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empowerment

Eine Schwarze Kritik am empowerment Abverkauf
In dahingehend noch immer vorherrschend weissen Arbeitszusammenhängen hat
sich empowerment mittlerweile auch hierzulande als ein trendiges, nicht mehr
weg zu denkendes Schlagwort etabliert. Empowerment ist als Grundlage und tool
in den vielschichtigen Befreiungsprozessen angesichts der allumfassenden
Realitäten und Dimensionen rassistischer und anderer Unterdrückungssysteme
entstanden. Elemente des empowerment-Konzeptes sind zum Teil insbesondere von
Entwicklungshilfe und Sozialarbeit übernommen worden. Auf diesem Weg sind diese
Elemente sinnentleert und kommerzialisiert worden; d.h. sie wurden letztlich in
einer verzerrten Form von NGOs für Projektanträge verwertet. Derzeit scheint
kaum ein Projektantrag ohne das Zauberwort vom empowerment auszukommen.
Dabei fällt auf, dass in diesen vorwiegend weissen Projektzusammenhängen
selten ganz klar ist, was die Beteiligten unter empowerment verstehen. Diese
Unklarheit spiegelt sich im Kontext des hierzulande vorherrschenden
antirassistischen Arbeitsbereiches wider. Ihm liegt ein vorwiegend von weissen,
rassistisch Privilegierten geführter weißer ∫antirassistischer" Diskurs zugrunde.
Dieser wiederum ist in Foucaults Sinne eines der Systeme, durch die Macht
zirkuliert. Die Frage, welcher Stellenwert der empowerment-Arbeit - d.h. Schwarzen
Befreiungsprozessen - vor diesem nicht thematisierten strukturellen
Hintergrund eingeräumt werden kann, führt sich also somit schon ad absurdum. Die diesem
System zugrundeliegende Macht und epistemische Gewalt kann nur ein Wissen
produzieren, dass uns als diejenigen über die etwas gewusst wird zu Objekten
macht über die in einem weißen Diskurs etwas gewusst wird. Dieses in der Praxis
ausgeübte und wahrgemachte Wissen macht uns so zu Objekten der Unterwerfung.
(vgl. S. Hall: Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht: In: Ders.:
Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften 2. 1994, 2, S. 137-179)
Hier gilt es vorerst diese schon selbstverständliche in ihrer Normalität
unsichtbar gemachte und tief verankerte weiße Dominanz sichtbarzumachen und
Schritt für Schritt zu bekämpfen.Die in selbstorganisierten, politisch Schwarzen (selbstdefinierter
Widerstandsbegriff für in Österreich rassistisch diskriminierte Menschen)
Zusammenhängen und zu dem auch darüber hinaus auch vereinzelt über die Jahre hinweg und
in tagtäglichen Überlebens- und Selbstbehauptungskämpfen entwickelten,
erkämpften und gelebten empowerment-Konzepte und Realitäten finden naturgemäß in
dieses System keinen relevanten Eingang, von Verankerung als federführende
Position ganz zu schweigen.


empowerment?
Die Unklarheit was unter empowerment zu verstehen ist, kommt wohl auch
daher, dass im deutschen Sprachraum empowerment nicht einfach übersetzt werden
kann, denn das Wort "Ermächtigung" enthält eine transitive Komponente (so als
könnte Macht von A auf B übertragen werden), die dem englischen Wort
empowerment eben fehlt. Mit dieser transitiven Komponente schleicht sich Paternalismus
in das Verständnis von empowerment. In seiner abzulehnenden paternalistischen
Form bemäntelt der Empowermentbegriff die Vorstellung, dass Mächtigere ihre
Macht an Ohnmächtige weitergeben. Damit bestimmen also die Mächtigeren,
welche Ressourcen sie weitergeben und was gut für die in dieser Vorstellung
Ohnmächtigen ist, die in dieser Form Entmündigte sind und bleiben. Um die
Paternalismusfalle von vornherein zu umschiffen, sollte empowerment daher besser mit
"Selbstermächtigung" übersetzt werden, oder es sollte von vornherein von
selfempowerment gesprochen werden, um den Begriff aus der sozialarbeiterisch
helfenden Traditionslinie wieder in den politischen Kontext der
Selbstorganisationen zurückzuholen.


