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Megaprojekte und Neokolonialisierung in Kolumbien    
  el desaparecidio
12.02.2001
   
       

Nordwestkolumbien ist geradezu prädestiniert für eine wirtschaftliche Erschliessung und ein Kanalbauprojekt zwischen Atlantik und Pazifik. Angesichts eines zunehmenden Warenflusses und Handelsverkehrs in Zeiten der wirtschaftlichen Globalisierung sind solche Megaprojekte von hoher Bedeutung. Für die Durchsetzung ökonomischer Interessen wird nicht davor zurück gestreckt, - wie bereits die spanischen Eroberer vor 500 Jahren - die Bevölkerung zu vertreiben und die dem im Wege stehenden sozialen Bewegungen mit grausamer Gewalt zu beseitigen.

Es ist Weihnachten 2000 in Juradó, in einer Gemeinschaft der indigenen Emberras an der Pazifikküste Kolumbiens. Wie wohl Millionen von anderen Menschen auf der Welt ist Armando Achito mit seiner Familie und Freunden zu Hause. Paramilitärs platzen um 6:30 h morgens in seine Wohnung und erschiessen ihn mit 4 Schüssen. Auf dem Rückweg machen sich die Paramilitärs durch weitere Schüsse hörbar und nehmen die zur Kommunikation notwendige Funkanlage mit. Armando war ein indigener Anführer und organisierte seit Jahren den Widerstand für die Anerkennung des Rechtes auf Leben und Selbstbestimmung seiner Gemeinschaft in dieser Gegend, die jedoch genau dort liegt, wo die Mündung des interozeanischen Kanals geplant ist. Die Botschaft ist klar: wer hier Widerstand organisiert, wird mit der gleichen Bestrafung gedroht, also haut ab, bevor die nächsten dran sind. Manchmal wird auch ein ganzes Dorf pauschal bedroht. Einige Tage davor mussten nicht weit von dort, im Norden des Caucas, 6000 Menschen fliehen, die meisten aus Schwarzen Gemeinschaften. In Kolumbien wird die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlingen auf fast 2 Millionen Menschen geschätzt, etwa die Hälfte aus Schwarzen Gemeinschaften. Im letzten Jahr gab es 30.000 Mordopfer wie Armando Achito.

Panamakanal zu klein

Der uruguayanische Schriftsteller Eduardo Galeano wird öfters zitiert: "Das Problem Lateinamerikas ist nicht ihre Armut sondern ihr Reichtum". Die geopolitisch strategische Lage Kolumbiens ist unbestreitbar, es ist wie eine natürliche Handelsdrehscheibe des Weltmarktes. Das Land hat Zugang zu beiden Ozeane und ist die natürliche Brücke zwischen Nord- und Südamerika. Die Bedeutung dieser Gegend des Planeten haben bereits die spanischen Eroberer erkannt, als sie auf Möglichkeiten zur Verbindung von Atlantik und Pazifik hinwiesen. Um die Kontrolle über diese Gegend zu erhalten, orchestrierten die USA bereits 1903 die Trennung von Panama aus Kolumbien. Der Panamakanal war immer nur eine von mehreren möglichen Varianten für die Verbindung der Weltmeere. Andere Varianten in Mexiko, Nicaragua und Kolumbien sind seit Jahrzehnten im Gespräch. Erst nach der Eröffnung des Panamakanals 1914 verzichteten die Nachbarstaaten auf eigene Projekte. Das der mit mehreren Schleusen arbeitende Panamakanal jedoch beschränkte Kapazitäten hat, wurde bereits vor 30 Jahren erkannt und ließ die anderen Varianten wieder aufleben. Nach den Vorstellungen der internationalen und nationalen Investoren, in deren Auftrag Planungskommissionen in den verschiedenen Länder tätig sind, sollte es nach der Jahrtausendwende, als die Kontrolle der (bis dahin von den USA beanspruchten) panamenischen Kanalzone in die Hände der Regierung Panamas überging, nicht mehr lange dauern, bis für den internationalen Warentransport auch andere Optionen zur Verfügung stehen.

Nun soll es so weit sein. Der technische veraltete Panamakanal ist für die wachsenden Warenströme in Zeiten der wirtschaftlichen Globalisierung zum Nadelöhr und Hindernis geworden. Schiffe mit mehr als 60.000 Tonnen können ihn gar nicht passieren, üblich sind heute bis zu 250.000 Tonnen fassende Schiffe. Auch kleinere Frachter stauen sich an den Schleusen des Kanals und müssen tagelange Wartezeiten in Kauf nehmen. Für die 'just in time'- Wirtschaftslogik ist der Panamakanal ein Alptraum.

