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Quellenangabe:
Konzequenzen des Freispruchs von Emmanuel C. (vom 01.10.2002),
URL: http://no-racism.net/article/99/, besucht am 25.04.2024

[01. Oct 2002]

Konzequenzen des Freispruchs von Emmanuel C.

Freispruch mit Konsequenzen

Am 10.9. 2002 wurde Emmanuel C. nach Wiederaufnahme seines Verfahrens freigesprochen. Er war im Mai 1999 als angeblich führendes Mitglied einer "nigerianischen Drogenmafia" im Rahmen der in Medien und Politik hochgespielten "Operation-Spring" verhaftet worden. Ein Zeuge hatte seine Anschuldigungen gegen Emmanuel C. zurückgezogen. Das könnte weit reichende Folgen haben.

Ursprünglich war Emmanuel C. zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Ein anonymer Zeuge, der beim ersten Prozess gegen den Angeklagten ausgesagt hatte, hat nun aber seine Anschuldigungen zurückgezogen.

Er habe nur gegen den Beschuldigten ausgesagt, weil er mit der Polizei einen Deal eingegangen sei, der ihm eine milde Strafe zugesichert hätte, so der anonyme Zeuge vor Gericht.

Mit der sogenannten Operation Spring Ende Mai 1999 wollte die Exekutive ein Schlag gegen den sogenannten organisierten Drogenhandel landen. Nach mehrmonatigen Vorbereitungen, bei denen erstmals vom "großen Lauschangriff" Gebrauch gemacht wurde, waren 850 BeamtInnenen an Razzien in Wien, Graz, Linz und im niederösterreichischen Raum beteiligt. Mehr als 100 Personen, zum größten Teil aus afrikanischen Ländern, wurden verhaftet.


Kritik an Beweisführung


An der Beweisführung der Operation Spring-Prozsesse gab es vielfache Kritik von Menschenrechtsorganisationen und Rechtsanwältinnenen.Sie richtete sich vor allem gegen anonyme ZeugInnen, die, mit einem Helm unkenntlich gemacht, gegen die Beschuldigten aussagten. In einigen Fällen hat ihre Aussage zu Verurteilungen und mehrjährigen Haftstrafen geführt.

Besagter Zeuge hat aber auch in zumindest zehn weiteren Operation-Spring-Prozessen ausgesagt. Die Frage ist nun, ob diese Prozesse neu aufgerollt werden.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien sieht man derzeit keinen Anlass dafür und ist überzeugt, dass der Freispruch in der zweiten Instanz "repariert" wird.
Sektionschef Werner Pleischl aus dem Justizministerium ist da aber anderer Ansicht. Grundsätzlich sei es nach dem Gesetz so, dass es einen Wiederaufnahmsgrund bilde, wenn ein Beweismittel vorliegt, das allein oder zusammen mit den anderen einen anderen Ausgang des Verfahrens ermöglicht.

Auch Rechtsanwalt Richard Soyer, Spezialist und Buchautor in Sachen Wiederaufnahmeverfahren, spricht von einem akuten Handlungsbedarf bei der Staatsanwaltschaft. Die Prozesse müssten neu aufgerollt werden.

Die Zukunftsaussichten für den freigesprochenen Emmanuel C. sind trist, auch wenn er in zweiter Instanz freigesprochen werden sollte. Sein Asylantrag ist unter anderem wegen der Drogenprozesse abgelehnt worden.

Er wird wohl sofort abgeschoben werden. Das sei durchaus gebräuchlich bei freigesprochenen Menschen aus Nigeria, so dessen Anwalt, Lennhard Binder. Denn damit spare sich der Staat das Haftentschädigungsgeld.