Quellenangabe:
Strassers negative Bilanz (vom 11.12.2004),
URL: http://no-racism.net/article/1046/,
besucht am 24.11.2024
[11. Dec 2004]
Eine Kurzbilanz der migrationspolitischen Hinterlassenschaften von Strasser
Mit dem überraschenden Entschluss, nach vier Jahren das Amt zurückzulegen, überrumpelte Strasser am 10.12.2004, Tag der Menschenrechte, Freund, Feind und seine Partei. Damit hat er die erste überraschende Regierungsumbildung auf ÖVP-Seite unter Schwarz-Blau ausgelöst. In der ersten VP/FP-Koalition gab es bisher nur Rücktritte von FP-Ministern.
Es gibt genügend Angebote um die Nachfolge des sich selbst "als die Mitte besetzenden" Innenministers, beispielsweise Haider, der sich mit "Ich wäre sowieso der Beste" einbringt. schüssel beauftragte vorläufig Verteidungsminister Günther Platter, der am Tag darauf angelobt wurde.
Doch was hat der jÀhzornige Minister, der bekannt dafür ist, mit Laptops in seinem Büro herumzuwerfen in seiner Amtszeit als Innenminister "erreicht"? Es gab ungeheuerliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen die Verfassung, für die er persönlich die Verantwortung trägt.
Eine kurze und sicherlich nicht vollständige Zusammenfassung aus migrationspolitischer Sicht:
In der Amtszeit von Innenminister Ernst Strassers kam es im Gegensatz zu der vorher bestehenden Bundesbetreuung zu einer teilweisen Verbesserung für AsylwerberInnen und anderer "hilfsbedürftiger Fremde" mittels der Grundversorgung, die aber weiterhin Menschen von den Leistungen ausschliesst: Die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen, konnte durch die Bund-länder-Vereinbarung (Bund trägt 60, die länder 40 Prozent der Versorgungskosten ) entschärft werden.
Nicht ausreichend geklärt werden konnte die Frage der Bereitstellung von Quartieren: Die länder, die laut Vertrag dazu verpflichtet Wären, sind zum Teil sÀumig. Zuletzt kündigte Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider die Bund-länder-Vereinbarung einseitig auf.
Sehr unerfreulich ist die Bilanz in Sachen Asylgesetz. Eine von Strasser initiierte, ab 1. Mai 2004 gültige Novelle, wurde im Oktober 2004 vom Verfassungsgerichtshof teilweise aufgehoben. (siehe Strassers Asylgesetznovelle: Verfassungswidrig!) Strasser reagierte mit der Aussage: "Was Recht ist, muss nicht unbedingt gut sein" - und setzte in den letzten Wochen seiner Amtszeit konkrete Schritte in Richtung einer neuerlichen Gesetzesnovelle: Die Rede war von zusätzlichen, teils vom Regierungspartner FPÖ in die Materie hineinreklamierten Verschärfungen. (siehe: Vorschläge und überlegungen des BMI zur Asylrechtsnovelle 2005) Nicht näher erläutert wurde, wie die vom VfGH kritisierten Punkte repariert werden sollen.
Die Zahl von Asylanträgen hat in Strassers Amtszeit indes stark abgenommen. Nach dem vergangenen EU-Erweiterungsschritt am 1. Mai, der vier Nachbarstaaten in die Union holte, sind die Antragszahlen um durchschnittlich ein Drittel gesunken.
Nach Österreich einzuwandern ist heute wesentlich hördenreicher als vor der Ãra Strasser. Die Zahl erlaubter Zuwanderungen im Rahmen der vom Innenministerium verantworteten Niederlassungsverordnung wurde in der Amtszeit des ÖVP-Innenministers mehrmals gesenkt. So auch für das kommende Jahr: Statt 8 050 Plätze 2004 sind 2005 nur noch 7 500 Plätze vorgesehen. Auch für FamilienzusammenFührungen, wo ein bereits jahrelanger Rückstau besteht, wird es 2005 weniger Möglichkeiten geben: Mit 5 460 Plätzen sind unter diesem Posten um 30 Plätze weniger als im Vorjahr veranschlagt.
Kritik gab es in der Amtszeit des scheidenden Ministers aber auch an der Integrationsvereinbarung, die Strasser mitbeschlossen hat: Im Fokus der Infragestellung stand - und steht - die Deutschkurspflicht. (siehe Rubrik Integrationsvereinbarung)
Sicherer ist Österreich unter Ernst Strasser sicher nicht geworden, in jedem Jahr seiner Amtszeit stieg die Kriminalität und die Anzahl der Häftlinge in den Gefängnissen. 493.246 Delikte gab es im Jahr 1999 in ganz Österreich, heuer musste die Exekutive von Jänner bis inklusive November bereits 589.834 Anzeigen aufnehmen - ein Zuwachs von 19,6 Prozent. Gleichzeitig rasselte die AufKlärungsquote dramatisch nach unten. Wurden 1999 mit 51,4 Prozent noch mehr als die Hälfte aller Straftaten geklärt, liegt der Wert in diesem Jahr bisher bei 37,7 Prozent. Allerdings: Steuerte die Kriminalitätsrate zu Jahresbeginn noch auf einen neuen Rekord zu, liegt man seit Oktober unter den Vorjahreswerten.
Die Haftbedingungen ind en Gefängnissen wurden verschärft und der Aufenthalt unter Polizeiaufsicht endete sogar manchmal tödlich. erinnert sei an Edwin Ndupu, der am 19. August 2004 unter bisher ungeklärten Umständen in der Justizanstalt Krems / Stein starb ,nachdem er zuvor von ca. 15 Justizwachebeamten verprügelt worden war. (siehe Rubrik: Edwin Ndupu) für Kommentare oder gar einen Rücktritt sah der Minister keinen Anlass.
In der Nacht von 15. auf 16. Juli 2003 starb Seibane Wague an den Folgen eines Polizei- und Rettungseinsatzes in Wiener Stadtpark - Auch bei diesem Fehlverhalten seiner Untergebenen blieb Strasser ungefragt im Amt (siehe Rubrik: Seibane Wague
Insgesamt wird Strasser niemand vermissen, es bleibt zu hoffen, daß der nächsten Innenminister den Kommentar der Polizeigewerkschaft: "Reisenden soll man nicht aufhalten" für alle MigrantInnen und Reisefreudigen umsetzen wird ;-)
Quelle: Der Standard