empowerment/gouvernementalität/Partizipation
Der hype des empowermentbegriffes kann auch durch die mit ihm ev.
einhergehende promotion der neoliberalen Idee von der Selbstregierung
(governmentalität) erklärt werden. Empowerment macht die Leute fit fürs System, für den
Arbeitsmarkt, für politische Partizipation, etc.. Menschen, von denen angenommen
wird, dass sie sich irgendwie behaupten können, werden verantwortlich (gemacht)
nicht nur für ihr eigenes Leben sondern darüber hinaus noch für das
Funktionieren der Gesellschaft. Im Rahmen der Parameter der herrschenden Ordnung wird
die Regierungstätigkeit den Subjekten übertragen. Das Resultat ist
insbesondere Selbstkontrolle bzw. Selbstdisziplinierung. Systemkompatibles empowerment
führt in die Partizipationsfalle. Kritik wird integriert, d.h. via Dialog
und kleinen Zugeständnissen unschädlich gemacht. Grundlegende strukturelle
Mängel des politischen und ökonomischen Systems stehen nicht zur Disposition.
Politischer Kampf wird durch Eröffnung von Partizipationschancen und teilweiser
(diskursiver) Interessenverbindung (Jobsicherheit, Wirtschaftsstandort,
sozialer Friede, innere Sicherheit) hintangehalten.

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empowerment/politische Aktion
Empowerment soll dazu führen, dass sich rassistisch Diskriminierte nicht
trotz sondern gegen Rassismen durchsetzen und rassistische Machtasymmetrien
abflachen. Empowerment ist in diesem Sinne nicht einfach Vermittlung von
allgemeinen Handlungs- und Organisationskompetenzen sondern vielmehr Vorbereitung für
erfolgreiche Konfliktaustragung aus einer spezifischen sozialen Position
heraus; bzw. auch Vermittlung von Wissen, warum welche Konfrontationen (ab
welchem Zeitpunkt) nicht erfolgreich verlaufen sind. Mit der Vermittlung von
allgemeinen Handlungs- und Organisationskompetenzen werden auch bestimmte
politische Formen vermittelt, die durchwegs eingefahrene Formen der politischen
Partizipation darstellen. Wenn das Politische im Sinne von Rancière als jenes
Moment angesehen wird, in dem der Prozess der bürokratisch-politischen Verfahren
mit der Voraussetzung der Gleichheit so in Reibung gebracht wird, dass das
bisher Unsichtbare bzw. Unhörbare allgemein sichtbar und hörbar wird, dann ist
der Vermittlung von allgemeinen Handlungs- und Organisationskompetenzen die
Tendenz zur Entpolitisierung der späteren Handlungen schon eingeschrieben,
soferne nicht die Kompetenzen der erfolgreichen Konfliktaustragung hinzukommen.
Zum Schwarzen selfempowerment/Selbstermächtigungs Konzept
Ziel der Empowerment Arbeit es, laut der Schwarzen Empowerment Spezialitstin
Iyanla Vanzant (in Maureen Maisha Eggers 1999. Antirassistische
Mädchenarbeit, Autonomes Frauenhaus Kiel, S.62) die umfassenden Folgen der sozialen und
politischen Entmachtung Schwarzer Menschen zu beheben. Die Empowerment Arbeit
so Maureen Maisha Eggers weiter (1999:62) umfasst 3 Aspekte:
1. Der Prozeß durch den die unterdrückte Gruppe ein Bewusstsein über ihre
eigene gesellschaftliche Lage erlangt als Basis, daraus
2. Entwicklung von handlungsorientierten Perspektiven, Erlernen und
Entwickeln von effektiven Strategien sich selbst von den allumfassenden Ebenen
rassistischer Unterdrückung zu befreien.(dazu auch vgl. Dominelli, Jeffers
1995.Anti-racist Probation Practive, S.4: ["acknowledge the presence of racism and
consider it a political issue which must be tackled for the liberation of black
people"])
3. Aus der Umsetzung, aus dem tatsächlichen Handeln.
Selfempowerment kann nur von rassistisch diskriminerten Personen
selbst/gegenseitig erfolgen, wenn es um Selbstermächtigung gegen Rassismen geht. Diese
Ebene ist in der Empowermentdiskussion so gut wie unsichtbar, es ist ein
emanzipatorischer Arbeitsansatz derjenigen, die in den vorherrschenden vorwiegend
NGO-Zusammenhängen nicht über die Definitionsmacht verfügen.
Empowermentdefinition des equal ˆProjektes open up!
Empowerment kann allgemein gefasst werden als Stärkung der gemeinsamen
Handlungs-, Entscheidungs- und Interventionskompetenzen der gesellschaftlich
systematisch diskriminierten Gruppen/ politischen Einheiten.
(Kommentar: Allerdings sind stets die spezifischen Realitäten der
jeweiligen, mitunter auch ineinandergreifenden und sich so gegenseitig bestärkenden
Unterdrückungsssysteme zu betrachten.)


