Quellenangabe:
Ereignisse im und ums Mittelmeer - Teil 9 (vom 25.08.2018),
URL: http://no-racism.net/article/5435/,
besucht am 21.11.2024
[25. Aug 2018]
Die Blockade der Seenotrettung im Mittelmeer geht weiter. Schiffen mit Geretteten wird die Anlandung in Europa verweigert. Doch viele sagen: Das geschieht nicht in unserem Namen. Überall gibt es Proteste gegen die mörderische Politik der EU. Gesammelte Meldungen von 6. bis 20. August 2018.
Es macht fassungslos, dass Menschen auf die Straße müssen um für #Seenotrettung, also das Retten von Menschen zu demonstrieren, das Recht auf Leben, von dieser Politik einzufordern. Es ist kein Verbrechen Menschenleben zu retten, sondern eine Pflicht. (:: Twitter)
Wien - "Eine große Schar an orangen Booten, die zum Teil sogar noch gemeinsam vor Ort gefaltet worden sind, schwamm heute Nachmittag im Brunnen vor der Karlskirche. Am Ende der Aktion wurden die Boote allesamt von uns aus dem Wasser geborgen...
Für eine Entkriminalisierung der Seenotrettung, für die Menschenrechte! Gegen das Sterben im Mittelmeer, das weiter geht, egal ob Schiffe der Lebensretter*innen unterwegs sind oder nicht."
:: Text und Fotos (Facebook) :: mehr Fotos :: Video (Youtube)
St. Pölten "Wir St. Pöltner Gutmenschen sind startbereit mit unserem Infostand am Parque del Sol (Sonnenpark, Spratzener Kirchenweg 81). Neben einem Aktionsschirm, dem Sprachrohr für eure Ideen, Gutmenschen T-Shirts und einem Hassbaum gibt es die Möglichkeit, Rettungsboote zu falten. Wenn auch du für ein gemeinsames, tolerantes, menschliches und solidarisches St. Pölten stehst, freuen wir uns über deinen Besuch, ein Kennenlernen sowie gemeinsame Gespräche bei unserem Stand."
"Knapp 60 Boote wurden von den Teilnehmenden am Parque del Sol in St.Pölten (Niederösterreich) im Rahmen unseres interaktiven St. Pöltner Gutmenschen Standes gebastelt."
:: Facebook
Mehr zum Day Orange im :: Teil 8 der Ereignisse im und ums Mittelmeer
Open Arms soll die Geretteten nach Algeciras bringen an den entlegensten Südzipfel von Andalusien. Colau, donde estàs? Und die andereren Bürgermeister*innen?
:: ffm-online.org :: DW (07. Aug 2018)
Die Europäische Union treibt ihre Pläne zur Schließung der Mittelmeerroute voran. Dazu sollen unter neuen Labels weitere Lager errichtet und Verantwortung auf Afrika abgewälzt werden. Schaffen es Flüchtlinge dennoch nach Europa ist die umgehende Festsetzung, Sortierung und "Abfertigung" das Ziel.
Diesen Artikel von :: Pro Asyl (07. Aug 2018) auf :: no-racism.net lesen
Interview mit Julie Melichar, Research and Evidence Officer an Bord der Aquarius.
Die Aquarius ist nun nach einem Monat Aufenthalt im Hafen von Marseille zurück in den internationalen Gewässern vor der libyschen Küste. Für diese Mission beschlossen SOS MEDITERRANEE und ihr medizinischer Partner an Bord, Ärzte ohne Grenzen (MSF), die Ereignisse im Mittelmeer mit Blick auf den neuen politischen Kontext für Seenotrettung stärker zu bezeugen. So wurde ein neues operatives Tool in Gestalt eines online-Logbuch ins Leben gerufen, es findet sich unter :: onboard-aquarius.org. Es wurde von 10 Freiwilligen der Firma :: Infostrates in Marseille entwickelt. Julie Melichard ist an Bord, um dieses neue Transparenz-Tool laufend zu aktualisieren.
