"Operation
Spring" Hauptverhandlung gegen den Schriftsteller Charles Obiora C-Ik Ofoedu
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Inhalt: Urteil
im Prozess gegen Charles O. Bericht vom 13.10.00. weitere
Texte: |
Rassismus in Österreich: Operation Spring - Verurteilung von Charles O.
Noch
kein Ende des Prozesses gegen Charles O.?
Staatsanwaltschaft akzeptiert kein Unentschieden
Der Freitag der 13te beginnt gut. Wiedereinmal muss die Staatsanwaltschaft unter hämischem Grinsen der Verteidigung den Strafantrag gegen Charles O. einschränken. Die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation gemäß § 278a StGB wird ihm nicht mehr vorgeworfen. Die Gelder, die Charles für andere überwiesen hat, seien als Privatvermögen der Dealer zu betrachten. Sie waren quasi deren Erlöse und seien somit aus dem Machtbereich der kriminellen Organisation ausgeschieden. So irgendwie. Denn selbstverständlich gebe es diese kriminelle Organsiation, meint die Staatsanwältin mit Nachdruck.
Aufgrund dieses offensichtlichen Beweisbarkeitsmangels bleiben gegen Charles nur der Vorwurf der (wissentlichen) Geldwäscherei gemäß § 165 (2) und (3) StGB sowie der Vorwurf der falschen Zeugenaussage in einem ausgeschiedenen Parallelverfahren übrig. Die ZeugInneneinvernahme beginnt angenehm. Frau P. erklärt dem Gericht, woher ein großer Teil des Geldes auf dem Sparbuch von Charles stammt, nämlich von ihr, um das nächste Buchprojekt von Charles zu unterstützen. Außerdem habe er Subventionen von Kulturamt und Integrationsfonds bekommen. Die Staatsanwältin ist sich nicht zu blöd, Frau P. nach einem sexuellen Verhältnis zu Charles zu fragen. Frau P. gibt weiters an, Charles habe ihr auch von den Überweisungen erzählt, was er wohl ihrer Meinung nach kaum getan hätte, wenn er gewußt hätte, dass es sich dabei um Drogengelder handelt. Als er dann einmal zu einem Kranken wegen einer Überweisung gerufen worden sei und sich der Mann als gar nicht krank herausstellte, da habe Charles sein Vertrauen mißbraucht gefühlt und seitdem nichts mehr überwiesen. Der Bericht über die Lebensumstände von Charles wurde ebenfalls von Frau P. eingeleitet. Charles habe bis zu seiner Verhaftung ein kleines und völlig überfülltes Untermietzimmer bei einem Medizinstudenten über einer Tischlerei im 20sten Bezirk bewohnt. Über größere Geldbeträge habe er nie verfügt. Er habe immer für seine künstlerischen Projekte gespart. Auch die anderen ZeugInnen, die mit ihm Kulturprojekte begonnen haben, können sich v.a. an Charles´ Hilfsbereitschaft - die ihm von einer Zeugin regelrecht als übertrieben vorgeworfen wird - sowie daran erinnern, dass er nie Geld hatte und sie ihm nach den Treffen immer das Bier und manchmal auch das Essen bezahlt haben.
