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Quellenangabe:
Das Parlament hört nicht zu (vom 27.11.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4289/, besucht am 20.04.2024

[27. Nov 2012]

Das Parlament hört nicht zu

Auf der Refugee-Demo am Dienstag vom Protest Camp im Sigmund-Freud-Park ziehen 800 Menschen durch die Innere Stadt. Unter dem Motto "We demand our rights!" fordern sie das Recht zu bleiben und die Aufhebung des Arbeitsverbots. Mindestens 30 Personen, die am Protestmarsch am Samstag teilgenommen hatten, wurden am Dienstag aus Traiskirchen in die Bundesländer verlegt.

Sie stehen auf den Stufen vor dem Parlament und sprechen ihre Forderungen in ein Megaphon. Die Menge hinter ihnen klatscht und bejubelt sie, als die Redebeiträge erst auf Urdu, dann auf Deutsch vorgetragen werden. Das Parlament nimmt keine Notiz, das Bild ist symbolhaft: Geflüchtete stehen vor den heiligen Hallen des hohen Hauses und schreien die Steine an. Sie fordern ihr Recht auf ein normales Leben ein, viele Menschen mit gesichertem Aufenthaltsstatus, die nicht selbst betroffen sind, zeigen sich solidarisch und unterstützen die Forderungen, die Antwort sind Absperrgitter und ein paar Polizeibeamt_innen, die aufpassen, dass die Forderungen ja vor der Tür bleiben. Gestartet war die Demo am Refugee-Protest-Camp, das mittlerweile seit vier Tagen im Sigmund-Freud-Park ist.

Vom Parlament aus zieht die Demo weiter über den Ring, vorbei am Maria-Theresien-Platz zum :: Marcus-Omofuma-Stein vor dem Museumsquartier. Die Sambaband Rhythms of Resistance spielt, die Leute rufen "No Border, No Nation - Stop Deportation!". Mittlerweile ist die Demo kleiner geworden, 500 Menschen sind noch dabei als es dunkel wird. Nach diesem Stop, bei dem über marcus Omofuma und seinen Tod im Zuge einer gewalttätigen Abschiebung von drei Fremdenpolizisten umgebracht wurde, geht es zurück. Über den Heldenplatz geht es weiter zu Bundeskanzleramt und Innenministerium, dann über den Minoritenplatz und die Herrengasse zurück zum Camp.

Aus Traiskirchen wurde berichtet, dass 20-30 Personen, die am Samstag am Protestmarsch teilgenommen hatten, in ein Lager bei Salzburg verlegt wurden. Das Erstaufnahmelager in Traiskirchen ist mit fast dreimal so vielen Leuten belegt, wie vorgesehen. Dass die ersten, die umquartiert werden, jetzt Personen sind, die sich aktiv an den Protesten beteiligen, ist dennoch ein Akt der Repression und soll einschüchtern. Schon vor wenigen Wochen waren Geflüchtete, die zum Protestcamp der Somalischen Community aus Traiskirchen gekommen waren, auf die abgelegene Kärntner Saualm gebracht worden. Damit sind sie weg vom Protest, weg von der Möglichkeit, sich zu organisieren. Ihre Forderung nach menschenwürdiger Unterbringung wird damit keineswegs erfüllt, denn auch die Lager, in die sie danach kommen, sind Lager, überbelegt, ablegen und erfüllen alles, wogegen die Proteste sich richten. Dazu kommt noch, dass sie meist irgendwo fernab jeglicher Infrastruktur liegen und die Menschen, die dort wohnen müssen, kaum Möglichkeiten auf soziale Interaktion haben.

Obwohl jetzt offenbar wieder damit begonnen wird, aktive Geflüchtete ins österreichische Hinterland zu schicken, sind auch zur Demo am Dienstag wieder 70 Asylsuchende aus Traiskirchen angereist. Viele müssen immer wieder zurück nach Traiskirchen, weil im Lager immer wieder Anwesenheitskontrollen durchgeführt werden.