In Kolumbien
steht das Wasserkraftwerk Urra I vor der Fertigstellung. Im April wurde,
wie schon mehrmals zuvor, ein Vertreter der betroffenen Indigenen der
Embera Katio von Todesschwadronen ermordet. Und wie bei ähnlichen
Projekten, etwa auf den Philippinen oder in Kurdistan, ist auch diesmal
die Vöest Alpine MCE am Bau beteiligt.
Der Bau des
Kraftwerks in der Provinz Cordoba im Norden Kolumbiens wurde 1991 beschlossen
und 1993 begonnen. Urra I wird mit 340 Megawatt die Größe eines
Donaukraftwerks haben, etwa 7.400 Hektar Land am Rio Sinú überfluten
und 3.000 Indigene der Embera Katio vertreiben. Ungefähr 20.000 Menschen
leben dort vom Fischfang, der durch den Stau des Flusses vernichtet wird.
Ein Teil des Baugebiets liegt im geschützten Naturreservat Paramilo.
Die Zufahrtsstraßen werden schon jetzt von Großgrundbesitzern
genutzt, den Wald für Rinderweiden niederzubrennen.
Todesschwadronen
Die Embera
wehrten sich von Anfang an gegen das Projekt, was zunächst die Errichter
nicht weiter berührte. Die Betreibergesellschaft Empresa Multiproposita
Urra I S.A., ein Unternehmen der kolumbianischen staatlichen Gesellschaft
Corporacion Electricita de Costa Atlantica (CORELCA), beauftragte zunächst
die schwedische Firma Skanska als Generalunternehmer. Da die Embera mit
ihren Forderungen auf taube Ohren stießen, besetzten sie 1996 daher
die schwedische Botschaft in Kolumbien und verhandelten einen Kompensationsvertrag
mit der Urra S.A.. Obwohl der Vertrag abgeschlossen wurde, beschloß
danach der Aufsichtsrat der Urra S.A. auf Anregung des zuständigen
Ministeriums für Bergbau und Energie sich nicht an die Vereinbarungen
zu halten.
Die Embera brachten daher eine Klage ein, die 1998 in ihrem Sinne vom
Obersten Gericht Kolumbiens entschieden wurde und das seitdem die Fertigstellung
des Kraftwerks blockiert. Als Reaktion auf den Widerstand der Embera hatten
lokale Grundbesitzer, die von Urra I profitieren, eine paramilitärische
Einheit namens "Autodefensas de Cordoba y Uraba" (Selbstverteidigung
von Cordoba und Uraba), gegründet, die seit 1997 Todesdrohungen verschickt.
Erste Bedrohte war Ana Cecilia Betancur, Anwältin des kolumbianischen
Dachverbandes der Indigenen (ONIC); ONIC unterstützt die Embera Katio
von Beginn an. Als die Embera im Februar 1998 mit Unterstützung von
ONIC die Klage einbrachten, wurde das Büro von ONIC mehrmals von
Unbekannten auf Motorrädern oder in Autos ohne mit gefälschten
Nummerntafeln direkt bedroht.
Am 25. August 1998 ermordeten die Autodefensas den wichtigsten Anführer
der Embera, Alonso Dominco Jarupia. Außerdem hinterließen
sie eine Liste mit weiteren fünf Personen. Der Berater von ONIC in
Fragen der Anthropologie, Efrain Jaramillo, wurde im September von den
Autodefensas "informiert", daß er "zum Tode verurteilt
worden sei", weil er "ein Ideologe der Guerilla sei". Ein
weiterer Mitarbeiter von ONIC, Hector Mondragon, verließ mit seiner
Familie, die ebenfalls mit dem Tode bedroht wurde, Kolumbien.
Währenddessen erhielten auch MitarbeiterInnen der Menschenrechtsabteilung
der Generalstaatsanwaltschaft in Bogota, die Menschenrechtsverletzungen
aufklären sollen, Todesdrohungen. Der Staatsanwalt dieser Abteilung,
der den Mord an Alonso Jarupia aufklären soll, sagte eine Ermittlungsreise
in die Provinz Cordoba wegen mangelnder Sicherheit ab.
In den letzten Monaten eskalierten die Todesschwadronen ihre Kampagne.
Im November hatte der Oberste Gerichtshof für die Embera entschieden,
sodaß das Kraftwerk nur mehr mit Zustimmung dieser fertig gebaut
werden kann. Am 24. Dezember und am 29. Jänner ermordeten die Todesschwadronen
insgesamt sechs Personen, am 31. Jänner errichteten sie eine Straßensperre
am Rio Sinú und entführten zehn Menschen, die seither verschwunden
sind.
