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Quellenangabe:
Sexarbeit auf der Welt Aids Konferenz 2010. Ein Diskussionsbeitrag (vom 16.07.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3440/, besucht am 26.12.2024

[16. Jul 2010]

Sexarbeit auf der Welt Aids Konferenz 2010. Ein Diskussionsbeitrag

Die Welt AIDS Konferenz 2010 in Wien wird in den kommenden Tagen die öffentlichen Debatten und Berichte in kommerziellen Medien bestimmen. Inwieweit neben hoch dotierten Wissenschaftler_innen und UN-Grand_innen auch kritische Stimmen zu vernehmen sein werden, bleibt abzuwarten.

Von 18. bis 23. Juli 2010 findet in Wien die 18. Internationale AIDS Konferenz (IAC 2010) statt. Das Motto der Tagung lautet:
"Rights Here, Right Now" - "Rechte hier und jetzt". Laut einem Beitrag auf :: sexworker.at sind die Themen der Welt AIDS-Konferenz Wien 2010 genau auf Sexworker_innen zugeschnitten:
- Menschenrechteschutz als Voraussetzung für Prävention von HIV
- Recht auf Würde und Selbstbestimmung
- Recht auf Zugang zu Gesundheitssystem und Lebensvorsorgeeinrichtungen
- Recht auf wissenschaftlich überprüfbare und nicht von moralischen Vorurteilen geleitete Maßnahmen


Neben gesundheitlichen Aspekten werden Menschenrechte einen Schwerpunkt bilden. Während bei der offiziellen Konferenz vor allem Politiker_innen, Wissenschaftler_innen, Mediziner_innen, Personen, die mit HIV leben und Journalist_innen anwesend sein werden, gibt es für die große Masse der Interessierten das "Global Village". Dieses ist der öffentlich zugängliche Teil der Konferenz und zielt darauf ab, die Partizipationsmöglichkeiten von marginalisierten Communities an der Konferenz und an globalen Strategien gegenüber HIV/AIDS zu verstärken.

... denn Diskriminierung, Stigmatisierung und Tabuisierung erhöhen die Anzahl der Neuinfektionen. (Aids Hilfe Wien Tätigkeitsbericht 2009)

Der folgende Beitrag widmet sich vor allem den Menschenrechten bzw. deren Verwehrung für viele Menschen und den damit unmittelbar in Verbindung stehenden Ausgrenzungen und Diskriminierungsformen. Doch bevor dieses Thema behandelt wird, noch eine Information über HIV/AIDS allgemein.


Was ist HIV/AIDS?


HIV = Human Immunodeficiency Virus (Menschliches Immunschwäche-Virus)
AIDS = Acquired Immune Deficiency Syndrome (Erworbenes Immunschwächesyndrom) ist ein durch Viren (HIV) hervorgerufenes Krankheitsbild.

HIV-infiziert oder HIV-positiv bedeutet, dass eine Ansteckung mit dem HI-Virus vorliegt, aber der/die Betroffene
keine Beschwerden oder Krankheitsanzeichen hat. AIDS-krank oder Vollbild AIDS bedeutet, dass Krankheitssymptome
oder Folgeerkrankungen bereits vorhanden sind. Die Inkubationszeit (= Zeit von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Beschwerden und Symptome) beträgt bei den meisten HIV-Positiven zehn Jahre, kann aber kürzer oder länger sein. Im Laufe der Zeit kommt es ohne Behandlung zu einer Schwächung und danach zum Zusammenbruch der natürlichen Abwehrkräfte. Der Körper kann verschiedene Krankheitserreger nicht mehr erkennen und in geeigneter Form abwehren. Die Folge sind schwere Infektionskrankheiten, sog. "opportunistische Infektionen" (opportunistisch = die Gelegenheit nutzend), oder auch verschiedene Krebsarten. HIV-Infektionen können je nach Patient/in sehr unterschiedlich verlaufen, abhängig von individuellen Bedingungen.