Julie, könntest du in ein paar Worten beschreiben, was genau das Logbuch onboard-aquarius.org ist?
Das :: Logbuch ist ein gemeinsames Tool von SOS MEDITERRANEE und MSF, das quasi in Echtzeit berichtet, was die Aquarius auf See tut, sieht und hört.
Das Tool hat mehrere Ziele: Sachlich und objektiv erklären, was die Aquarius tut und beobachtet, und was für Interaktionen es mit anderen Akteur*innen auf See gibt. Der Gedanke dahinter ist, den Nutzer*innen zu veranschaulichen, worum es bei den Einsätzen geht und in welchem rechtlichen Rahmen sie sich entfalten, wie beispielsweise den Seerechtskonventionen und dem Völkerrecht. Die meisten Einträge werden anhand von Karten, Bildern, Videos, Audioaufnahmen oder Berichten von Geretteten illustriert.
Auf der Website des Logbuchs befindet sich ebenfalls eine Datenbank mit rechtlichen Hinweisen, ein Wörterverzeichnis, das die nautischen und technischen Begriffe erläutert, sowie eine Karte, auf der man die Position des Schiffes live verfolgen kann.
Warum war ein Logbuch überhaupt notwendig?
Wir haben bemerkt, dass es vermehrt zu Verwirrungen und Unklarheiten bezüglich der Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer kam. Manchmal kommt es zu Missverständnissen über das rechtliche und operative Rahmenwerk, in dem wir arbeiten. Also dachten wir, dass ein solches Tool mehr Klarheit schaffen könnte, und dass es uns ermöglicht, unsere Einsätze transparent darzulegen, indem wir diese Informationen veröffentlichen. Wir hoffen, dass die gegenwärtige, sehr komplexe Situation im zentralen Mittelmeer mit diesem Tool für die Öffentlichkeit leichter verständlich wird.
Wer kann das Logbuch nutzen?
Es kann von Journalist*innen, Wissenschaftler*innn, anderen NGOs, Jurist*innen und allen Bürger*innen genutzt werden, die sich dafür interessieren, was die Aquarius tut und bezeugt. Dieses Tool hat auch einen langfristigen Zweck, nämlich als ein mögliches Archiv für spätere Recherchen zum Thema Seenotrettung zu dienen.
Eine der Missionen der Aquarius ist es, zu bezeugen: Wir sind ein ziviler Wächter, der aufzeichnet, was sich im zentralen Mittelmeer ereignet.
Du speist die Informationen direkt von Bord der Aquarius in das Logbuch ein. Wie sieht das im Alltag aus?
Ich verbringe den Großteil meines Tages auf der :: Brücke, dem Kontrollraum des Schiffs. Dort arbeite ich in eng mit den :: wachhabenden Offizieren, dem Rettungskoordinator (:: SARCO) von SOS MEDITERRANEE und dem :: Projektkoordinator von MSF zusammen, um die Situation zu verstehen und die gewonnenen Informationen zügig zu veröffentlichen.
Auf dem Logbuch veröffentliche ich nur Fakten und objektive Informationen über die Geschehnisse hier auf See. Ich fülle eine Chronik aus, wann immer ein neues Ereignis gemeldet werden muss, archiviere begleitende Dokumente, und beobachte den Kontext.
Alles, was wir auf dem Logbuch veröffentlichen, ist mit Informationen belegt. Dabei kann es sich um eine :: VHF-Aufnahme handeln, oder aber um eine Karte, einen Anruf, ein Bild, oder einen Zeugenbericht eines*r Überlebenden an Bord – eben alles, was uns an Bord zur Verfügung steht.
Wie sieht das praktisch aus? Was für Bildschirme oder Tools benutzt du?
