Quellenangabe:
Proteste beim und im Flughafengefängnis Kloten (vom 22.03.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3296/,
besucht am 27.12.2024
[22. Mar 2010]
Am 21. März 2010 fand ein Spaziergang zum Abschiebe- gefängnis Kloten statt. Der Protest war eine Reaktion auf den Tod im Zuge einer Gewaltsamen Abschiebung. Gefordert wurde ein dauerhafter Stopp von Ausschaffungen. Auch drinnen gibt es Unruhe und mehrere Gefangene sind in Hungerstreik getreten.
In Folge der gewalttätigen Abschiebung (Ausschaffung) mit Todesfolge am 17. März 2010 kam es zu :: mehreren Protesten. Die zentralen Forderungen waren dabei die Schließung aller Abschiebegefängnisse und ein sofortiges Ende von Abschiebungen.
Doch nicht nur vor den Gefängnismauern regt sich Widerstand - im Abschiegefängnis Kloten sind laut Medienangaben mindestens 10 Gefangene in Hungerstreik getreten. Die Behörden versuchen diesen Protest klein zu reden. So ist in der Neuen Zürcher Zeitung vom 22. März zu lesen: "Von einem flächendeckenden Hungerstreik könne jedoch nicht die Rede sein, da höchstens zehn Häftlinge daran teilnähmen. Insgesamt bietet das Ausschaffungsgefängnis beim Flughafen Platz für 106 Ausschaffungshäftlinge. Wie lange sie hungern wollen, ist unklar. «Wir wissen auch nicht, was sie damit genau fordern», sagte Rebecca de Silva, Sprecherin des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich. Man gehe aber davon aus, dass das Hungern mit dem Todesfall vom letzten Mittwoch zusammenhängt."
Dazu sei angemerkt, dass Hungerstreiks eine in allen Internierungseinrichtungen immer wieder angewendete Widerstandsform ist, mit der gegen die Haft und drohende Abschiebungen protestiert wird. Da den Gefangenen meist keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen und sie keinen Kontakt zu Rechtsvertreter_innen haben, bleibt oft keine Alternative zu den die eigene Gesundheit gefährdenden Hungerstreiks. So befand sich auch Alex, der am 17. März bei der versuchten Abschiebung am Flughafen Kloten umgebracht wurde, bereits Tage in Hungerstreik - als Protest gegen die Abschiebung. Doch darauf haben die Behörden keine Rücksicht und somit seinen Tod bewusst in Kauf genommen.
Im folgenden dokumentieren einen Bericht von :: refugees-welcome.ch über den Knastspaziergang am 21. März 2010 und danach ein Pressecommuniqué von augenauf Zürich zum Hungerstreik im Auschaffungsgefängnis Zürich-Kloten.
Zürich, 21. März 2010: Heute Nachmittag sind etwa 150 Personen zum Ausschaffungsgefängnis beim Flughafen Kloten marschiert. Wir demonstrierten gegen die Ausschaffungen von Flüchtlingen, die in der Schweiz gestrandet sind.
Wieder ist am vergangenen Mittwoch bei einem Ausschaffungsversuch ein 29-jähriger Nigerianer ums Leben gekommen. Es sind noch keine genauen Angaben zu den Umständen, den Beteiligten und den Ursachen gemacht worden. Das entspricht der gängigen Informationspraxis der Behörden. Wir wissen, dass das Opfer mehrere Wochen im Hungerstreik war, nicht wie von offizieller Seite behauptet, erst ein paar Tage. Wir wissen, dass er gefesselt wurde und sich gewehrt hat, das Flugzeug zu besteigen. Wir gehen davon aus, dass das Opfer in der Folge der Zwangsmassnahme erstickt ist.
Wir lassen uns nicht abspeisen und ablenken von den angeblichen Straftaten des Opfers. Damit soll ihm die Schuld untergeschoben werden. Tatsache ist, dass er im Anschluss an die Entscheide des Migrationsamt, der angeordneten Ausschaffungshaft und die im Vollzug angewendeten Zwangsmassnahmen gestorben ist.