(Quelle und weitere Informationen auf :: sexworker.at)


Von Zwängen und Rechten


Ein zentrales Thema in Zusammenhang mit HIV/AIDS sind, wie bereits erwähnt, die Menschenrechte. Für wen gelten sie? Sind sie für alle gleich? Diese Antwort kann mit einem klaren Nein beantwortet werden, denn obwohl Menschenrechte für alle gleich sein sollten, schaut die Realität anders aus. Die Debatte über HIV/AIDS ist nach wie vor von Ausgrenzung bestimmt - einerseits gegenüber HIV-positiven Menschen. Ihnen droht bei Bekanntwerden der Infizierung der Verlust von Freund_innen, Mobbing durch Bekannte oder Kolleg_innen, der Verlust des Erwersarbeitsplatzes, oft auch Vereinsamung und Isolation. Nicht nur die Person, bei der der HI-Virus diagnostiziert wurde, ist von Ausgrenzung bedroht, diese trifft oft auch Partner_innen und Kinder. Ein Bild, dass dabei in den Köpfen der Menschen zu finden ist, ist die Vorstellung einer "Seuche", die nicht selten in Verbindung mit einem unmoralischen Leben gesehen wird. Was nicht ins konservative Gesellschaftsbild passt, wird als "abartig" bewertet und sanktioniert. So werden ganze Gruppen für die Ausbreitung von HIV/AIDS verantwortlich gemacht.

Christine Drößler schrieb in ihrem Beitrag "Liederliche Frauen und widerliche Krankheiten" in "Prostituion: Ein Handbuch" (Hg. von HWG e.V. 1994):
"Das hat fatale Folgen für Frauen im allgemeinen und Prostituierte im besonderen. Für letztere bedeutet die Schuldzuweisung für die Verbreitung von HIV AIDS, daß die Menschenrechte von einer bestimmten Berufsgruppe permanent und weltweit zum Schutz der heterosexuellen Restbevölkerung verletzt werden. Millionen von Sexarbeiterinnen werden weltweit auf HIV AIDS zwangsuntersucht."

So sind Sexarbeiter_innen in Österreich zu gesetzlich vorgeschriebenen wöchentlichen Untersuchungen auf sexuell übertragbare Krankeiten (STD) verpflichtet. Diese Zwangsuntersuchungen, die auf eine Jahrhunderte lange Debatte um Sexarbeit und der dazugehörenden Ausgrenzung von Sexarbeiter_innen zurück gehen, werden von vielen Sexarbeiter_innen als Schikane empfunden. Denn es geht dabei in erster Linie nicht um die Gesundeit der Sexarbeiter_innen selbst, sondern vor allem um die Reduzierung der Infektion von Freiern. Denn nach wie vor werden die Sexarbeiter_innen und nicht ihre Kund_innen für Prävention verantwortlich gemacht. Dies spiegelt auch die gesellschaftliche Realität der Geschlechterverhältnisse wieder: Sexarbeiter_innen sind mehrheitlich Frauen, Freier_innen mehrheitlich Männer. In Beziehungen und bei sexuellen Kontakten liegt die Verantwortung zur Verhütung trotz zahlreicher Aufklärungskampagnen nach wie vor mehrheitlich bei Frauen.


Aufklärung als präventive Maßnahme


Dass durch Aufklärung und einen entsprechenden Umgang insbesondere bei sexuellen Praktiken, eine Infektion weitgehend ausgeschlossen werden kann, wird im ausgrenzenden Diskurs bewusst ausgeblendet. So spricht sich die katholische Kirche nach wie vor gegen die Verwendung von Kondomen aus und sieht Sexualität lediglich als Mittel zur Fortpflanzung. Dass diese moralisierende Darstellung mit der gelebten Praxis der dem Zölibat unterliegenden Kirchendiener nicht in Einklang kommt, beweisen die zahlreichen bekannt gewordenen Fälle von sexuellem Missbrauch. Statt auf Aufklärung setzt die Kriche nach wie vor auf Moralisierung und Verbote.

