Graz:
Kulturhauptstadt Europas, Rassismus
19.01.2003 |
no-racism.net | deportatiNO |
Offener
Protestbrief der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus gegen die rassistische
Wahlpropaganda der FPÖ Graz im Grazer Gemeinderatswahlkampf Pressekonferenz des Ausländerbeirats in Graz über Schikanen der Polizei (25.12.2002) |
Kontrollen würden oft in erniedrigender und menschenunwürdiger Weise durchgeführt. Der Arbeitskreis beruft sich auf Berichte von Betroffenen und Betreuungseinrichtungen. Die Amtshandlungen beinhalteten Leibesvisitationen, bei denen sich die Betroffenen auch auf offener Straße ausziehen müssten sowie das Fotografieren und Erfassen der Personen. Diese "Routinekontrollen" finden laut Schreiben auf öffentlichen Plätzen, in Lokalen und Geschäften, aber auch zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Flüchtlingsunterkünften statt. Die Auswirkungen
seien bei den Betroffenen deutlich sichtbar: "Unbegleitete minderjährige
AsylwerberInnen afrikanischer Herkunft sind mittlerweile zutiefst verunsichert
und verängstigt. Sie vermeiden es immer häufiger, öffentliche
Plätze und Institutionen aufzusuchen, wagen es oft nicht mehr, ihre
Unterkünfte zu verlassen", heißt es in dem Schreiben. Währenddessen beteuert der Spitzenkandidat der FPÖ für den Grazer Gemeinderat Peter Weinmeister "Ich bin kein Rassist und Ausländerfeind und war auch nie einer". Grazer Flüchtlingsunterstützungsgruppen hatten Positionen aller Stadtparteien zu Integration und Rassismus eingeholt und veröffentlicht, Weinmeister fühlt sich unvollständig und falsch zitiert. In einem Interview mit dem Standard war Weinmeister mit den Zitaten "Humanitätsduselei für Störenfriede" und "Drogen und Schwarze lassen sich nicht trennen" wiedergegeben worden. Nun schrieben einige Leute aus Graz einen offenen Brief an die EU-Kommissäre Franz Fischler und Viviane Reding, in dem die Rücknahme des Titels "Kulturhauptstadt Europas" für Graz gefordert wird. Für
Proteste in Graz sorgt jetzt auch der FPÖ-Wahlkampfslogan "Drogendealer
in die Karlau (Grazer Gefängnis, Anm.) und nicht in den Gemeindebau".
Der Text war vorerst "nur" auf Plakatständern zu lesen, seit
einigen Tagen ist er auch auf Straßenbahnwaggons der Grazer Verkehrsbetriebe
angebracht. Dass Menschen den Text als rassistisch verurteilen, weil die
Öffnung der Gemeindewohnungen für Nicht-ÖsterreicherInnen
ein Thema im Grazer Wahlkampf ist, lässt Peter Weinmeister nicht am
Slogan zweifeln: "Der Spruch ist nicht so gemeint, zeigt aber wichtige
Problemfelder auf." Offener Protestbrief der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus gegen die rassistische Wahlpropaganda der FPÖ Graz im Grazer Gemeinderatswahlkampf Graz, 17.01.03
Sehr geehrter
Herr Vizebürgermeister Weinmeister!
Die überparteiliche ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus protestiert in aller Entschiedenheit gegen die von der FPÖ vorgenommene Affichierung von rassistischen Wahlplakaten in den Straßenbahnen bzw. Bussen der GVB sowie auf Plakatwänden. Die von der FPÖ favorisierte Parole „Drogendealer ab in die Karlau statt in den Gemeindebau“ ist ebenso rassistisch wie sachlich unhaltbar. Rassistisch ist diese Parole deshalb, weil sie die von einigen Gemeinderatsfraktionen seit langem zu Recht geforderte Öffnung von Grazer Gemeindewohnungen für alle rechtmäßig sich aufhaltenden AusländerInnen (also auch für DrittstaatenausländerInnen!) mit der diffamierenden Kampagne „Ausländer sind Drogendealer“ verknüpft. An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass unseres Wissens keine einzige wahlwerbende Gruppe, welche eine Öffnung der Grazer Gemeindebauten für DrittstaatenausländerInnen einfordert, gleichzeitig Drogendealer in Gemeindebauten unterbringen möchte, weshalb sich jene Parteien, welche diese Forderung erstmals tatkräftig unterstützen, sich nicht als heimliche Steigbügelhalter für Drogendealer verunglimpfen lassen müssen. Wir möchten daher darauf hinweisen, dass nahezu alle NGOs, welche mit DrittstaatenmigrantInnen und Asylwerbern sowie Flüchtlingen arbeiten, die Forderung nach Aufenthaltsverfestigung mit Staatsbürgerschaft und unverzüglichem Zugang zum Arbeitsmarkt seit Jahren als die angemessene Integrationsperspektive von allen Parteien in der Stadt, im Land und im Bund dringend einmahnen. Jene Grazer Gemeinderatsfraktionen, welche diese uralte und berechtigte Forderung von menschenrechtspolitischen NGOs endlich in ihr Wahlprogramm aufnehmen, verdienen daher Respekt auch vom politischen Gegner und nicht Diffamierung.