Sehr viele AfrikanerInnen seien ständig wegen irgendwelcher Behördenprobleme an ihn herangetreten. Das psychiatrische Gutachten, mit dem die Verteidigung zu beweisen versuchte, dass Charles in Stress-Situationen dazu neige, unkontrolliert Unsinn zu reden, erbrachte nichts dergleichen. Auf dieser Ebene waren die Vernehmungsprotokolle von Polizei und Untersuchungsrichterin nicht in Zweifel zu ziehen. Anschließend berichtet Inspektor F. von der erstaunlich entspannten Atmosphäre, in der das mehr als fünfstündige zweite Verhör von Charles noch innerhalb von 48 Stunden nach seiner Verhaftung bei der Polizei stattgefunden hat. Angeblich habe Charles selbst auf einer Vernehmung in Deutsch bestanden. Dies wurde seltsamerweise nicht im Protokoll vermerkt. In etwas breiterem wiener Dialekt betont der Inspektor, dass Charles perfekt deutsch spreche und eigentlich eh alles verstanden habe. Ca. zur Halbzeit - also nach zweieinhalb Stunden - sei aber dann doch eine Dolmetscherin aus dem Nebenraum zugezogen worden, weil das den Beamten plötzlich wichtig erschien. Auch dazu ist nichts im Protokoll vermerkt. Inspektor F. gibt an, dass eigentlich sein Kollege das bessere Englisch spreche. Logischerweise (?) sei deshalb dieser an der Schreibmaschine gesessen, während es die Aufgabe des weniger Sprachbegabten Inspektor F. war, die Fragen zu formulieren. Dabei habe er das Protokoll von der ersten Einvernahme hergenommen und die "Widersprüche abgeklopft". Bezüglich der fehlenden Brille meint Inspektor F. nur, dass Charles sich das Protokoll sehr wohl durchgelesen habe. Er habe es sich einfach in der richtigen Distanz hingelegt und es so "fokussiert". Rechtsanwalt Fehringer verzichtet auf den Vorhalt des Augennervenleidens (Starkast?) von Charles, das nichts mit Kurz- oder Weitsichtigkeit zu tun hat. Jedenfalls habe die Dolmetscherin das Protokoll zum Schluss Wort für Wort übersetzt. Dass Charles angibt, er habe das Geld für die anderen Leute überwiesen, weil diese teilweise keine entsprechenden Papiere gehabt hätten, bezeichnet Inspektor F. als Schutzbehauptung. Es sei nämlich laut seinen eigenen Erhebungen bei Western Union bis zu einem Betrag von 200.000.- ATS gar nicht notwendig, einen Ausweis zu zeigen. (Der höchste von Charles überwiesene Einzelbetrag beläuft sich auf 96.000.- ATS). Leider wird hier die Frage nicht gestellt, warum Charles dann überhaupt seinen Ausweis bei jeder Überweisung hergezeigt hat, da er doch gewußt haben soll, dass es Drogengelder waren. Naja. Inspektor B, der das Protokoll getippt hat, antwortet auf die Fragen des Richters mit genau den gleichen Worten wie sein Kollege vor ihm. Diesmal bohrt Rechtsanwalt Fehringer etwas stärker nach. Es geht darum, ob Charles damals ausgesagt hat, dass er zum Zeitpunkt der Überweisung davon wußte, dass es sich um Drogengeld handelt, oder ob z.B. durch eine unsaubere Übersetzung das Protokoll seine Worte falsch wiedergebe, weil er zwar zum Zeitpunkt der Einvernahme wußte, dass es sich um Drogengeld gehandelt hat, nicht jedoch zum Zeitpunkt der Überweisung. Diese juristisch entscheidende Feinheit scheint Inspektor B nicht beizubringen zu sein, weshalb er drei mal seine Version wiederholt (die Interpretationen in beide Richtungen offenlässt), bis es dem Richter zu blöd wird und er den Zeugen so interpretiert, dass Charles es zum Zeitpunkt der Überweisung gewußt hat. Damit war der Schuldspruch bezüglich der Geldwäscherei quasi vorweggenommen. Einzig die Einvernahme der damals zu spät hinzugezogenen Dolmetscherin hätte hier noch was ändern können, aber das war nicht zu erwarten.
Zunächst war mal Pause und der Richter kündigte an, dass er nun den anonymisierten Zeugen (AZ1) vernehmen wolle, natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Verhandlungssaal wurde großräumig abgeschirmt. Das Publikum musste sich am Gang hinter eine Glastüre zurückziehen und ausserdem wurde gefinkelterweise in einem anderen Stockwerk weiterverhandelt. Nach ca. 45 Minuten versammelten sich alle wieder im Saal 106. Nun wurden Charles die Aussagen des AZ1 vorgehalten. Charles habe im China-Restaurant Willkommen immer an einem Cheftisch gesessen und Instruktionen erteilt, zum Beispiel die Omofuma-Demeonstration organisiert. Er sei meistens den ganzen Tag dort gewesen. Mit Drogen habe er ihn nie gesehen und er sei auch nie mit einem der Dealer aufs WC gegangen. Aber er habe Gelder übernommen und unter dem Tisch gezählt, sodass niemand sehen konnte, wieviel es war. Jedenfalls habe er eine führende Rolle in der Organisation gespielt. Offenbar ist diese Aussage selbst der Staatsanwältin zu dünn, weil sie es nicht auf sich nimmt, den Strafantrag wieder auf organisierte Kriminalität auszudehnen. Charles reagiert auf Vorhalt dieser Aussagen etwas ungehalten, beschwert sich darüber, dass er den AZ1 nicht sehen durfte. Dies sei einer zivilisierten Gesellschaft nicht würdig. Er beschwert sich außerdem über den Umstand, dass ihm der eine Inspektor mit dem Dialekt nicht übersetzt worden sei. Rechtsanwalt Fehringer geht mit Verweis auf die Videoüberwachungen des Chinarestaurants kurz auf die Aussagen des AZ1 ein: Erstens hätte Charles dann öfter auf den Videoaufzeichnungen zu sehen sein müssen und auch die Geldübergaben wären zu sehen gewesen.