Wer steckt wen an? Sind die Männer, die als Freier die Dienstleistung Sexarbeit in Anspruch nehmen, einer Gefahr ausgesetzt? Vor allem dann, wenn sie darauf bestehen, dass kein Kondom verwendet wird? Oder sind die Sexarbeiter_innen, die sich ökonomischen Zwängen beugen und gegen ein paar Euro mehr beim Geschlechtsverkehr auf ein Kondom verzichten? Eine schwierige Frage, die nicht einfach mit "die oder die sind schuld" beantwortet werden kann. Zu sehr ist die Debatte über HIV/AIDS oder STD (sexuell übertragbare Krankheiten, Anm.) von falschen Vorstellungen geprägt. Sexarbeiter_innen gelten demnach als "unmoralisch" und sie werden allein für die Folgen verantwortlich gemacht. Dabei ist bekannt, dass das Wissen über STD und HIV/AIDS gerade unter Sexarbeiter_innen viel größer ist, als im Rest der Bevölkerung und dass viele Sexarbeiter_innen sehr genau bescheid wissen, wie sie Infektionen mit HIV/AIDS oder STD vermeiden können. Ihr Beitrag zu Prävention und Aufklärung bleibt zu oft ungewürdigt.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Bardame in einem Sexclub, die die weit verbreitete Meinung vertrat: "Die Frauen stecken ja unsere Männer an." Doch wie werden Sexarbeiter_innen "angesteckt"? Sind es nicht vor allem Kunden (ich verwende hier bewusst die männliche Schreibweise), die durch ihren oft leichtfertigen Umgang mit sexuellen Praktiken nicht nur sich selbst, sondern alle ihre Sexualpartner_innen gefährden?

Dabei gibt es Ansätze, die versuchen, Prävention nicht nur als Verantwortung der "gefährdeten Gruppen" zu sehen, sondern zu sensibilisieren und die Verantwortung bei allen Beteiligten zu sehen, da dies die einzige Möglichkeit ist, die Infektion wirksam zu verhindern. Als Beispiel sei die Organisation Zi Teng aus Hong Kong genannt, die sich mit der Gründung einer Männergruppe genau das zum Ziel gemacht hat.

Über Diskussionsrunden und Workshops wird Wissen an die Zielgruppen Männer und die mehrheitlich männlichen Freier_innen vermittelt. So wird einerseits das notwendiges Wissen vermittelt und an einer Sensibilisierung gearbeitet, damit sich Männer einer regelmäßigen Gesundheitsuntersuchung unterziehen. Es dauerte einige Zeit, bis das Projekt angenommen wurde, aber mittlerweile nehmen etliche Männer das Angebot wahr und unterziehen sich regelmäßigen Tests. Zi Teng schreibt zu diesem Projekt:

"One of the reasons why we set up the men's group is to teach men and clients (with men the majority) how they should respect and care for their partners and sex workers. We organize talks and regular meeting, to try changing their attitudes. In fact, no matter he is a client of sex workers or someone's partner, a man will bring less hurt to the sex worker or his partner if he understands more his health conditions and the importance to have regular screening. In other words, providing screening service for men and clients is a way to protect women and sex workers from infection." (:: Zi Teng Newsletter, June 2010, 33 rd Issue)

Für die AIDS Hilfe Wien sind vor allem die "gefährdeten Gruppen" eine spezielle Zielgruppe. Ich gehe nicht näher auf die Bezeichnung "gefährdete Gruppen" ein, doch will anmerken, dass diese Bezeichnung sehr ambivalent (doppelwertig) ist. Im Tätigkeitsbericht der AIDS Hilfe Wien 2009 ist zu lesen:
"In Österreich ist die Anzahl der HIV-Neuinfektionen innerhalb der letzten Jahre leicht angestiegen. Etwa 42 Prozent infizieren sich über heterosexuelle und 28,6 Prozent über homosexuelle Kontakte. 20,5 Prozent der Übertragungen erfolgen durch intravenösen Drogenkonsum. Die Präventionsarbeit der Aids Hilfe Wien trägt diesem Umstand Rechnung und versucht mit Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention sexuell übertragene Neuinfektionen zu verringern. Insbesondere gilt es Personen zu erreichen, die auf Grund verschiedener Faktoren ein erhöhtes Infektionsrisiko tragen."