Daraus wird deutlich: Es ist das rechtliche System und der behördliche Vollzug, der für diesen Tod verantwortlich ist. Die Verantwortlichen werden versuchen, sich im Dickicht von Vollzugspflicht und Bagatellisierung zu verstecken, sich sogar erdreisten, ihr Bedauern über diesen tragischen Ausnahmefall zu bekunden. Doch wir sagen, dieser Tod war absehbar. Nicht als einzelner, aber als Konsequenz der bestehenden Logik, in der mit unerwünschten Migrantinnen und Migranten verfahren wird.
Es war der Staat, der diesen Tod verursacht hat. Wir wehren uns gegen die blinde Wut, den Rassismus und den Hass, der in diesem System wütet. Wir fordern die Abschaffung der Ausschaffungshaft, den sofortigen und dauerhaften Stopp von Ausschaffungen, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für alle.
AUSSCHAFFUNG IST FOLTER! AUSSCHAFFUNG IST MORD!
NO BORDER, NO NATION - STOP DEPORTATION!
Zürich, 21.3.2009
Gut 150 Menschen, unter ihnen viele Migrantinnen und Migranten, zogen heute Sonntag in einem spontanten Protestmarsch vor das Ausschaffungsgefängnis Zürich-Kloten, um ihre Solidarität mit den Insassen zu bekunden. Gefangene, die aus dem Zellenfenster rufend Kontakt zu den Demonstrantinnen und Demonstranten herstellten, berichteten, dass sich viele Gefangene seit vergangenen Mittwoch im Hungerstreik befinden. Sie protestieren gegen den Tod des 29-jährigen Alex [Anm no-racism.net: der Nachname wurde noch nicht bekannt geben], der vergangenen Mittwoch während der gewaltsamen Ausschaffung nach "Level 4" (oft Überfall durch maskierte Polizisten in der Zelle, Fesselung, allenfalls Fixierung auf Rollstuhl oder Bahre) verstarb.
Es beteiligen sich, so die Informationen aus dem Gefängnis, Gefangene in allen Stockwerken des Gefängnisses am Hungerstreik. Sie machten keine Angaben über die geplante Dauer des Hungerstreiks. Im vierten Stock des Gefängnisses soll auch ein einjähriges Kleinkind (zusammen mit der Mutter) einsitzen, sagte ein Gefangener.
augenauf fordert die Untersuchung der Ursachen des tragischen Todes von Alex (...) durch eine unabhängige, anerkannte Institution, zum Beispiel durch das CAT (Committee against Torture) des UN Hochkommissars für Menschenrechte. (http://www2.ohchr.org/english/bodies/cat/)
Hintergrund
Alex (...) ist bereits der dritte Flüchtling, der während der Ausschaffung in der Schweiz zu Tode gebracht wurde. Am 3. März 1999 erstickte der 27-jährige Palästinenser Khaled Abuzarifa an der Knebelung durch Klebeband. Am 1. Mai erlitt Samsung Chukwu den so genannten "lagebedingten Erstickungstod", als ihn Polizisten einer Walliser Sondereinheit noch im Gefängnis fesselten.
Im Ausschaffungsgefängnis Zürich-Kloten (FGII - Flughafengefängnis II) sitzen ausschliesslich Administrativhäftlinge, also Gefangene, die nur wegen ihrem Aufenthaltsstatus bis maximal 24 Monaten einsitzen ("Ausschaffungs"-, "Vorbereitungs"- und "Durchsetzungshaft". Im FGII befinden sich KEINE Strafgefangenen.
Über augenauf
augenauf wurde im Januar 1995 gegründet. Alle ihre Mitglieder arbeiten unentgeltlich und in der Freizeit. augenauf beschäftigt sich mit Menschenrechtsverletzungen in der Schweiz und hat aktive Gruppen in Basel, Bern und Zürich. Vier Mal jährlich erscheint ein Bulletin. Die Aktivitäten der als Vereine organisierten Gruppen finanzieren sich ausschliesslich aus Spenden von Privatpersonen. www.augenauf.ch
Medienkontakt*
zuerich (at) augenauf.ch
* Bitte beachten Sie: Wir haben aktuell keine zusätzlichen Informationen zum Hungerstreik oder zum Tod von Alex (...).
Anm. no-racism.net: der Nachname wurde noch nicht bekannt gegeben, der ursprünglich genannte Name erwies sich als falsch.