Nach einer weiteren Pause wird die Dolmetscherin vernommen, die bei der Übersetzung des entscheidenden zweiten Vernehmungsprotokolls bei der Polizei mitgewirkt hat. Sie ist eigentlich gerichtlich beeidete Dolmetscherin für die türktische Sprache, hat aber auch eine akademische Englischprüfung vorzuweisen. Sie gibt an, dass sie prinzipiell wortwörtlich übersetzt und reagiert ziemlich sauer, als der Rechtsanwalt sie fragt, wie sie die entscheidende Passage mit der Wissentlichkeit übersetzt hat. Sie sei nicht hier, um sich nochmal in Englisch prüfen zu lassen. Dann versucht sie ihre in Zweifel gezogene Kompetenz dadurch zu demonstrieren, indem sie die neben dem Richter sitzende Dolmetscherin der Hauptverhandlung korrigiert. Diese wiederum lässt sich das nicht gefallen, was zu einem heftigen Streit über die Übersetzung von "quite sure" ausartet; zweifelsfrei der komische Höhepunkt der Hauptverhandlung. Die Polizeidolmetscherin ist ganz offensichtlich mit gewissen Feinheiten der englischen Sprache nicht vertraut. Anstatt aber das von seiner Dolmetscherin geworfene Hölzchen aufzugreifen, beendet der Richter nur das Geplänkel und signalisiert damit, dass ihn auch eine schlechte Übersetzung nicht von seiner Meinung abbringen wird, dass Charles zum Zeitpunkt der Überweisungen gewußt hat, dass es sich um Drogengelder handelt. Im Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft wird dann noch auf den Vorwurf einer falschen Beweisaussage im Parallelverfahren gegen Robinson E. eingegangen. Der Verteidiger plädiert diesbezüglich auf Aussagenotstand.
Dann folgt das Urteil: Schuldspruch bezüglich der Geldwäscherei:
10 Monate bedingt auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt. 10.000.- ATS werden
von Charles Sparbuch einbehalten, da über den Damuen geschätzt wird, dass er
in dieser Höhe Zuwendungen für die Überweisungen erhalten hat. Freispruch bezüglich
Falschaussage wegen "faktischem Aussagenotstand entgegen dem Buchstaben des
Gesetzes". Hier leistet sich der Richter ein erfreuliches Gustostückerl. Er
kritisiert die Technik der Ausscheidung von Verfahren und die darauffolgende
Einvernahme der Beschuldigten als ZeugInnen. Er verteidigt das Recht der Beschuldigten,
sich zu verantworten, wie sie wollen, auch wenn sie im technischen Sinne ZeugInnen
sind.
Ebenfalls Freispruch bezüglich der verwahrten Sparbücher. Charles bekommt 3
Tage Bedenkzeit, ob er das Urteil annehmen will. Bei einem Strafrahmen von 6
Monaten bis zu 5 Jahren bewegt sich das Urteil am unteren Limit. Was besseres
würde auch in der Instanz nicht herausschauen, zumal die Beweiswürdigung des
Erstrichters dort nicht umzustossen sein wird. Leider hat das Urteil die Konsequenz,
dass die Aufenthaltsberechtigung von Charles nicht verlängert werden wird. Die
Sorge vonwegen einer sofortigen Abschiebung wird uns jedoch von der Staatsanwältin
abgenommen, die sofort volle Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil
ankündigt. Wenn dies von der Oberinstanz nicht als unbegründet abgewiesen wird,
dann wird es in 4 bis 6 Monaten die nächste Runde geben. Und die Moral von der
Geschicht: Bei der Polizei nix unterschreiben und nie mehr sagen als Name, Geburtsdatum,
Meldeadresse. Zu mehr gibts keine Verpflichtung, basta!