Dazu zählen Drogenkonsument_innen, Frauen, Jugendliche, Migrant_innen, Männer, die Sex mit Männern haben, sowie Personen, die beruflich mit HIV/AIDS in Kontakt kommen. Es geht sowohl um die Enttabuisierung von Sexualität, als auch um Vermittlung von Safer Sex Praktiken und die Anbietung von kostenlosen Antikörper-Tests zur frühzeitigen Diagnose einer HIV-Infektion. Diese ermöglicht einerseits einen rechtzeitigen Behandlungsbeginn und andererseits den Schutz der Sexualpartner_innen.


Präventionsangebote für Frauen und Migrant_innen in Wien


Die AIDS Hilfe Wien hat spezielle Programme für einige Zielgruppen entwickelt. Im folgenden ein Auszug auf dem Tätigkeitsbericht 2009:

Im Zielgruppenbereich Frauen und MigrantInnen wurde Migration über viele Jahre als Sonderprojekt mit Informationsschwerpunkt für Frauen mit Migrationshintergrund geführt. Für ca. ein Jahr wurden die Bereiche selbstständig bearbeitet. Beide Zielgruppen sind durch eine hohe Diversität gekennzeichnet. Vor allem im Bereich Migration zeigt sich die Problematik, dass wenig Wissen vorhanden ist und die Themen HIV/AIDS und Sexualität im Allgemeinen stigmatisiert und tabuisiert werden. In der Zielgruppe Frauen liegt die Herausforderung darin, Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen und darauf hinzuweisen, dass HIV heute mehrheitlich über heterosexuelle Kontakte übertragen wird.

Als Ziele der Präventionsangebote für Frauen und Migrant_innen werden genannt:
* Enttabuisierung von Sexualität und sexuell übertragbaren Krankheiten
* Darstellung von Sexualität als etwas Natürliches und Selbstverständliches
* Information und Aufklärung über sexuelle Gesundheit und sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV/AIDS, Chlamydien und Hepatitis B und C
* Erreichen von Zielgruppen, die einem erhöhten HIV- oder Hepatitis-Infektionsrisiko ausgesetzt sind,
* Abbau von Zugangsbarrieren, Reduktion bzw. Beseitigung von Hemmschwellen
* Entdiskriminierung und -stigmatisierung von HIV/AIDS
* Empowerment und Stärkung der Selbstwirksamkeit


In Zusammenhang mit den Migrant_innenprojekten wurde in den letzten Jahren immer klarer, wie wichtig die Einbeziehung von heterosexuellen Männern als Zielgruppe ist. Dies führt dazu, dass auch diese über die tatsächlichen Risiken einer Infektion bescheid wissen und die Verantwortung nicht auf ihre Sexualpartnerinnen abschieben.

Was uns wieder zurück zum Thema Sexarbeit führt. Denn nach wie vor werden Sexarbeiter_innen für die Verbreitung von STD und HIV/AIDS verantwortlich gemacht.


Das Stigma Promiskuität


Christine Drößler hielt dazu im Jahr 1994 fest: "Den liederlichen Frauen, jenen Frauen also, die aufgrund ihrer Promiskuität oder ihres Berufes in der Sexindustrie gesellschaftlich als Huren stigmatisiert und diskriminiert werden, schreibt die Öffentlichkeit die fast magisch anmutende Fähigkeit zu, all jene Krankheiten zu übertragen, über die man nicht spricht: Syphilis, Tripper, den HIV/AIDS - ganz allgemein: sexuell übertragbare Krankheiten (kurz: STD). Huren werden für die Verbreitung von AIDS in der heterosexuellen Bevölkerung verantwortlich gemacht. Wissenschaftlich ist das Vorurteil, daß Prostituierte für die Verbreitung des HI-Virus AIDS ein wesentlicher Multiplikator sind, nicht haltbar." (Prostituion: Ein Handbuch, Marburg, 1994)