Die Parole „Drogendealer ab in die Karlau statt in den Gemeindebau“ strotzt auch vor absurden Verstößen gegen Logik und Hausverstand. Glauben Sie, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, allen Ernstes, dass Sie bzw. die FPÖ jemals kontrollieren können, ob ein unbescholtener in- oder ausländischer Bürger sich um eine Gemeindewohnung bewirbt oder ob es sich beim Bewerber um einen Drogendealer handelt? Glauben Sie, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, tatsächlich, dass Drogendealer bei der Bewerbung um eine Gemeindewohnung im diesbezüglichen Formular die Berufsbezeichnung „Drogendealer“ angeben, damit sie von der FPÖ oder von der Bürgerwehr sofort erkannt werden können? Sitzen im Vergabeausschuss für Grazer Gemeindewohnungen nicht auch VertreterInnen Ihrer, der Freiheitlichen Partei, welche - einen berechtigten Verdacht vorausgesetzt! – jederzeit ein Veto bzw. Strafanzeige einbringen können? Allein diese von uns vorgebrachten Fragen verdeutlichen die inhaltliche Substanzlosigkeit und die propagandistische Phraseologie der FPÖ-Parole, welcher es ausschließlich darum geht, auf menschenverachtende Weise zu polarisieren, den populistischen „starken Sager“ an die Stelle einer echten Suchtpräventionspolitik zu setzen und mittels inhaltlicher Substanzlosigkeit, garniert mit rassistischen Untergriffen, die politische Ideen- und Visionslosigkeit der Freiheitlichen Partei einmal mehr auf unwürdigste Weise unter Beweis zu stellen.
Im Übrigen dürfen wir Sie, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, daran erinnern, dass Ihre Freiheitliche Partei Graz, übereinstimmend mit allen anderen Gemeinderats- und Stadtsenatsfraktionen, für das Projekt „Menschenrechtsstadt Graz“ im Grazer Gemeinderat gestimmt haben. Ihre seit mehreren Monaten praktizierte, mit rassistischen Vorurteilen kokettierende Drogen- und Ausländerpolitik repräsentiert eine „petitio principi“ gegen die grundsätzlichen Ziele unserer Menschenrechtsstadt, was ich Ihnen bei einer Diskussion im SMZ Liebenau im Vorjahr auch „face to face“ mitgeteilt habe. Ich darf Ihnen als überzeugter Träger der Idee der Menschenrechtsstadt Graz, unserer geliebten Landeshauptstadt, mit respektvollem Nachdruck mitteilen, dass die von Ihnen gesetzten Aktivitäten von der unsäglichen Bürgerwehr bis hin zu den Drogendealer-Gemeindebau-Plakaten dem Image und dem Ansehen unserer Menschenrechts- und Kulturhauptstadt massivsten Schaden zufügen. Sie scheuen aus wahltaktischen Überlegungen nicht einmal davor zurück, das von allen anderen Stadtsenat- und Gemeinderatsfraktionen und von den NGOs über Jahrzehnte hinweg mühsam erarbeitete Image der Menschenrechtsstadt durch eine vor Rassismus triefende Wahlpropaganda ohne viel Nachdenken zu zerstören bzw. die wahltaktischen Kalküle über langfristige menschenrechtspolitische Ziele unserer Landeshauptstadt zu stellen. Das erfüllt uns, die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, zahlreiche befreundete Institutionen und Personen, welche sich um die Menschenrechtsstadt seit Jahren bemühen, mit Scham, Trauer und Zorn.
Da ich Sie in unseren bisherigen Gesprächen immer wieder als sehr offenen und dialogfähigen Partner kennen gelernt habe, würde es mich wirklich interessieren, welche Motive und Kalküle für eine derart rassistische Wahlpropaganda im Brennpunkt stehen und wie Sie ganz persönlich diese rassistische Wahlkampfpropaganda mit den grundsätzlichen Zielen der Menschenrechtsstadt Graz in Einklang bringen wollen? Für ein persönliches Gespräch stehe ich Ihnen daher gerne zur Verfügung!
Den Grazer Stadtwerken ist die sogenannte „Unterlassungssünde“ vorzuwerfen, nämlich bei einer selbst für Nicht-Experten offensichtlichen rassistischen Wahlpropaganda nicht sofort deren Anbringung in den GVB-Bussen und Straßenbahnen zu untersagen, ungeachtet der Tatsache, ob es dafür entsprechende Richtlinien gibt oder nicht und zwar deswegen, weil der Inhalt der Plakate eindeutig menschenverachtend und rassistisch ist. Wir ersuchen daher dich, sehr geehrter Herr Direktor der Grazer Stadtwerke, lieber Wolfgang Messner, ganz herzlich, diesen rassistischen Unfug in unserem öffentlichen Eigentum GVB unverzüglich entfernen zu lassen, weil auch du als Führungskraft eines der wichtigsten Grazer Unternehmen für das Ansehen und Wohlergehen der Menschenrechtsstadt Graz mitverantwortlicht bist, und weil wir dich als grundsatzpolitisch sattelfest kennen!
Die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus appelliert daher abschließend an Sie, lieber Herr Vizebürgermeister, diese rassistischen Plakate aus unserem Stadtbild zu entfernen, und die ARGE appelliert an Herrn Stadtwerkedirektor Dr. Wolfgang Messner, zumindest aus den GVB-Bussen und Straßenbahnen diese Werbeplakate zu entfernen und stattdessen Richtlinien zur Antidiskriminierungspolitik in der Werbung der GVB gemeinsam mit Grazer NGOs und anderen Behörden und ExpertInnen zu entwickeln. Wir hoffen, dass unser Appell an zwei wichtige Führungskräfte der Stadt Graz nicht ungehört verhallt und würden uns über eine kurze Stellungnahme freuen. Ich hoffe, Sie können unserer, von zahlreichen anderen ExpertInnen geteilten Kritik zustimmen. Ich verbleibe abschließend mit der Bitte um Ihre geschätzte Stellungnahme sowie
mit den besten Grüßen
Christian
Ehetreiber
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