Bericht vom ersten Tag im Prozess gegen Charles Ofoedu
From Andreas.Goerg@blackbox.net
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Mittwoch, 6.9.2000 um 9.30h: Die Staatsanwältin eröffnet damit, dass die Verhandlung gegen Charles O. wegen der Demonstration vor den Toren des Grauen Hauses wohl unter keinem guten Stern stehe (hihi). Selbstverständlich handle es sich um keinen politischen Prozess. Dagegen verwehre sie sich, weil die Staatsanwaltschaft doch der Objektivität und Wahrheitsfindung verpflichtet sei. Die Anklage gegen Charles nach dem Suchtmittelgesetz sei wohlgemerkt nur im Zweifel fallengelassen worden. (weil sich im 11 Bände umfassenden Akt dazu leider kein Hinweis hat finden lassen).
Die Wahrheitsfindung beginnt mit einem Eröffnungsplädoyer, in dem die Staatsanwältin eigentlich nur über das ominöse Chinarestaurant "Willkommen" in der Währingerstraße spricht. Dort sei ein Umschlagplatz für größere Mengen von Drogen gewesen, die von den Mitgliedern des nigerianischen Kartells im After transportiert wurden (sic!). Dort hätte es in der oberen Etage die Chairman-Tische gegeben, wo die Geldtransaktionen abgewickelt wurden. Dort hätten jene, die sich von der Polizei verfolgt fühlten, am WC die Kleidung gewechselt. Dort sei Geld für RechtsanwältInnen gesammelt worden. Rundherum noch ein paar Ausschmückungen, was so ein Kartell noch mit sich bringt: Falsche Dokumente, Begleitung beim Straßenverkauf durch erfahrenere DealerInnen, Gegenobservationen (cool) und internationale Überweisungen, zumeist über Western Union.
Charles wird konkret zur Last gelegt, er habe wissentlich zwischen April 1997 und Mai 1999 über 500.000.- ATS im Auftrag des Kartells an sich gebracht, verwahrt und insgesamt 910.000.- ATS laut Belegen überwiesen. Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf die Protokolle von den Einvernahmen von Charles bei der Polizei und vor der Untersuchungsrichterin sowie ein paar ZeugInnen.
Verteidiger Andreas Fehringer repliziert, dass die Staatsanwaltschaft in ihrem Eröffnungsplädoyer eigentlich eine Themaverfehlung begangen habe. Das Konstrukt einer kriminellen Organisation stehe überhaupt nicht zur Debatte. Vielmehr gehe es nur darum, ob Charles eine solche Organisation kannte und ob er bei den Überweisungen wissentlich für sie tätig wurde. Zu den angeblichen Geständnissen meinte der Rechtsanwalt, dass da wohl eine babylonische Sprachverwirrung im Spiel gewesen sei (sehr nobel ausgedrückt - andere Erklärungen für das Zustandekommen der Vernehmungsprotokolle hätten ihm wohl umgehend eine Verleumdungsklage eingebracht). Charles habe sagen wollen, dass er zum Schluss vermutet habe, dass das von ihm überwiesene Geld nicht sauber sei, weshalb er auch die Überweisungstätigkeit bereits 2 Monate vor seiner Verhaftung aus freien Stücken eingestellt habe.
Die Vernehmung des Beschuldigten seitens der Staatsanwaltschaft reitet zunächst auf den Polizei-Vernehmungsprotokollen herum, bis sich herausstellt, dass die Dolmetscherin erst nach der Vernehmung dazugekommen ist und Charles zu diesem Zeitpunkt keine Brille hatte. Charles leidet an einer seltenen angeborenen Augenkrankheit, weshalb er ohne Brille rein gar nichts in halbwegs normaler Schriftgröße lesen kann. Angesichts dieses leicht beweisbaren Umstandes, der die Vernehmungsprotokolle der Polizei als Beweismittel faktisch entwertet, wird die Staatsanwältin leicht hektisch. Immerhin: Zur Zeit seiner Vernehmung vor der Untersuchungsrichterin hatte er eine Brille. Charles weist jedoch postwendend darauf hin, dass dies nicht seine Spezialbrille gewesen sei. Diese Brille sei ihm von einer netten Dame in die U-Haft geschickt worden. Auch die Brille, die sein Bruder ins Gefängniss geschickt hat, sei nicht auf sein Augenleiden abgestimmt gewesen.
