Quellenangabe:
Das St. Pauli Protokoll - Sexarbeit und Migration (vom 03.06.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2584/,
besucht am 26.12.2024
[03. Jun 2008]
Das St. Pauli Protokoll - Sexarbeit und Migration
Von 17.-19. April 2008 fand in Hamburg die 39. Fachtagung Prostitution zum Thema "Gemeinsamkeiten und Differenzen im Kontext von Migration und Sexarbeit" statt. Die TeilnehmerInnen sprachen sich für Selbstbestimmung von und Rechte für SexarbeiterInnen aus und stellten sich gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung.
Das St. Pauli Protokoll
Hamburg, April 2008
Wir, die TeilnehmerInnen der 39. Fachtagung Prostitution (17.-19. April 2008, Hamburg), aktive und ehemalige SexarbeiterInnen, VertreterInnen von Prostituiertenberatungsstellen und MigrantInnenorganisationen und andere ExpertInnen aus Deutschland und Österreich halten fest:
- Durchschnittlich 60 bis 80% der SexarbeiterInnen in Deutschland und Österreich sind MigrantInnen.(1)
- Menschenrechte von SexarbeiterInnen sind Bestandteil der universellen Menschenrechte, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, vom Migrationshintergrund, vom kulturellen oder religiösen Hintergrund, von sexueller Orientierung und Identität.
- SexarbeiterInnen - einschließlich MigrantInnen - sollten an jeder Debatte und Entscheidung über Gesetze, Richtlinien, Arbeitsbedingungen und/oder Maßnahmen, die ihr Leben, ihre Arbeit, ihre Rechte und ihre Gesundheit betreffen, aktiv teilnehmen.
Wir stellen uns gegen jede Form des Rassismus und der Diskriminierung und fordern einen respektvollen Umgang mit Gemeinsamkeiten und Differenzen im Bereich Sexarbeit. Wir schätzen die Vielfalt von unterschiedlichen Lebensrealitäten und wehren uns dagegen, benutzt und als Opfer gesehen zu werden.
Wir fordern die Anerkennung und Durchsetzung der Rechte von SexarbeiterInnen, wie sie bereits in der Brüsseler Deklaration (2005)(
2) formuliert und veröffentlicht wurden. Insbesondere betonen wir dabei:
- den Zugang zu umfassender, ganzheitlicher und niederschwelliger Gesundheitsversorgung und -vorsorge für alle SexarbeiterInnen
- den kulturell und sprachlich adäquaten Zugang zu relevanten Informationen, die SexarbeiterInnen benötigen und die sie in ihren Rechten stärken
- gleiche Arbeitsrechte, freie Arbeitsplatzwahl und gerechte Arbeitsbedin-gungen, mit einem entsprechenden Arbeits- und Aufenthaltsstatus.
Die Internationalisierung der Sexarbeit erfordert anti-rassistische und interkulturelle Kompetenzen in der Beratungs- und Unterstützungsarbeit. Die
kulturelle Mediation ist hierfür grundlegende Voraussetzung. Sie beinhaltet Qualifikation und Erfahrung. Dafür sind u.a. gleiche Arbeitsplatzchancen für MigrantInnen und/oder für SexarbeiterInnen, die entsprechende Beschäftigung von Beratungskräften mit Migrations- bzw. Sexarbeitshintergrund und ihre adäquate Entlohnung Voraussetzungen.
Dazu ist die fortwährende Bereitstellung der finanziellen Grundlagen zum Erhalt und Ausbau der Fachberatungsstellen unabdingbar.
Wir, die UnterzeichnerInnen, verpflichten uns zur Umsetzung dieser Grundsätze in unserer Arbeit und fordern alle AkteurInnen auf, das
St. Pauli Protokoll zu unterstützen.