Jetzt stellt sich die Frage, ob die hier kritisierten Ansichten nicht längst überholt sind? Auf :: sexworker.at findet sich ein Verweis auf einen Bericht bei "Nachrichten Heute", laut Selbstbeschreibung einer "Plattform für Journalisten und Whistleblowers". Im Artikel mit dem Titel "Welt Aids-Kongress in Wien, die HIV-AIDS-Leugner laden zum Gegentreffen" vom 11. Juli 2010 wird über die (ebenfalls nicht unproblematische) Gegen-Konferenz "AIDS zwischen Wissen und Dogma", die im Vorfeld der Internationalen AIDS Konferenz am 16. und 17. Juli 2010 im Wiener Museumsquartier stattfindet(1), auf rassistische Stereotype zurückgegriffen und Afrika als ein Kontinent mit massiver Verbreitung von HIV/AIDS bzw. "HIV-Epidemien" dargestellt. Als Grund werden "weit verbreitete Geschlechtskrankheiten" und "hohe Promiskuität" angeführt. Hier ein Zitat:

"Dabei wird die Uebertragung des HIV-Virus enorm erleichtert durch die hier weit verbreiteten ulzerativen Geschlechtskrankheiten, allen voran der Schanker (Chancroid [= weicher Schanker = Ulcus molle seltene Geschlechtskrankheit in Europa; im Gegensatz zur häufigeren Syphilis = harter Schanker, Anm.]), neben der hohen Promiskuität. Gründe, warum sich hier in Afrika die HIV-Krankheit wesentlich umfangreicher ausgebreitet hat, als beispielsweise in Deutschland. Aber auch in Deutschland stagnieren die Zahlen keineswegs, sondern sind in einem langsamen, aber steigen Anstieg begriffen."

Rassistische Vorstellungen bedienen sich hier einer Übersexualisierung von Afrikaner_innen. Afrika gilt in derartigen Vorstellungen als "kranker" Kontinent, seine Bewohner_innen werden als Bedrohung dargestellt. Ein Thema, auf dieses näher einzugehen, den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, deshalb hier lediglich der Verweis auf den Artikel :: 'Fremde Dörfer' - die Präsentation von 'Lebensgewohnheiten' ist in.

Wenn es um wissenschaftliche Erkenntnisse geht, dann dient Afrika als Experimentierfeld, wie auch im oben kritisierten Artikel von "Nachrichten Heute" zu erkennen ist. Dies ist nichts neues und eng verbunden mit rassistisch-kolonialen Hierarchisierungen der Welt. Aus welcher Ecke derartige Aussagen kommen, zeigt ein Vergleich am Ende des Artikels, in dem "Holocaust-Leugner[_innen]" mit "HIV-AIDS-Leugner[_innen]" gleichgesetzt werden.

Ich erspare mir jedes weitere Kommentar zu derartigen Ausführungen und will statt dessen zum Thema Sexarbeit zurück kehren. Dazu ein weiteres Zitat aus dem lesenswerte Artikel von Christine Drößler:
"Wenn Untersuchungen zur Verbreitung von AIDS gemacht werden, dann werden Prostituierte gerne als Versuchsgruppe herangezogen. Bevorzugt werden von Forschern aus Industrienationen besonders Gruppen von Prostituierten, die erstens wenig verdienen, zweitens aus Asien, Afrika und Lateinamerika und hier aus Ländern mit einer hohen HIV-Infektionsrate kommen, drittens ihre Arbeitsbedingungen nicht selbst bestimmen können und viertens keine Möglichkeiten und rechtliche Grundlage haben, die Teilnahme an diesen Untersuchungen zu verweigern."

Diese Vorgangsweise ist kein Beispiel für eine gleichberechtigte Partizipation an gesundheitsfördernden Maßnahmen. Um so wichtiger ist die Teilnahme von Sexarbeiter_innen und weiteren mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontierten Gruppen. Ein Ziel des Engagements von Sexarbeiter_innen im Rahmen der Welt-AIDS-Konferenz ist, Sexarbeiter_innen den uneingeschränkten und weltweiten Zugang zu HIV Prävention, Behandlung und Betreuung zukommen zu lassen. Dieser Zugang zu entsprechender Gesundheitsversorgung wird nicht nur Sexarbeiter_innen weltweit verwehrt, sondern betrifft viele Menschen, die nicht krankenversichert sind oder denen die notwendigen finanziellen Mittel fehlen.