Bemerkungen zum Empowermentkonzept in der gewerkschaftlichen Arbeit
Der empowermentbegriff wird z.B. auch in der mitunter vorwiegend weiss
definierten, gewerkschaftlichen Arbeit verwendet (siehe Auszug), bezieht sich aber
dort nur auf die Entwicklung von Handlungs- und Organisationskompetenzen.
Hier wird die spezifisch rassistische Machtasymmetrie nicht mitbedacht, sondern
es wird von weissen, tendeziell auch männlichen handelnden Subjekten
ausgegangen. Daher kann ein solcher empowerment-Ansatz von Schwarzen Menschen nicht
1:1 übernommen werden.

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Weißes Depowerment als eine fruchtbare Grundlage für Empowerment
Wie schon dargelegt, führt sich vor dem Hintergrund antirassistischer Arbeit
das in vorwiegend weiße Arbeitszusammenhänge gestreute empowerment Konzept
ad absurdum. Stattdessen werden vorherrschende Machtverhältnisse und Co
Abhängigkeiten auf diese Weise durch weisse, paternalistische Arbeitskonzepte auch
zementiert und reproduziert. Die Thematisierung des eigenen Weissseins,
mitsamt den ihm zugrunde liegenden Machtverhältnissen und dem ihm zugrunde
liegenden Gewaltpotential ist hier hinsichtlich der Entwicklung eines kritischen
Bewusstseins von grundlegender Bedeutung. Auf Basis dieses dahingehenden
Bewußtsseinsprozesses über die ∫eigene‚ Lage, gilt es auch handlungsorientierte
Perspektiven und letztlich ∫selbst‚ Handlungen zu setzen, die dem ∫eigenen‚
weissen Gewalt- und Machtpotential entgegenwirken.


Allianzenbildung
Was rassistisch privilegierte, weisse Menschen tun können, ist Allianzen mit
diskriminierten Gruppen gegen Privilegien einzugehen. Ressourcen werden im
Falle einer Allianz nicht gönnerhaft transferiert. Vielmehr werden die
Ressourcen und andere Machtpotentiale von Diskriminierten und Privilegierten in der
Allianz im Hinblick auf eine politische Auseinandersetzung gegenüber Dritten
verbunden. Von Privilegierten werden Ressourcen zugänglich gemacht, die von
den Diskriminierten im Rahmen gemeinsamer Aktionen in Anspruch genommen werden
können. Der Profit der beteiligten Privilegierten besteht in dem Fall darin,
dass sie sich in der Allianz möglicherweise gegen andere Fraktionen von
Privilegierten durchsetzen und ihre ideologischen Vorstellungen, wie die
Gesellschaft aussehen sollte, besser durchsetzen können. In der unmittelbaren
Interaktion zwischen den Alliierten kann aber auch ein depowerment der
Privilegierten notwendig sein, weil auch dieser positiven Kooperation eine unhintergehbare
gesellschaftliche Machtasymmetrie zugrundeliegt.


Erträumte Visionen
Die Vision von empowerment ist allerdings nie ein einfach nur ein sozialer
Plätzetausch sondern die einer allumfassende Befreiung und erfordert daher
auch eine kritische Auseinandersetzung mit der angesichts der systematischen
Entmachtung, erträumten Macht und Ermächtung. "Dieser Prozess (empowerment)
setzt ein, wenn wir beginnen zu verstehen, auf welche Weise Herrschaftsstrukturen
das eigene Leben bestimmen, wenn wir ein kritisches Bewusstsein und die
Fähigkeit zum kritischen Denken entwickeln, wenn wir neue alternative
Lebensgewohnheiten ersinnen und aufgrund dieses marginalen Raums von Differenz in uns
Widerstand leisten." (bell hooks: In Yearning - Sehnsucht und Widerstand,
Kultur, Ethnie, Geschlecht: Berlin 1996)

 

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