Stopp Plan Colombia

Spezial | International Newsport | Archiv | Linx

 
no-racism | globalised resistance | stopp plan colombia | texte |    
Interview mit Alfonso Cassiani Herrera (PCN)    
  erschienen in megafon jan 2001
19.12.2000
   
       

Frage: Mit welchem Hintergrund setzt sich der PCN in Verbindung mit der Mobilisierung gegen das WEF in Davos?

Alfonso: Die Stimmen von unzähligen Menschen äussern sich in allen Ecken eines globalisierten Universums, der stumm, blind und taub gegenüber der Armut, dem Hungers und dem Elend von Millionen Menschen auf diesem Planeten ist. Es ist eine Realität, der keine Gemeinschaft dieser Welt entkommt, sei sie schwarz, indigen, abendländisch, asiatisch usw. Mitten in dieser Situation haben sich die im PCN organisierten schwarzen Gemeinschaften zur Aufgabe gesetzt, mit wachsender Kraft unsere Freude, unsere Lebensvorstellungen und den Recht auf Anderssein und auf Vielfalt erneut zu bestätigen. Während wir mit Schemen brechen und gegen die Angriffe des Systems Widerstand leisten, haben wir beschlossen, uns mit anderen Menschen, "combos", FreundInnen aus allen Ecken und Orte zusammenzuschließen, die genau wie wir vom Aufbau einer gerechten Welt träumen.
Ursprung unserer Begegnung waren die Aktionen in Genf 1998, dann die Interkontinentale Karawane im Mai und Juni 1999, dann die zweite PGA Konferenz in Bangalore und anschließende Treffen in Lateinamerika, wie die Arbeitsgruppen zu gender. Davos ist also ein weiterer grosser Schritt, bei dem wir uns zusammenschliessen, um die Utopie weiter auszubauen, insofern dass die Utopien der marginalisierten, an den Rand gedrängten Menschen der Welt zu gemeinsamen Träumen zusammenfinden, die das System in Alpträume wandeln möchte. Konkreter bedeutet das, dass sich in Davos über 40 Konzerne treffen werden, die direkt im bewaffneten Konflikt Kolumbiens verwickelt sind (den Konflikt, den sie nicht mit 'Krieg' bezeichnen möchten). Vier davon sind Schweizer Konzerne. Hinzu kommt der Kolumbianische Präsident Andres Pastrana, der, nachdem er den von den USA geplanten und finanzierten Plan Colombia in Gang gebracht hat, seine Geschäfte weiterzuführen und Davos als einen Flohmarkt benutzen will, um das Land zu verkaufen und die Naturressourcen an den besten Anbieter vergeben. Zur gleichen Zeit finden in Kolumbien weiterhin Massaker, Vertreibungen aus unseren Gemeinschaften und die Plünderung von Naturressourcen statt. Die Vertreibungen finden genau dort statt, wo das transnationale Kapital der Konzerne, die sich in Davos treffen, das Land kolonisiert.

Frage: Wir versteht ihr euch im Zusammenhang des globalen Widerstandes, der jetzt nach Davos mobilisiert?

Alfonso: Wir als Schwarze Gemeinschaften verstehen uns mitten in diesem Prozess des globalen Widerstandes als natürlicher Teil eines vielfältigen und politisch reichen Prozesses, an dem wir uns mit unserer Visionen beteiligen. Diese kommt aus den Traditionen und dem Wissen unserer Vorfahren: das, eine Gemeinschaft zu sein. Gemeinschaftliches sein ist der Ausdruck dieser Tradition, die es geschafft hat, an den Stränden, am Meer, an den Flüssen, den Wäldern und Urwäldern ihre Räume für das kulturelle Schaffen und Wiedererschaffen einer ethnischen Gruppe, die eng mit einer permanenten Praxis der Freiheit verbunden ist. Genau wie wir uns also wie ein weiterer Teil der Natur empfinden, wie ein Wesen mehr, das mit anderen Wesen, Pflanzen, Tieren und der Umwelt im allgemeinen zusammen leben soll, so verstehen wir uns als integraler Bestandteil der Kämpfe der marginalisierten Menschen in der Welt, zusammen mit unseren compas aus Europa, Asien, Afrika, mit denen wir alles von uns hergeben, alles was wir gewesen sind und alles was wir sind, damit die zukünftigen Generationen sein können oder mindestens einen Grund haben zum weiterkämpfen.
So. Alles das, die Beziehungen zu den Vorfahren, die Vision, die traditionelle Praxis, das Wissen....sind in drei Elementen verwurzelt: der Identität, der Autonomie und dem Lebensraum. Die Identität ist das Recht auf Sein, weiterhin in der Vielfalt sein und der Respekt des Anderssein. Die Autonomie sehen wir als die Möglichkeit, unser Anderssein in unserer Vision auszuüben, ausgehend von den Lehren unserer Vorfahren und der Notwendigkeiten der Gegenwart, um uns auf die Zukunft vorzubereiten. Der Lebensraum (territorio) ist diese reiche natürliche Bühne, dieser Raum unserer Vorfahren, in dem wir aufgewachsen sind, dieser notwendige Raum, um das Sein auszuleben. All dies in der Überzeugung, dass es viel gibt, was wir (an euch) weitergeben können und viel, was wir (von euch) lernen können. Insofern sind wir, weil andere sind. Weil unsere Kämpfe sich insofern begründen, wie andere auch kämpfen. Wir sind autonom mitten in der Autonomie aller, sofern der Wohlstand und die Möglichkeiten uns alle schützen.

