Kollektiv
gegen Abschiebungen (Collectif contre les expulsions):
Prozess wegen Teilnahme an Aktionen gegen Abschiebungspolitik
Am 18.3.
tritt die Chambre du conseil (Ratskammer) zusammen, um zu entscheiden,
ob gegen 7 Gendarmen, darunter 3 Offizieren, die den Tod von Semira Adamu
am 22. September 1998 zu verantworten haben, einen Prozess geben soll.
Ähnlich wie Marcus Omofuma in Österreich, war sie im Zuge ihrer
Abschiebung nach Nigeria im Flugzeug gestorben, erstickt durch ein Kissen,
mit dem ihre Begleiter ihre Schreie unterdrücken wollten.
Am Tag darauf,
dem 19. März 2002, werden 18 AktivistInnen des "Kollektiv gegen
Abschiebungen", wegen Teilnahme an 5 Aktionen, die im Jahr 1998 stattgefunden
haben, vor Gericht stehen.
In den beiden Anklagedossiers werden 22 Anklagepunkte auf die 18 Personen
verteilt, wobei einige wenige in besonders vielen Punkten angeklagt sind.
Am 29. Juni
1998 war ein Gefangenenwagen blockiert worden, in dem ein Minderjähriger
aus Somalia zum Flughafen gebracht und abgeschoben werden sollte. 12 Personen
sind in der Folge wegen Zerstörung von beweglichem Eigentum und mutwilliger
Verkehrsbehinderung angeklagt.
Am 21. Juli
konnten nach einer Kundgebung zur Unterstützung von Semira Adamu
25 Inhaftierte aus dem geschlossenen Zentrum in Steenokkerzeel fliehen.
8 Personen wird die Zerstörung eines Drahtgitters, Beihilfe zur Flucht,
körperliche Bedrohung und versuchte Brandstiftung vorgeworfen. Ebenso
8 Leute und einer der Inhaftierter sind zudem wegen Körperverletzung
angeklagt.
Am 18. August
wurde wiederum ein Gefangenenwagen blockiert. Darin befand sich ein junges
Mädchen aus der Gruppe der am 21. Juli geflüchteten. Während
der Blockade wurden mit Farbe gefüllte Eier auf den Wagen geworfen.
Die Anklagepunkte lauten: mutwillige Verkehrsbehinderung (3 Personen),
Zerstörung von beweglichem Eigentum (3) und Aufstand (1 Person).
Am 14. Oktober
fand vor dem geschlossenen Zentrum in Steenokkerzeel eine Demonstration
gegen Abschiebungen und geschlossene Haft statt. 3 AktivistInnen wurden
in der Folge wegen gewalttätigem Aufstand bzw. Zerstörung eines
Drahtgitters angeklagt.
Am 10. Dezember
gab es eine Aktion vor dem Parlament aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums
der Menschenrechtserklärung. Anklagepunkte: bewaffneter Aufstand
(2 Personen), gewalttätiger Aufstand
(4 Personen), Körperverletzung bei einem Beamten (1 Person), illegaler
Waffenbesitz (1 Person) und Beamtenbeleidigung (3 Personen).
Dazu kommen
verschiedene Demonstrationen in der "neutralen Zone" (23 und
24. September (= die zwei Tage nach Adamus Tod), 10. Dezember), davon
eine vom 2. Juli 1997 im Rahmen einer Aktion der "ilôt Stevin".
Das markanteste
beim Lesen der mehr als 1000 Seiten umfassenden Dossiers ist laut dem
"Kollektiv gegen Abschiebungen" die Anhäufung von zurückgehaltenen
Anklagepunkten und das Bild einer organisierten und gewaltbereiten Gruppe.
(Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Aktionen von einer
organisierten Gruppe ausgeführt wurden und vorher geplant waren.)
Auch dass im Text Beweise durchwegs fehlen, stimmt die AktivistInnen wenig
optimistisch.
Besonders
kritisiert wird ausserdem, dass die Aktionen des Kollektivs aus dem politischen
Rahmen entfernt und in einen rein rechtlichen Zusammenhang gestellt werden.
Dadurch werden sie ihrer Sinnhaftigkeit beraubt und die von den AktivistInnen
aufgeworfenen Fragen beiseite geschoben.
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