sachen Fettembolie aus Wilhelmshaven in Deutschland erklärt, dass Fettembolie als Todesursache nur die Folge eines schweren Unfalls und schweren Schocks sein kann. Dr. Wehner bekräftigt im Widerspruch zu den erklärungen Dr. Hochmeister und des Justizministeriums, dass unmöglich ist, dass sich Herr Ndupu Verletzungen dieses Ausmaßes selbst zugefügt haben könnte.
Ministerin Miklautsch jedoch belobigt und belohnt die beteiligten Beamten mit 2.000,- Euro persönlich. Eine anhängige gerichtliche Untersuchung (Aktenzahl Nr. 18UR16604S) beim Landesgericht Krems wurde nicht abgewartet. Sie greift damit in ein laufendes Verfahren ein. Mehr noch, sie als Justizministerin bestätigt damit, dass Mitglieder der Regierung nicht nur billigen, sondern belohnen, wenn Menschen durch Staatsorgane verletzt oder getötet werden und widerspricht damit sogar dem Anschein des Prinzips eines demokratischen Rechtsstaats. Angehörige von Exekutive und Justizwache scheinen immun und ihnen wird immer mehr das Recht zu tÃŒten zugestanden, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
Wir erinnern an Marcus Omofuma, Richard Ibekwe, Binali Ilter, Seibane Wague und alle anderen, die in den letzten Jahren unter Beteiligung von Staatsorganen getötet worden sind.
Wir sind über diese Entwicklungen zutiefst empört, denn eine derartige massive Untergrabung der individuellen Rechte jedes einzelnen Menschen, unabhängig davon, ob dieser Mensch StrafgefangeneR ist, unabhängig davon, ob dieser Mensch nicht ÖsterreichischeR StaatsbürgerIn ist, gefährdet jedeN EinzelneN von uns und liefert uns staatlicher Willkür aus. Die Geschichte Österreichs muss uns derartigen Entwicklungen gegenüber wachsamer machen.
Gefängnisse dienen nicht unserer Sicherheit. Gefängnisse sind voll mit sozial Benachteiligten. Marginalisierte und ihr überlebenskampf werden kriminalisiert. Gefängnisse dienen dazu, Menschen auszuschließen und wegzusperren. Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der ein großer Teil der hier lebenden Menschen von einem kleinen mächtigen Teil beurteilt, gerichtet und weggesperrt wird. Das ist es, was unsere Unsicherheit ausmacht.
Es geht nicht an, dass die einzige Konsequenz eines Todesfalls im Gefängnis wie der von Edwin Ndupu der Ruf nach mehr und besser ausgestatteten Justizwachebeamten ist. Sollen dann 30 Beamte einen Häftling erschlagen statt 15? Wir müssen umdenken, wenn wir nicht wollen, dass Österreich ein Polizeistaat wird, in dem die Rechte der hier lebenden Menschen nichts mehr gelten, in dem durch Bedrohungsszenarien unter dem Motto "Gefahr im Verzug" ununterbrochen der Ausnahmezustand herrscht.