Frage: Wie soll es denn über Davos hinaus aussehen?

Alfonso: Im grossen Ganzen fängt diese Dynamik der Annäherung, des Widerstandes, des Finden und Zusammenkommens nicht in Davos und auch nicht mit dem Plan Colombia an, und sie wird auch nicht mit diesen aufhören. Das heisst, der Plan Colombia ist der Anlass des Momentes und Davos die aktuelle Bühne, bei der unsere Kämpfe zusammenfließen und auch weitergeführt werden, genau wie sie Genf, Seattle oder Prag erreicht haben. Denn unserer Kampf basiert nicht auf Momenten und spezifischen Bedingungen. Unser Kampf ist auch nicht einer, der darauf abzielt, Konfrontationen innerhalb der Grenzen zu führen, die von den Nationalstaaten bestimmt werden. Die Aggressionen des Kapitals, wie beispielsweise der Plan Colombia, können nicht als ein spezifisches Problem Kolumbiens und schon gar nicht als ein internes oder nationales Problem unabhängig des transnationalen Kapitals angesehen werden. Es handelt sich eindeutig um eine von den USA geplant und geleitete offene globale Aggression gegen die Region, mit der Unterstützung und Beteiligung von einigen Europäischen Staaten, die ihre Kapitalinvestitionen zu schützen versuchen. Dazu sind sie bereit, mit Feuer und Blut die sozialen Bewegungen und die kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen, die täglich die Absurditäten und Aggressionen des herrschenden Systems in Frage stellen.
Im spezifischen Fall der Schwarzen Gemeinschaften, werden die Traditionen unserer Vorfahren gebrochen, diese Formen, die uns historisch geprägt haben und die als Grundlage das Leben selbst haben, weil unsere Option immer das Leben war und sein wird. Ein Leben in Einklang mit unseren Traditionen und Erwartungen, geleitet durch das von unseren Vorfahren vererbtes Wissen im Rahmen harmonischer Beziehungen mit der Natur und der Umwelt. Es geht uns also darum, den verschiedenen Kämpfe der schwarzen, indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften, der Studierenden, der Jugendlichen, der Vielfalt von Menschen, die genug von dieser absurden herrschenden Ordnung haben, die Möglichkeit zu geben zu kommunizieren. Deshalb haben wir uns zur Aufgabe gesetzt, uns mit ethnischen und territorialen Organisationen, Kollektiven, Gruppen und verschiedene Formen der Organisation, ausgehend vom Rahmen unserer Möglichkeiten zu solidarisieren und zu kooperieren. Es geht uns um eine langfristige Perspektive, über die Tageskonjunktur hinaus, die gleichzeitig eine Weiterführung der gemachten Erfahrungen und auch Kontinuität im Rahmen der Utopie, die wir gemeinsam aufgebaut haben.

Frage: Auf welcher Basis soll die Kooperation mit den europäischen Zusammenhängen passieren ?

Alfonso: Der Prozess ist eine Annäherung der verschiedenen Realitäten der Schwarzen Gemeinschaften und Europa und umgekehrt. Es handelt sich auch nicht um ausschliessliche Beziehungen zu den europäischen Realitäten. Es geht uns darum, globale, weite, offene, horizontale, antipatriarchale Beziehungen aufzubauen, die durch Nicht-Macht (no poder) bestimmt sind. Sie müssen klar antikapitalistisch sein. Diese Beziehungen sollen sich auf den verschiedenen Szenarien der Welt artikulieren und die Realität Lateinamerikas, Asien und Afrikas, sowie die der Gemeinschaften und marginalisierte Kollektive Europas und Amerikas, mit einbeziehen und verantworten. In dem Sinne ist es wichtig zu betonen, das wir uns als Prozess der Schwarzen Gemeinschaften als Teil der historischen Kämpfe der Schwarzen in der ganzen Welt verstehen. Diese sind wiederum mit den Kämpfen der marginalisierten und vom System unterdrückten Menschen verbunden.
Es muss auch gesagt werden, dass die Grundsätze unseres Kampfes, Identität, Autonomie und Lebensraum nicht exklusive Elemente der Schwarzen Gemeinschaften sind. Mehr noch, wir möchten diese Begriffe als mögliche Leitfäden vorschlagen, die uns allen ermöglichen könnte, diese grosse Utopie zu stricken.

.  
 

mailto: no-racism.net