W E I ß H E I T
Diese weiße Ethnizität zu ignorieren heißt, ihre Hegemonie
zu verdoppeln, indem sie als natürlich dargestellt wird.
(Coco Fusco in bell hooks: In Yearning - Sehnsucht und Widerstand. Kultur, Ethnie,
Geschlecht: Berlin 1996, S. 180)
Allein die Praxis des Benennens und Ansprechens der Weißheit steht in
unserem österreichischen Kontext und somit auch in der bislang noch vorwiegend
weißen ‚antirassistischen’ Arbeitspraxis noch in den Kinderschuhen.
Weißheit bleibt zumeist völlig unthematisiert und so wird die ihr
zugrundeliegende Macht und Gewalt fortlaufend als Normalität zementiert,
realisiert und ihre Hegemonie durch die ihr zugeschriebene Neutralität
so auch verdoppelt.
Um in diesem meinem Kontext also überhaupt von einer: ‚vorwiegend
weißen ‚antirassistischen’ Arbeitspraxis’ zu sprechen
d.h. Weißheit als solches zu benennen bedarf es für mich als vereinzeltes
schwarzes Subjekt an Radikalität und eines ernormen Kraftaufwandes. Meinen
dahingehenden Mut und meine Entschlossenheit lese ich mir von Schwarzen AktivistInnen,
TheoretikerInnen und PraktikerInnen an, die sich zwar außerhalb dieses
unmittelbaren, österreichischen Kontextes verorten, mich in meiner Position
aber dennoch zu bestärken vermögen.
Weißsein als realisiertes Konzept das Rassismus zugrunde liegt, ist also
neben der globalen Dimension weißer Superiorität, zu dem von seinen
jeweils spezifischen historisch verankerten nationalen Realitäten geprägt.
Das für den österreichischen Kontext spezifische, zumeist in Schweigen
gehüllte Konzept der Weißheit wird hier selbst in der sogenannten
antirassistischen Arbeitspraxis noch in sehr selbstverständlichen Dimensionen
realisiert. Noch nicht einmal der explizite in-your-face-old-school-Rassismus
bzw. Antisemitismus gilt hierzulande weitgehend als ein unbedingt zu sanktionierendes,
sozial geächtetes Tabu.
Die Prozesse der Dekonstruktion weißer Normalitäten sind integrierte
und essentielle Bestandteile der vielschichtigen Schwarzen Befreiungs- und Widerstandskämpfe
angesichts rassistischer Unterdrückung und Machtausübung. Und so lassen
sich tiefgreifende und fortlaufende Auseinandersetzungen mit den jeweils auch
kontextspezifischen Weißheiten auch nicht von diesen emanzipatorischen,
politischen Kämpfen trennen. Die vor diesem Hintergrund mitunter tagtäglich
gelebte und explizit formulierte Schwarze Kritik ist eine für die jeweilige
nationale Realität maßgeschneiderte. Werden Fragmente aus ‚etablierteren’
Schwarzen Kritikdiskursen wie etwa aus dem US-amerikanischen Kontext also einfach
nur direkt nach Österreich importiert, und hier als exquisite theoretisch-progressive
Selbstkritikhäppchen serviert, entsteht so etwas wie eine ‚Pseudo
Thematisierung’. Entzieht sich ‚die österreichische Weißheit’
doch auf diesem Weg ganz eloquent den praxis- und handlungsorientierten lokalen
Schwarzen Kritiken und einer dahingehenden Auseinandersetzung mit der eigenen
spezifisch österreichischen Weißheit.
Neue Nische am kritischen Intellektuellenmarkt?
Nein Danke!
Um die der Weißheit zugrundeliegenden Dimensionen der Machtausübung
und Gewalt nicht einfach zu reproduzieren darf die Thematisierung der Weißheit
nicht bei einem von der praktischen Realität völlig abgehobenen symbolischen
selbstrepräsentativen P.C.– PRakt bleiben. Die Dynamik der Dekonstruktion
der Weißheit als fortlaufender politischer Prozess innerhalb antirassistischer
Kämpfe liegt gerade in der Verbindung von Theorie und Praxis. Vor diesem
Hintergrund darf es nicht darum gehen eine weiße ‚antirassistische’
Kritikelite zu bilden die ihre Weißheit ‚pseudo thematisiert’
und von dieser Nische aus Diskurse produziert, die es ihr ermöglichen sich
wieder in die eigene weiße Progressivität zu verlieben. Auf diesem
Weg wird Schwarze Kritik in diesem exklusiven, mächtigen weißen ‚kritischen’
Diskursen für die Selbstrepräsentation einer antirassistischen Weißheit
nutzbar gemacht. Weißheit wird so nicht dezentriert sondern erhält
lediglich ein kritische Verpackung, die ihr zugrundeliegende tagtäglich
realisierte mächtige Gewalt bleibt ungetastet und normalisiert.
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