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Änderung:
25.03.2002
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Prozess gegen die drei Fremdenpolizisten ... oder doch gegen Marcus Omofuma? Ein Resumeé der ersten beiden Verhandlungswochen |
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Der Prozess gegen die drei Fremdenpolizisten Index: - Opfer-Täter-Umkehr - Knebelungen - Unabhängige ZeugInnen? - Der rechte Anwalt - Abschiebungen als alltägliches Geschäft Dieser Text ist eine Erweiterung des Resumees der ersten Prozesswoche (12.03.02). Weitere Analysen scheinen erforderlich. Der Text wurde am 20.03.2002. fertiggestellt. Weitere Verhandlungstage: 08/04/02, 9:15: Vernehmung zweier Passagierinnen aus den Niederlanden 10/04/02, 9:15: Vernehmung des ersten medizinischen Sachverständigen 11/04/02, 9:15: Vernehmung des zweiten medizinischen Sachverständigen 15/04/02, 9:15: Vernehmung des dritten medizinischen Sachverständigen und vorauss. Urteilsfällung Ort: Der Prozess findet im Schwurgerichtssaal des Landesgericht Korneuburg (Hauptplatz 1) statt. Korneuburg liegt ca. 15km nördlich von Wien an der A22. Via Bahn ist es mit Zügen der S3 erreichbar, die im Halbstundentakt fahren. Der Prozess ist öffentlich, Plätze sind genug vorhanden. Begleitend zum Prozess werden in Korneuburg Protestaktionen gegen Abschiebungen stattfinden. |
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Am 4. März 2002 begann am Landesgericht Korneuburg bei Wien der Prozess gegen drei Fremdenpolizisten. Die Anklage lautet: "Quälen eines Gefangenen mit Todesfolge." Marcus Omofuma war am 1. Mai 1999 in ihrer Begleitung im Zuge einer gewaltsamen Abschiebung nach Nigeria gestorben. Für den Flug nach Sofia mit einem Flugzeug der Balkan Air war er mit Klebeband um Körper und Mund gefesselt und geknebelt worden. In zwei internationalen medizinischen Gutachten wurde Tod durch Ersticken festgestellt - als Folge der Fesselung und Knebelung; ein umstrittenes österreichisches Gutachten spricht von möglichem Tod durch Herzerkrankung. Die ersten
Verhandlungstage im voraussichtlich noch bis 15. April dauernden Prozess
waren gekennzeichnet von Verantwortungsverweigerung, Opfer-Täter-Umkehr
und Zynismus. Wenn von Marcus Omofuma gesprochen wurde, dann als tobende,
aggressive, schreiende, sich wehrende Person, die "tierische Laute"
von sich gab. Aus dem Opfer wurde ein Täter, die Täter zu armen,
unwissenden, nur ihre Pflicht tuenden Opfern. Der Angeklagte Josef B.
gestand vor Gericht (18.03.02), dass er Marcus Omofuma im Zuge der Abschiebung
als Drogendealer denunzierte, um nicht die Details des Asylverfahrens
erklären zu müssen; eine Rechtfertigung für Misshandlungen?
Das Szenario schafft ein eigenes Bild: Wäre Marcus Omofuma ruhig
gewesen, hätte er sich seinem "Schicksal" gefügt,
sich abschieben lassen - ihm wäre nichts passiert. ZeugInnen sprechen
im Prozess von der eigenen Befindlichkeit - der Anblick sei nicht schön
gewesen, man hätte Omofuma nicht in die Augen geblickt, da er das
als Provokation verstehen hätte können, man sei nicht informiert
gewesen, Abschiebungen würden nicht gern gemacht. Trotzdem hatten
sich die Fremdenpolizisten freiwillig dazu gemeldet. Die Sonderzahlungen
für Polizeieinsätze im Ausland waren offenbar ein starker Anreiz. Zur Durchführung
der Abschiebungen verwendeten die AbschiebebeamtInnen zumindest bis 1.Mai
1999 ein "Set" - bestehend aus Leukoplast, Klebebändern
und Klettverschlussbändern. Nur: wer hat das "Set", das
bei jeder Abschiebung "am Mann" ist - wie eine Dienstwaffe -
nun besorgt? Kollegen hätten die Klebebänder privat aus eigener
Tasche bezahlt, denn diese seien nicht im Budget inbegriffen. Auf die
Idee, sich das Geld zurückerstatten zu lassen, sei keiner gekommen.