Wir nutzen alle Kommunikations- und Navigationsmittel, die sich auf der Brücke befinden: VHF, Telefone, Seenotmeldungen über :: NAVTEX und :: Inmarsat. Auch nutzen wir Informationen, die wir über :: Radar, :: ECDIS, oder :: AIS erhalten. All diese Begriffe werden im Wörterverzeichnis erläutert.
:: SOS Méditerranée (08. Aug 2018)
Der Bericht "Between the devil and the deep blue sea" (:: PDF, en) von Amnesty International dokumentiert die katastrophalen Folgen der Politik, die allein im Juni und Juli zu mehr als 721 Toten im Mittelmeer geführt hat und beleuchtet Maßnahmen italienischer Behörden, durch die Menschen tagelang auf hoher See ausharren müssen. Der Bericht analysiert, wie EU-Staaten gemeinsam darauf hinarbeiten, Menschen auf der Flucht und Migrantinnen und Migranten in Libyen zu halten, wo sie Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind.
"Obwohl die Zahl der Menschen zurückgegangen ist, die in den vergangenen Monaten versucht haben, das Mittelmeer zu überqueren, ist die Zahl der Toten im Meer gestiegen. Die Verantwortung für die steigende Zahl der Toten liegt direkt bei den europäischen Regierungen, denen es wichtiger ist, Menschen draußen zu halten, als Leben zu retten", sagt Matteo de Bellis, Experte für Asyl und Migration bei Amnesty International.
"Die europäische Politik hat die libysche Küstenwache ermächtigt, Menschen auf dem Meer abzufangen. Die Priorität liegt nicht mehr auf der Seenotrettung. Auch die lebenswichtige Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, die diese Aufgabe übernommen haben, wird behindert. Der jüngste Anstieg an Toten im Meer ist nicht nur eine Tragödie, er ist eine Schande", sagt Matteo de Bellis weiter.
:: Amnesty International (08. Aug 2018) :: Bericht auf englisch als PDF
In immer mehr Städten formiert sich Widerstand gegen das Töten im Mittelmeer. Am Donnerstag wird erstmals auch in Wien zu einer Seebrücke-Demonstration aufgerufen. mosaik sprach mit der Initiatorin Lena Köpsell.
mosaik: Lena, du bist an der Organisation der ersten Seebrücke-Demonstration in Wien beteiligt. Wie ist Seebrücke entstanden und was ist die Idee dahinter?
Lena Köpsell: Die Seebrücke-Bewegung wurde Ende Juni in Deutschland gegründet und ist eine internationale Bewegung, die von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen getragen wird. In Deutschland haben sich schon zehntausende Menschen an Aktionen beteiligt und es werden jede Woche mehr.
Das Schöne an Seebrücke ist, dass sich unter diesem breiten Dach ganz viele verschiedene Menschen in europäischen Städten versammeln. Der gemeinsame Name und Aufruf macht uns Mut und gibt uns Sichtbarkeit.
In Deutschland haben sich in den letzten Wochen zehntausende Menschen an den Seebrücke-Demos beteiligt. Warum machen da so viele Menschen mit?
Insgesamt waren mindestens 60.000 TeilnehmerInnen bei bisher 153 Seebrücke-Veranstaltungen an 94 verschiedenen Orten. Ich glaube, das liegt daran, dass viele Menschen sich nicht mehr dieser Lethargie hingeben. Wir alle kennen die Bilder und Zahlen vom Sterben im Mittelmeer. Allein im Juni und Juli sind 700 Geflüchtete, die sich auf den Weg gemacht haben, ertrunken. Immer mehr Menschen sind nicht mehr bereit, diese europäische Politik, die Abschottung, die Kriminalisierung der Seenotrettung von Geflüchteten hinzunehmen. Uns hat es einfach gereicht.
Es braucht die Seebrücke, weil es nicht mehr so weitergehen kann. Weil ich es unerträglich finde, dass in unserem Namen das Mittelmeer zum Massengrab wird und Menschen, die Leben retten, bestraft werden.
Was sind eure konkreten Forderungen?