Die geopolitschen Verhältnisse haben sich im Laufe der Jahre auch stark verändert. Die südostasiatischen Märkte und Wirtschaftsstandorte Japan, Taiwan, Südkorea ... und insbesondere das bald in die WTO eintretende China haben stark an Bedeutung gewonnen. Zentralamerika bekommt als geographische Schnittstelle zwischen Nord- und Südamerika, aber auch zwischen Europa und Südostasien eine wichtigere Bedeutung, nicht nur als Transportknotenpunkt, sondern auch als Produktionsstandort. Diese neoliberale Entwicklung passt wunderbar in den Vorstellungen des Freihandelsabkommen der Amerikanischen Staaten (FTAA), das im April 2001 in Quebec, Kanada, auf dem Summit of the Americas von 34 Staatschefs verhandelt wird und entspricht den Erwartungen der zentralamerikanischen Regierungen, die sich Investitionen in der Maquila-Industrie erhoffen.

Neue Wirtschaftszonen erschliessen

Die wirtschaftlichen Entwicklungen drängen also auf den Bau eines Kanals und die Erschliessung der Zone. Beim Bau eines leistungstarken interozeanischen Kanals handelt es sich in der Regel um sogenannte "trockene Kanäle", also moderne Eisenbahnstrassen und Autobahnen, die jeweils Häfen der Pazifikküste mit Häfen auf der Pazifikküste mit Häfen an der Atlantikseite verbinden sollen.

Der im Untergrund lebende und mehrmals mit Tod bedrohte kolumbianische Ökonom Hectór Mondragón weist insbesondere auf vier 'Land-Fluss-Hafen' Verkehrswege hin und die dort stattfindenden Entwicklungen:

A - Der interozeanische 'trockene' Kanal Atrato - Truando (nach den anliegenden Flüssen benannt) mit seinen Verbindungen zur Eisenbahnstrecke Medellín-Buenaventura und die Autobahnen des Pazifiks nach Medellín und Pereira

B - Die Autonbahn Urabá-Maracaibo und die Verbindung Antioquia - Venezuela

C - Die Verbindung der Flüsse Orinoco, Meta mit der Stadt Buenaventura

D - Die Verbindung des Flusses rio de la Plata - Amazonas - Napo - Putumayo - Tumaco, mit einem großen Hafen in Puerto Asís

"Um die zwei ersten Zonen (A+B) haben die größten Vertreibungen durch Gewalt stattgefunden. Um die Kanaltrasse sowie um die geplante Autobahn Urabá-Maracaibo findet ein Riesenprozess der Enteignung statt. Land wird massiv gekauft, begleitet durch eine starke Präsenz von Paramilitärs, die durch die Käufer finanziert werden. Zwischen 1985 und 1994 haben die Vertreibungen ca. 700.000 Menschen betroffen, während im Zeitraum von 1995 bis 1999 die Zahl der Vertriebenen bei über einer Million liegen (89.000 in 1995, 181.000 in 1996, 257.000 in 1997, 308.000 in 1998 und 225.000 zwischen Januar und September 1999). Sogar die Regierung gibt zu, dass 381.755 Menschen zwischen 1996 und 1998 vertrieben wurden. Folglich liegt die Zahl der Vertriebenen zwischen 1985 und 1997 weit über 1.700.000 Menschen." Mondragón weist auch auf die 425 jährlichen Massaker hin und spricht von 'sozialem Genozid'. "Sie müssen anfangen, dieses Wort zu gebrauchen" sagte er bei einer Hörung vor EU ParlamentarierInnen im Dezember 2000.

Da Kolumbien nicht über das notwendige Kapital verfügt, um selbst Bauherr der Projekte zu werden, ist eine gemischte private und öffentliche Finanzierung vorgesehen. Es wird versucht, ausländische Konzerne und Investoren für das Projekt zu gewinnen. Angesichts der Vielzahl interozeanischer Projekte in Zentralamerika sollen den Investoren möglichst günstige Anlagebedingungen geboten werden. Ökologische Bedenken und Sozialstandards bleiben dabei als erstes auf der Strecke - kein Wunder, schließlich geht es hier um Milliardensummen. Die Ingenieursvereinigung Asociación de Ingenieros del Valle schätzt in einer Studie den jährlichen Gewinn eines Kanals auf 1,314 Milliarden US Dollars, die Sociedad Geográfica de Colombia gar auf 1,878 Milliarden US Dollar (Periódico 1997). Hinzu kommen noch weitere große Projekte zur Ausbeutung von Rohstoffen und genetischen Ressourcen. In der Region Chocó lagern Gold, Platin, Silber, Bauxit, Mangan, radioaktives Kobalt, Zinn, Chrom, Nickel, Kupfer, Edelhölzer, und es gibt große Fischbestände. Die Erdölreserven in Kolumbien sind gewaltig. Mit gutem Grund verkünden Geschäftsleute: "Wir wollen aus dieser Region ein gigantisches Unternehmen machen." (Kolumbien-Monatsbericht 1997, S.4)