Am 24. April schlugen die Todesschwadronen erneut zu und ermordeten Lucindo
Domico Cabrera, der als Sprecher der Embera aufgetreten war und im Gesundheitsdienst
der Provinz arbeitete. Zwei maskierte Männer drangen in sein Haus
ein und liquidierten Cabrera kaltblütig.
Die
Täter
Es wäre
ein einfaches, die Täterschaft alleine auf lokale Grundstückspekulanten
und die Autodefensas zu schieben. Gebaut und finanziert wird das Kraftwerk
jedoch wieder einmal von den Industrieländern, im konkreten Fall
mit einem Finanzierungsanteil von 60% der Errichtungskosten. Beteiligt
daran sind die schwedische Firma Skanska, die russische Energomachiexport,
die kanadische staatliche Exportfinanzierungsgesellschaft Export Development
Corporation (EDC), die skandinavische Investitionsbank Nordik Investment
Bank, die Weltbank und, wie so häufig, Österreich.
Die Vöest Alpine MCE, Teil der VA Tech, erhielt von Skanska einen
Auftrag, wonach sie auf der von lästigen Indigenen gesäuberten
Baustelle diverse Stahl- und hydraulische Ausrüstungen liefern soll.
Der Auftrag sollte bis Ende Oktober 1998 beendet sein, ob das angesichts
der Bauverzögerungen noch immer Stand der Dinge ist, ist unbekannt.
Jedenfalls hat die Vöest auch die Technische Universität Graz
in diesen Auftrag mit eingebunden.
Weiters kann eine staatliche Exportfinanzierung bzw. Haftungsgarantien
der Österreichischen Kontrollbank, die zudem ein Kooperationsabkommen
mit der EDC von Kanada hat, als äußerst wahrscheinlich angenommen
werden.
Urra I wurde von der kolumbianischen Planungsgesellschaft Consultatoria
Colombiana S.A. geplant, mit der die österreichischen Consultingunternehmen
ILF (Ingenieurgemeinschaft Lässer & Feizlmayr) und Geoconsult
kooperieren. Die ILF ist bei prekären Baustellen kein unbekanntes
Unternehmen, war sie doch in die Planung von Stollen und anderen Anlagen
für das Militär in Taiwan und in Saudi-Arabien eingebunden.
Da einem Lieferauftrag bei Kraftwerken in der Regel ein Planungsauftrag
an ein Consultingunternehmen desselben Landes vorausgeht, ist eine teilweise
Planung aus Österreich ebenfalls alles andere als unwahrscheinlich.
Unterstützung
An die Firmenmanager
zu appellieren scheint aussichtslos. Immerhin ließ sich das Management
von Vöest und Elin schon in den 70er Jahren auf Kraftwerksbaustellen
nicht vom Weiterbau abhalten, obwohl Arbeiter - selbstverständlich
nur philippinische - auf der Baustelle standrechtlich erschossen wurden.
Erst als die Guerilla auf Mindanao zwei Elin-Angestellte erschoß,
zog sich die Firma zurück.
Die Vöest kennt sich auf jeden Fall in Kolumbien bestens aus, das
Management fühlt sich unter den gegebenen Verhältnissen geschäftlich
sehr wohl. Als eines von mehreren Kraftwerken in Kolumbien war die Vöest
1985 an Salvajina beteiligt, etwa so groß wie Urra I. 5.000 Indigene
wurden vertrieben, ihre archäologische Kunst und Kultur versank im
Staubecken. Kommentar des damaligen Montage-Chefs, nunmehr in der VA Tech-Hierarchie
aufgestiegenen Fritz Rauchdobler: "Das Kraftwerk Salvajina ist von
einer Größenordnung, wie sie in Österreich von Bürgerinitiativen,
die keine Initiative haben, verhindert werden".
Mittlerweile versuchen viele große Umwelt- (Environmental Defense
Fund, etc) und Menschenrechtsorganisationen (amnesty international, Survival
International, Gesellschaft für bedrohte Völker u.a.) durch
internationale Kampagnen zu verhindern, daß die Todesschwadronen
weiterhin ungehindert morden können.
Die Zielrichtung der Kampagnen sind die kolumbianische Regierung, Botschaften
und staatliche Behörden, sowie staatliche Einrichtungen der Industrieländer,
die an der Finanzierung beteiligt sind. Näheres ist bei amnesty international
usw. zu erfahren.
Der kolumbianische Staatspräsident freut sich immer auf Post.
President
Andres Pastrana Arango
Casa de Narino
Carrera 8 no. 7-26
Santafa de Bogota, D.C.
Colombia
Fax: (+57-1) 286 6842
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