Als erstes geht es darum die Häfen zu öffnen. Italien und Malta haben die Häfen geschlossen, die Schiffe von Seawatch, Sea-Eye und Lifeline sitzen fest und können keine Menschen mehr retten. Und es kommt jetzt immer wieder vor, dass Schiffe mit Geflüchteten in Not keine Häfen mehr finden, die sie hereinlassen. Das darf nicht sein.
Ein zweiter wichtiger Ansatz sind die Städte und Gemeinden. Immer mehr Gemeinden sprechen sich gegen die Bundespolitik aus und erklären sich zu Solidarity Cities. Das heißt, die Stadt erklärt sich öffentlich bereit, Geflüchteten Schutz zu bieten. Das wäre auch eine Chance für Wien, um praktisch etwas anderes zu machen als die rechte Bundesregierung.
Was plant ihr für eure Aktion am Donnerstag?
Der Donnerstag ist unser Auftakt. Es geht jetzt mal darum, dass wir laut und zahlreich auf die Straße gehen. Wir sind schon jetzt total überwältigt vom Interesse in den sozialen Medien. Trotz Sommer haben sich schon über 1000 Menschen auf Facebook angekündigt. Wir werden also hoffentlich viele sein, wenn wir am Schwedenplatz starten.
Du sprichst von einem Auftakt. Ihr plant also noch mehr?
Klar, die Demo soll nur der Auftakt zu einer starken Bewegung auch in Wien sein. Das hängt dann aber von uns allen ab, ob sich nach dem Donnerstag viele Menschen finden, die aktiv werden, mit weiteren Demos oder auch mit kreativen Aktionen und Veranstaltungen. Aber das Potenzial für eine Bewegung ist da, das kann man spüren.
Von wem geht die Mobilisierung in Wien eigentlich aus?
Wir haben uns vor zwei Wochen als Gruppe zusammengefunden. Hinter uns steht keine bestimmte Organisation, auch wenn uns verschiedene Gruppen natürlich unterstützen. Wir sind einfach verschiedene Leute aus allen Teilen der Gesellschaft, denen diese unmenschliche Politik reicht.
Einige von uns sind auch in anderen Zusammenhängen aktiv, aber wir sind engagierte Einzelpersonen, die gemeinsam handeln. Nicht nur in Wien ist die Seebrücke eine Bewegung, an der sich auch viele Menschen beteiligen, die sich bisher noch nicht politisch engagiert haben.
Orange ist die Farbe der Bewegung, was hat es damit auf sich?
Es ist die Farbe der Rettungswesten. Indem man ein oranges Transparent auf die Demo bringt, ein T-Shirt anzieht oder ein Tuch aus dem Fenster hängt, kann man Solidarität mit Geflüchteten und SeenotretterInnen zeigen. So werden wir als Bewegung sichtbar.
Seit dem Sommer der Migration ist die Stimmung gekippt. War damals die Unterstützung für Geflüchtete auch in Österreich groß, überwiegt jetzt die Ablehnung. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Ja, die Stimmung ist leider als Folge der Politik der Angst gekippt. Es wird das Bild geschürt, dass die flüchtenden Menschen „uns“ irgendwas wegnehmen. Das war die letzten Jahre leider sehr präsent.
Ganz viele Menschen wissen gar nicht, was im Mittelmeer eigentlich passiert. Oder sie verdrängen es. Die Seebrücke ist jetzt die Chance, dass die vielen Menschen sichtbar werden, die nicht damit einverstanden sind, dass Menschen ertrinken. Wir sagen: „Wir wollen in so einem Europa nicht leben! Wir wollen, dass sich etwas ändert!“
Was können wir denn tun, damit sich etwas ändert?
Es liegt natürlich auch in der Verantwortung von jedem und jeder Einzelnen sich gegen die unmenschliche Politik zu stellen. Wenn wir nichts tun, sind wir verantwortlich für die Politik der EU im Mittelmeer und in Libyen. Sie wird in unserem Namen gemacht.