Wer die "Sets" besorgt hätte, kann nicht mehr so genau
gesagt werden - sie wurden von Abschiebung zu Abschiebung an andere Beamte
weitergegeben. Anfang der 90er Jahre sei die Idee aufgekommen, Menschen
bei Abschiebungen den Mund zu verkleben. In Berichte über Abschiebungen
sei das nach Aussage der Angeklagten nie aufgenommen worden, war es doch
eine übliche, von allen BeamtInnen angewendete Praxis. So wie Essen
und Trinken. Essen und Trinken sei bei abzuschiebenden "Schwarzafrikanern"
jedoch nicht vorgesehen. Diese würden allgemein als gefährlich
eingeschätzt und bekämen oft nichts zu Essen, wie eine Stewardess
der Balkan Air angab. Bisher sind
im laufenden Prozess nur Personen vernommen worden, die ins Abschiebesystem
involviert waren bzw. sind: Polizisten, ehemalige Innenminister und die
Crew der Abschiebefluglinie. Bis jetzt nicht zu Wort gekommen sind unabhängige
ZeugInnen. Zwar waren PassagierInnen des betroffenen Fluges geladen, doch
wurde ZeugInnen aus Bulgarien lediglich Ladungen zugestellt, aber keine
Bemühungen angestellt, für diese Visa bzw. Flugtickets zu besorgen.
Gegen die Ladung von PassagierInnen des Fluges, auf dem Marcus Omofuma
erstickte, sprachen sich die Anwälte der Verteidigung, Rifaat und
Ofner, immer wieder vehement aus; die Schilderung der Angeklagten und
der Beamten vom Flughafen Schwechat, die routinemäßig bei Abschiebungen
Unterstützung leisten, sei ausreichend, den Fall zu rekonstruieren.
Es seien ohnehin schon Einvernahmen während der Voruntersuchung erfolgt.
Während des Prozesses wurde jedoch mehrmals ersichtlich, dass Widersprüche
zwischen den Aussagen der Angeklagten bei! Drei Tage
vor Prozessbeginn wurde bekannt, dass der ehemalige Justizminister und
derzeitige FPÖ-Justizsprecher Harald Ofner die Verteidigung eines
der drei angeklagten Beamten der Fremdenpolizei übernommen hat. Ein
gelungener medialer Schachzug. Darüber hinaus ergibt sich daraus
eine interessante Konstellation, die bis jetzt fast nicht beachtet wurde:
Harald Ofner (ehemaliger Justizminister und derzeitiger FPÖ-Justizsprecher),
dessen Parteifreund Dietmar Böhmdorfer (Rechtsanwalt und Justizminister
der FPÖ) und Staatsanwalt Demler, der dem gegenüber Justizminister
berichtspflichtig und weisungsgebunden ist. Abschiebungen als alltägliches Geschäft In der Befragung
der Crew-Mitglieder des Balkan-Air Fluges wurde deutlich, dass Abschiebungen
für Fluglinien und FlugbegleiterInnen zum alltäglichen Geschäft
gehören. Wenn Kritik an der Abschiebepraxis geübt wird, dann
nur in Bezug auf Befindlichkeiten von Fluggästen und Bordpersonal.
Die Fluglinien müssen dort angegriffen werden, wo es ihnen am meisten
weh tut: an der finanziellen Basis. Weitere Verhandlungstage: 08/04/02,
9:15: Vernehmung zweier Passagierinnen aus den Niederlanden Ort: Der Prozess findet im Schwurgerichtssaal des Landesgericht Korneuburg (Hauptplatz 1) statt. Korneuburg liegt ca. 15km nördlich von Wien an der A22. Via Bahn ist es mit Zügen der S3 erreichbar, die im Halbstundentakt fahren. Der Prozess ist öffentlich, Plätze sind genug vorhanden. Begleitend zum Prozess werden in Korneuburg Protestaktionen gegen Abschiebungen stattfinden. Infos und
laufende Prozessberichterstattung auf www.no-racism.net/racismkills |
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