Angegriffen von den Paramilitärs

Die im Schussfeld der Paramilitärs stehende Bevölkerung des Gebietes zwischen den Ozeanen lebt vorwiegend von den Agrarprodukten der Region, die als eine der ärmsten und von jeglicher Entwicklung ausgeschlossenen Regionen des Landes gilt. 70 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nur 55 Jahre. Am schlimmsten ist die Situation der Gemeinschaften im Departement Chocó, deren BewohnerInnen (90% Afro-KolumbianerInnen, 5% Indigena der Kuna, Embera, Wounan, Noanamá und Katía sowie 5% Weiße und MestizInnen) zu Hunderte an heilbaren Krankheiten sterben. Der nunmehr schwerste Angriff auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung bleiben jedoch die Aktivitäten der Paramilitärs. Diese arbeiten deutlich Hand in Hand mit der Regierung und der korrupten Oligarchie. Die Lage spitz sich gerade enorm zu, seitdem die kolumbianische Regierung von Präsident Pastrana, forciert durch die USA, den sogenannten Plan Colombia beschloss. Das mit etwa 7 Milliarden Dollar veranschlagte Konzept zur definitiven Befriedung des südamerikanischen Andenlandes soll nach offizieller Verlautbarung vor allem das Geschäft mit den Drogen bekämpfen, sowie durch 'Sozialprogramme' die 'Demokratisierung' fördern. Die wirtschaftlichen Interesse dieser Gegend liegen jedoch auf der Hand. Die bäuerlichen, indigenen und insbesondere die schwarzen Gemeinschaften dieser Gegend leisten einen täglichen Widerstand gegen diese Megaprojekte und diese neoliberale Entwicklung. Ihr Widerstand ist hauptsächlich ein kultureller Widerstand für die Anerkennung ihrer Autonomie, Selbstbestimmung über das Land, auf dem sie leben und das Recht eine Lebensform zu erhalten, die mit Kapitalismus wenig zu tun hat. Diese Forderungen wurden bereits Anfang der 90er nach einem breiten Prozess der sozialen Auseinandersetzung sogar in die Verfassung niedergeschrieben. Die Schwarzen Gemeinschaften haben bereits mehrere Gebiete 'titulisiert', d.h. gemäß dieser Rechtsgrundlage als kollektives Eigentum und autonom erklärt. Doch die wirtschaftlichen Interesse sind zu gross, und es gilt die Region zwischen den Ozeanen zur Ruhe zu bringen, auch wenn diese eine Friedhofsruhe ist.

Kontakte knüpfen

Das Thema ist in den industrialisierten Ländern noch unbekannt. Die Indigenen und Schwarzen Gemeinschaften fangen gerade erst an, Kontakte in Europa und Nordamerika zu knüpfen und im Rahmen der jungen antikapitalistischen Proteste gegen die mächtigen Institutionen wie WTO, IWF und Weltbank bekannt zu machen. Sie rufen die Grasswurzelzusammenhänge aus Europa und Nordamerika dazu auf, sie im Widerstand zu unterstützen und selbst in ihren Ländern autonome Gebiete aufzubauen. Sie schlagen auch vor, gerade in den Gebieten der selbstbestimmten Schwarzen Gemeinschaften, auf denen diese Megaprojekte vorgesehen sind, 'Schutzonen' mit einer massiven internationalen Präsenz von UnterstützerInnen aufzubauen. Diese würden mit ihnen zusammen zu leben und dadurch zivilen Ungehorsam leisten, für ein selbstbestimmtes Leben und gegen eine der grausamsten Ausdrucksformen des Kapitalismus, die Neokolonialisierung, Umweltzerstörung und Morde an Menschen im Namen von wirtschaftlichen Interessen. VertreterInnen der Schwarzen Gemeinschaften kommen gerade nach Europa, um mehrere Gruppen zu besuchen, über die Situation zu informieren und langfristig die politische und logistische Grundlage für einen solchen 'acompañamiento' (Begleitung) in die Wege zu leiten.

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