Wir müssen gemeinsam aktiv werden, aber es ist auch wichtig im privaten Umfeld, in der Familie oder am Arbeitsplatz nicht vor Diskussionen und Auseinandersetzungen zurückzuscheuen. Wo wir können, müssen wir Position beziehen und die Menschlichkeit verteidigen.
:: mosaik-blog (08. Aug 2018)
In Wien demonstrieren rund 500 Menschen vom Schwedenplatz zum Innenministerium für „offene und sichere Reisewege für alle“ sowie „Solidarität mit allen Flüchtenden, Migrant*innen und Seenotretter*innen“
:: Aufruf auf no-racism.net :: nochrichten.net Tweet :: Video von Plan B auf Facebook
In Klagenfurt führte eine Runde zu sieben Brunnen und einen Hafen. Start war um 18 Uhr beim Brunnen im Achterjägerpark, von dort ging es vorbei an mehreren Brunnen zum Lendhafen, wo die Runde gegen 20 Uhr endete. Als Zeichen gegen das Sterbenlassen im Mittelmeer wurden orange Papierschiffchen mit der Aufschrift „Seebrücke“ in sieben Brunnen, auf Denkmälern und im Lendhafen hinterlassen sowie unterwegs verteil, nach dem Motto: "Das Ertrinken stoppen - nicht die Retter*innen!"
:: Aufruf auf no-racism.net :: Video auf Facebook
Seit dem 10. Juni wurde es aufgrund der Hafenschließung für Migrant*innen durch Innenminister Salvini zunehmend schwieriger, Ankünfte von Schiffen mit geretteten Migrant*innen an Bord in italienischen Häfen durchzusetzen. Auch die Küstenwache sowie europäische Einheiten wie Frontex und Eunavfor Med hatten mit der Anordnung Salvinis zu kämpfen. Nun haben sich jedoch einige Kritiker*innen der rechtsgerichteten Politik der Regierung widersetzt. Sie stellen die Einfahrtsverweigerung in Frage und möchten prüfen lassen, ob Salvini nicht nur seine Kompetenzen überschritt, sondern auch internationales Recht verletzte. Die Politik der Hafenschließung scheint sich in einer Grauzone der Legalität zu bewegen.
Nachdem im Fall der „Asso28“ zum ersten Mal ein italienisches Schiff unter der Koordination der libyschen Küstenwache 108 Menschen zurück nach Libyen brachte, :: bitten nun Persönlichkeiten aus Kultur, Zivilgesellschaft und Politik, darunter der Bürgermeister von Neapel Luigi De Magistris, die Staatsanwaltschaft Neapel zu prüfen, ob es sich dabei um eine rechtswidrige Zurückweisung handelt. Es ist nicht das erste Mal, dass Italien internationale Übereinkommen, insbesondere die Europäischen Menschenrechtskonvention und die EU-Charta der Grundrechte, verletzt. "Unser Land – :: erinnern sich die Anwält*innen Elena Coccia und Danilo Risi - wurde bereits in der Vergangenheit wegen unrechtmäßiger kollektiver Ablehnung verurteilt. Wir wollen nicht, dass sich dies wiederholt und dass ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird, der durch Ausflüchte und das Spiel mit dem Schwarzen Peter jeden, Minister, Reeder oder Schiffsführer, von der vollen Einhaltung des Gesetzes entbindet.“ Die Anwält*innen nehmen hier Bezug auf das Urteil im Fall Hirsi gegen Italien aus dem Jahr 2012. Drei Jahre zuvor waren Geflüchtete von einem italienischen Zollschiff nach Tripolis zurückgebracht worden, konnten vor dem EuropäischenMenschenrechtsgerichtshof klagen und gewannen. Seitdem gilt zwar ein Zurückschiebungverbot nach Libyen, welches aber nicht in jedem Detail geklärt ist.