Daraufhin verlegt sich die Staatsanwältin auf Vorhaltungen, wonach diverse Personen im Dunstkreis des Chinarestaurants "Willkommen" ihn mit Chief angesprochen hätten und dass er den Leuten für die Demo freigegeben habe. Einsetzendes Gekicher im Zuschauerraum wird mit der Drohung, den Saal räumen zu lassen, beantwortet.
Zu den Überweisungen meint Charles: Wenn er gewußt hätte, dass es sich um Drogengeld handelt, hätte er doch nicht bei Western Union seinen Namen angegeben. Er habe mit den Überweisungen den Leuten helfen wollen.
Rechtanwalt Fehringer versucht
daraufhin, durch seine Beschuldigtenbefragung verschiedene Punkte nochmals klar
herauszuarbeiten: Den Grund, warum Charles überhaupt für andere Leute
Überweisungen getätigt hat; die Geschichte mit der Brille; die Anrede
"Oga", die nichts anderes bedeutet als "Herr", usw.
Den erfreulichen Höhepunkt dieser ersten Verhandlungsrunde liefert die
erste Zeugin der Anklage, die - wie der Richter betont - extra und auf Kosten
des Steuerzahlers aus Nigeria eingeflogen wurde. Diese Zeugin hat in einem abgehörten
Telephonat, in dem von Drogengeschäften in Verbindung mit dem Namen Charles
die Rede war, ihren Gesprächspartner gefragt, ob er "diesen Charles"
meine. Daraufhin hat dieser geantwortet: "Ja" er meine "Charles
Ofoedu, the evil man". Vor Gericht konnte die Zeugin dieses Abhörprotokoll
nicht bestätigen. Sie kenne den Angeklagten überhaupt nicht. Es sei
wahrscheinlich von einem anderen Charles die Rede gewesen. Ihr damaliger Freund
hätte auch Charles geheißen.
Nach der Pause wird eine zweite Zeugin diesmal aus der Haft vorgeführt, die sich jedoch wie schon in anderen Verfahren wegen Angst vor Racheaktionen der Aussage entschlägt. Daraufhin wird nur noch über die weiteren Beweisanträge verhandelt. Der Richter meint, dass unbedingt noch der anonymisierte Zeuge 1 zu hören sei, weil dieser Charles wirklich belaste. Der Richter liest auch die Aussage des berüchtigten AZ 1 vor: Er habe Charles im Chinarestaurant Willkommen an einem jener Tische sitzen sehen, die nur den Bossen vorbehalten waren und zu denen normale Dealer wie er selbst keinen Zutritt hatten. Er habe nie gesehen, dass Charles etwas mit Drogen zu tun gehabt hätte, aber er vermute es, da die Leute "Papa" zu ihm gesagt hätten.
Mit dieser fürwahr höchst inkriminierenden Aussage geht der Verhandlungstag zu Ende. Vertagt wird auf unbestimmte Zeit bis irgendwann Ende Oktober.
Der Strafantrag gegen Charles O. liegt nun vor
Am 20 Juli 2000 fertigte das Landesgericht für Strafsachen Wien die auf einen Strafantrag von 7. Juli basierende Ladung des Beschuldigten Charles Obiora C-Ik Ofoedu zur Hauptverhandlung am 6. September 2000 um 9 Uhr, Verhandlungssaal 304, 3. Stock, aus. Charles Obiora C-Ik Ofoedu war nach seiner Verhaftung im Zuge der "Operation Spring" am 27. Mai des Vorjahres beschuldigt worden, der Big Boss einer international agierenden nigerianischen Drogenmafia zu sein. Nicht unwesentlich daher, dass sämtliche gegen Charles Obiora C-Ik Ofoedu betriebenen Verfahren nach dem Suchtmittelgesetz mit 10. 7. 2000 eingestellt wurden.
Der nun vorliegende Strafantrag wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) fußt ausschließlich auf vier Sparbücher, auf die im Verlauf der Jahre 1998 und 1999 (bis 27. Mai) Geldbeträge eingezahlt und abgehoben wurden sowie auf Geldüberweisungen nach Nigeria.