In Richtung antidiskrimierender Sprache


Zur Sprache allgemein ist zu sagen, dass Begriffe wie "Krankheit", "Infizierung", "Ansteckungsgefahr", aber auch Bezeichnungen wie "gefährdete Gruppe" die Stigmatisierung fördern. Sie sind einerseits Teil eines kritischen Diskurses, mit dem versucht wird, Informationen über HIV/AIDS zu verbreiten und über reale Risiken hinzuweisen, wie beispielsweise Safer Sex Praktiken. Andererseits bedienen diese Begriffe auch das Bild einer Bedrohung, mit der HIV positive Menschen und die "gefähredeten Gruppen", die auch als "Risikogruppen" bezeichnet werden, oft gleichgesetzt werden. Es gibt aber zahlreiche Versuche, diese Zuschreibungen zu durchbrechen und antidiskriminatorische Theorien und Praxen zu etablieren. Deshalb ist es wichtig, kritischen Stimmen Gehör zu verschaffen und gemeinsam eine unvoreingenommenere Sprache zu entwickeln.

Dieser Artikel gibt nur einen Einblick in ein sehr komplexes Themenfeld und will den kritischen Diskurs rund um die Konferenz stärken (mehr bei den zahlreichen Links zum Artikel). Doch bedarf es einer breiten gesellschaftlichen Debatte, die die Zusammenhänge zwischen Diskriminierung, Ausgrenzung und dem (oft verwehrten) Zugang zum Gesundheitssystem ins Blickfeld rückt. Ein Ziel könnte dabei sein, allen Menschen einen gleichwertigen Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen. Doch solange diskriminierende Gesetze und Praxen existieren, die die Menschen mit unterschiedlichen Rechten ausstatten, wird vielen Menschen weiterhin eine entsprechende Gesundheitsversorgung verwehrt bleiben. Wenn auf der 18. Internationalen AIDS Konferenz in Wien für Menschenrechte argumentiert wird, dann muss dies immer wieder betont werden. Solange, bis alle Menschen über die gleichen Privilegien verfügen.


Sexarbeiter_innen auf der Welt AIDS Konferenz 2010


Die Konferenz findet am Messegelände in Wien statt. Anreise am Besten mit U2 Station Prater-Messe (direkt bei der Halle A).

Eine Übersicht über aller Sex Work spezifischen Veranstaltungen (Präsentationen, Diskussion, Filme, Poster etc.) gibt die "Roadmap" (:: hier als pdf), wobei Veranstaltungen, die mit CONF markiert sind, nur für registrierte Konferenzdelegierte zugänglich sind. Mit GV markierte Veranstaltungen finden im Global Village statt (Halle A, Messe) und sind für alle zugänglich.

Im Global Village werden Sexworker_innen und in diesem Bereich aktive Organisationen vertreten sein. LEFÖ, maiz, sexworker.at, SXA-Info (Graz) und PiA (Salzburg) sind am Stand Nummer 656 anzutreffen (siehe floorplan, :: hier als pdf). Im "Rotlichtviertel" des Global Village findet ihr außerdem Stände von TAMPEP, ICRSE (europäisches Netzwerk von SexarbeiterInnen und Sexarbeitsprojekten), SWAN (osteuropäisches und zentralasiatisches Netzwerk), DANAYA SO (Mitglied des francophonen afrikanischen Netzwerks), APNSW (asia pacific Netzwerk), SWOP-USA (US-amerikanische SexarbeiterInnenorganisation) sowie eine networking zone des NSWP, des globalen Netzwerks der SexarbeiterInnenprojekte.




Anmerkung:
1 Die Veranstalter_innen von :: "AIDS zwischen Wissen und Dogma" werden u.a. als AIDS-Leugner_innen bezeichnet. Auf den ersten Blick geht dies auf ihrer Homepage nicht ersichtlich, doch wurde u.a. argumentiert: "Auslöser der Erkrankung ist in Europa nicht der HI-Virus, sondern Drogenmissbrauch oder Homosexualität". Derartige Aussagen sind diskriminierend und abzulehnen. Zur Kritik an dieser Konferenz siehe u.a. :: "HIV ist ein harmloses Virus" auf pressetext.com.