Auch der :: Fall des 13. Juli, als Salvini der „Diciotti“, einem Schiff der italienischen Küstenwache, zwei Tage lang die Einfahrt in einen Hafen verweigerte, wurde nun von einem :: Legal Team aufgegriffen. In einer Erklärung an die Staatsanwaltschaft Rom wird Salvini Amtsmissbrauchs, Anwendung privater Gewalt und Entführung vorgeworfen.
Eine Zurechtweisung in seinem Amt als Innenminister könnte seine Selbstsicherheit und -inszenierung zumindest ein wenig ins Wanken bringen.
Aus dem :: Tagebuch der Geschehnisse im zentralen Mittelmeer von borderline-europe.
Was ist seit den Wahlen im März in Italien los? Ein Abriss der Ereignisse von :: borderline-europe / Sizilien über geschlossene Häfen und die Seenotrettung, die nicht mehr gewollt wird.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Politik der Italienischen Regierung und insbesondere dessen Innenminister Matteo Salvini von der faschistischen Lega - in Bezug auf die Abschottung der Migration über das Mittelmeer.
Ganzen Artikel :: auf no-racism.net lesen (:: als PDF)
Presseaussendung - Vom 23. Juli bis zum 05. August reisten die geflüchteten Frauen* der Initiative Women in Exile & Friends auf einer bundesweiten Aktionstour durch Süddeutschland, um sich mit anderen Initiativen zu vernetzen sowie gegen Rassismus und diskriminierende Asylgesetze zu kämpfen. Abschiebelager, AnkER-Zentren, Abschiebungen und die Kriminalisierung von Geflüchteten führten die Frauen* diesen Sommer schwerpunktmäßig in das „Heimat“-Land von Innenminister Horst Seehofer. Nach Ende der Tour veranstaltet Women in Exile zusammen mit den NGOs Sea-Watch e.V. und Jugend Rettet e.V eine Pressekonferenz in Form eines Tribunals. Gemeinsam wollen sie aufzeigen, was Menschen während ihrer Flucht und nach ihrer Ankunft in Deutschland erleben. Einen Schwerpunkt setzen die NGOs auf die Erfahrungen und Erlebnisse der geflüchteten Frauen* und schildern so die direkten Konsequenzen der deutschen Politik und prangern deren rassistische Grundsätze an. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung liegen. Das gemeinsames Ziel des Tribunals lautet: Breaking the Borders
Pressemitteilung, Amsterdam / Berlin / Genf / Marseille / Palermo
12. August 2018 – Die Aquarius, ein von SOS MEDITERRANEE gechartertes und gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen betriebenes Rettungsschiff, hat am Freitag insgesamt 141 Menschen in zwei Rettungseinsätzen gerettet. Die Rettungen sind eine Reaktion auf die immer noch andauernde humanitäre Krise im zentralen Mittelmeer. Beide Organisationen fordern die europäischen Regierungen dazu auf, der Aquarius einen nach geltendem internationalen Seerecht sicheren Hafen zu gewähren, damit die Geretteten an Land gebracht werden können und die Aquarius ihren notwendigen Rettungseinsatz fortführen kann. Die Aquarius hatte auch unter Koordination der libyschen Seenotleitstelle als zuständige Behörde keinen sicheren Hafen für die Geretteten zugewiesen bekommen und fährt nun Richtung Norden, um dort bei anliegenden Seenotleiten einen sicheren Hafen anzufragen.
Am Freitagmorgen (10. August) hat die Aquarius 25 Menschen von einem kleinen Holzboot ohne Motor gerettet, die laut Angaben fast 35 Stunden auf See gewesen waren. Wenige Stunden später rettete das Team der Aquarius 116 Menschen, darunter 67 unbegleitete Minderjährige aus einem überfüllten Holzboot. Über 70% der Geretteten stammen aus Somalia und Eritrea. Der medizinische Zustand der Geretteten ist zwar stabil, weist aber dennoch auf eine erschöpfende Überfahrt und nach Angaben der Geretteten auf einen Aufenthalt unter unmenschlichen Bedingungen hin, die ihren Berichten zufolge in Libyen herrschen.