Vorgeworfen wird Charles Obiora C-Ik Ofoedu, Vermögensbestandteile einer kriminellen Organisation an sich gebracht, verwaltet und Dritten übertragen zu haben. Weiters ist Charles Obiora C-Ik Ofoedu angeklagt, in einem noch nicht mit rechtskräftigem Urteil beendeten Verfahren als Zeuge falsch ausgesagt zu haben, indem er gesagt hat : "Ich habe nie gedacht, dass der R. etwas mit Drogen zu tun haben könnte. Ich habe mir nie etwas dabei gedacht, als ich das Geld überwiesen habe. Ich habe nicht gewusst, dass es sich bei den Geldern, die ich für R. überwiesen habe, um Drogengelder handelt. Ich habe es auch nicht vermutet. Ich habe es bei der Polizei nicht so gesagt, die Polizei hat mir gesagt, dass es sich um einen Drogendealer handelt."
Als ZeugInnen der Anklage beantragt die Staatsanwaltschaft unter anderem einen von Strafprozessen gegen SchwarzafrikanerInnen hinlänglich bekannten anonymisierten Zeugen sowie Bez. Insp. Wolfgang Preissler, einen FP-Personalvertreter bei der Polizei, der führend an der "Operation Spring" beteiligt war und im Mai 1999 verdächtigt wurde, Informationen über die Ermittlungen gegen den angeblichen "nigerianischen Drogenring" an die FPÖ weitergegeben und damit die rassistischen Werbeeinschaltungen der FPÖ Anfang Mai desselben Jahres ("machtlos gegen tausend schwarze Drogendealer?") ausgelöst zu haben.
Das Verfahren gegen Charles Obiora C-Ik Ofoedu scheint vom Bedürfnis der Justiz getragen, endlich eine "wasserdichte" Verurteilung nach §278a StGB zu erreichen, um auf diesem Wege nachträglich die Einsetzung des Lauschangriffs gegen das Konstrukt der nigerianischen Drogenmafia zu rechtfertigen (der Einsatz der "neuen Ermittlungsmethoden" ist weitgehend auf sehr schwere Delikte oder § 278a StGB gebunden). Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist etwa, dass Charles Obiora C-Ik Ofoedus Angebot, Auskunft über die Herkunft der Gelder auf den Sparbüchern zu erteilen, im Vorverfahren nicht angenommen wurde.
Nach Auskunft von den Grünen ist die Form des Auftretens sog. "anonymisierter Zeugen" in den Strafverfahren rund um die "Operation Spring" rechtswidrig und rassistisch. Zwar ist die Anonymisierung von ZeugInnen seit 1994 erlaubt, die in den genannten Prozessen praktizierte Form der Anonymisierung widerspricht jedoch sowohl der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil 10/1988/154/208 vom 20. November 1989 im Fall Kostovski gg. Die Niederlande; publiziert u.a. in ÖJZ 1990, 312) wie dem Einführungserlass vom 22.12.1993 zum Strafprozessänderungsgesetz 1993. In Letzerem heißt es unter anderem: "...die vollständige Vermummung des Zeugen oder eine Verzerrung des Bildes oder des Tones einer Videoaufnahme, sind durch §166a StGB jedoch nicht gedeckt, weil unabdingbar ist, daß die Gesichtszüge eines Zeugen die Beurteilung seiner Reaktion auf Fragen zulassen; die nonverbale Kommunikation muß erhalten bleiben."
Darüber weist die Grüne Abgeordnete Petrovic darauf hin, dass § 166a die Anonymisierung von ZeugInnen nur "auf Grund bestimmter Tatsachen" zulässt. Diese "bestimmten Tatsachen" wurden bislang in keinem Gerichtsverfahren erhoben oder überprüft, und sind daher für jene Menschen, die auf Grund der Aussagen anonymisierter ZeugInnen verurteilt werden, nicht anfechtbar. Außerdem sei der Einsatz anonymisierter ZeugInnen bisher nur aus Verfahren gegen SchwarzafrikanerInnen bekannt. Ein Einsatz in einem anderen Verfahren sei nicht bekannt.
Den Umgang der Justiz wie auch der Polizei mit den Angeklagten aus der "Operation Spring" stehe in einem deutlichen Zusammenhang mit der aktuellen politischen Situation sowie den Protesten nach dem Tod von Marcus Omofuma am 1. Mai 1999.
TATblatt/Für eine Welt ohne Rassismus
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