Unterzeichnet von:
1. Amnesty for Women e.V. | TAMPEP-Deutschland | Hamburg
2. context e.V. | Berlin, Hamburg, Rio de Janeiro
3. LEFÖ | Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen | TAMPEP-Österreich | Wien
4. maiz | Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen | Linz
5. Phoenix e.V. | Beratungsstelle für Prostituierte | Hannover
6. Anita Mangala
7. Tanja Regensburg, Sexarbeiterin
8. Angelinadream
9. Monika Gerstendörfer | Lobby für Menschenrechte e.V.
10. Nitribitt e.V. | Bremen
11. Hanna H.
12. Christian Knappik | www.sexworker.at
13. ragazza e.V. | Hamburg
14. Callboy Connection FFM | sex work information clearing house in the German internet | Marc of Frankfurt-Main | www.sexworker.at
15. KOBER | Kommunikations- und Beratungsstelle für Prostituierte | Dortmund
16. Agnieszka Zimowska
17. Madonna e.V. | Verein zur Förderung der beruflichen und kulturellen Bildung von Prostituierten | Bochum
18. Agisra e.V. | Köln
19. MIR Consult GmbH | Health- & Financial Care
20. Hurenselbsthilfe e.V. | Saarbrücken
21. Theo Koppers | Gesundheitsamt | Gütersloh
22. Arbeitsplatz Prostitution | ver.di Bundesvorstand | Hamburg
23. Ira von Dultzig | MIR Consult GmbH, Health & Financial Care
24. Hurenselbsthilfe e.V. | Saarbrücken
25. LENA | Beratungsstelle für Menschen, die in der Prostitution arbeiten oder gearbeitet haben | Linz
26. KISS | ein Projekt der AIDS-Hilfe Frankfurt e.V. | Frankfurt-Main
27. Ethno-Medizinisches Zentrum e.V. | Hannover
28. Jasmin, Sexarbeiterin
29. Stephanie Klee | highLights-Agentur | Berlin
30. Catharina König | Bochum
31. Service e.V. | Nürnberg
32. Beratungsstellen Mimikry+Marikas des Evangelischen Hilfswerkes | München
33. Maike Hahnke | Kaffeeklappe St. Pauli | Hamburg
34. GSSG | Gemeinnützige Stiftung Sexualität und Gesundheit | Köln
35. Hydra e.V. | Berlin
36. Dortmunder Mitternachtsmission e.V. | Dortmund
37. Judit Forrai | Sex Education Foundation | Budapest | TAMPEP-Hungary
38. Carol Leigh | BAYSWAN Bay Area Sex Worker Advocacy Network | USA
39. Femmes de droits, droits des femmes | French sex workers association | France
40. Licia Brussa | TAMPEP International Foundation | Amsterdam | Netherlands
41. Maj Christensen | VIP LOUNGE | Denmark
42. Martine Groen | Director of the institute voor geschillen | Amsterdam | Netherlands
43. Pia Covre and Carla Corso | Comitato per i Diritti Civili delle Prostitute Onlus | TAMPEP-Italy
44. Health and Social Development Foundation | Sofia | TAMPEP-Bulgaria
45. SCOT-PEP | Edinburgh, Scotland | TAMPEP-United Kingdom
46. PION | Prostitutes? interest organisation | Norway
47. International Committee on Sex Workers Rights in Europe (ICRSE)
48. Christa Gronewold, Sagitta Paul, Andrea Hatke, Britta Werner and Susanne Coors | AIDS/STD Counselling Centre |
49. Public Health Care Service | Bremen
50. SOPHIE | A Place of Education for Sex Workers | Wien
51. TAMARA | Counselling and Help for Prostitutes | Frankfurt-Main
52. C.A. Odyseus | Bratislava | TAMPEP-Slovakia
53. XENIA | Counselling Centre for Sex Workers | Bern, Switzerland
54. PoCoRe | National Network of Counselling Centres and Sex Workers | Switzerland
55. ASPASIE | Geneva | TAMPEP-Switzerland
56. Javier Calatrava | Working Men Project | London
57. Ratschlag Prostitution | Hamburg
58. Pia Hoffmann, Sexarbeiterin
59. Ulrike Rothe
60. MARIA MAGDALENA | Counselling Centre for Women in Sex Work | St. Gallen, Switzerland
Anmerkungen
(1) Es gibt regional Schwankungen und Unterschiede (TAMPEP-Erhebungen 2005, 2007, www.tampep.eu)
(2) Deklaration der Rechte von SexarbeiterInnen in Europa (:: pdf), siehe :: sexworkeurope.org