Während der beiden Rettungseinsätze am Freitag verständigte die Aquarius alle relevanten Behörden, darunter die italienischen, maltesischen und tunesischen Seenotleitstellen sowie die libysche Seenotleitstelle. Letztere bestätigte, dass sie die zuständige Behörde für die Rettungen sei. Am Freitagabend informierte die libysche Seenotleitstelle dann, dass sie der Aquarius keinen sicheren Hafen zuweisen würde; stattdessen forderte sie die Aquarius ausdrücklich auf, bei einer anderen Seenotleitstelle einen sicheren Hafen zu beantragen.
„Wir folgen jetzt den Anweisungen der libyschen Seenotleitstelle und werden nun, wie von ihr gefordert, andere Seenotleitstellen kontaktieren, um einen sicheren Hafen für die Geretteten zugewiesen zu bekommen“, sagte Nick Romaniuk, Rettungskoordinator für SOS MEDITERRANEE. „Das Wichtigste ist, dass die Überlebenden schnellstmöglich an einen sicheren Ort gebracht werden, wo ihre Grundbedürfnisse gedeckt sind und ihnen keine Misshandlungen drohen.“
„Europäische Regierungen haben alle Kraft daraufgesetzt, die libysche Seenotleitstelle zu stärken. Die Ereignisse von Freitag zeigen allerdings, dass diese nicht die Kapazitäten hat, eine Rettung umfassend zu koordinieren“, betonte Aloys Vimard, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen. „Eine Rettung ist erst dann beendet, wenn die Ausschiffung der Geretteten an einem sicheren Ort erfolgt. Die libysche Seenotleitstelle sagte klar und deutlich, dass sie uns ebendiesen nicht zur Verfügung stellen wird. Außerdem hat sie uns nicht über die in Seenot geratenen Boote verständigt, von denen sie Kenntnisse hatte, obwohl die Aquarius in der Nähe war und Hilfe leisten konnte. Letzten Endes war es ein reiner Glücksfall, dass wir diese Boote selbst finden konnten.“
Beunruhigend ist auch, dass Gerettete an Bord der Besatzung berichteten, dass sie vor der Rettung durch die Aquarius fünf verschiedene Schiffe antrafen, diese aber keine Hilfe leisteten. „Das Grundprinzip, hilfesuchende Menschen in Seenot zu retten, ist bedroht. Schiffe sind nämlich unter Umständen nicht mehr bereit, auf die Hilferufe zu reagieren, weil das Risiko zu hoch ist, dass ihnen ein nächstgelegener, sicherer Hafen verwehrt wird und sie alleingelassen werden. Die Politik, die darauf zielt, Menschen um jeden Preis aus Europa fernzuhalten, verursacht noch mehr Leid und Risiken für ohnehin schon schutzbedürftige Menschen“, sagte Vimard.
SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen sind trotz der erfolgreichen Rettung am Freitag zutiefst beunruhigt darüber, dass die humanitäre Hilfe durch die europäische Politik so erschwert wird, dass sie zu steigenden Todeszahlen im Mittelmeer geführt hat. Die Aquarius ist eines von zwei verbliebenen Rettungsschiffen im Mittelmeer. Die Kriminalisierung und Behinderung von humanitären Organisationen sind Ausdruck eines defekten europäischen Asylsystems und der Unfähigkeit europäischer Mitgliedstaaten, ankommende Asylsuchende in Europa zu verteilen.
SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen fordern alle europäischen Regierungen sowie die zuständigen Seenotleitstellen wiederholt dazu auf, der Aquarius einen sicheren Hafen zu gewähren und die humanitäre Krise im Mittelmeer anzuerkennen, anstatt die lebensrettenden Maßnahmen weiter zu behindern.
:: SOS Méditerranée (12. Aug 2018)
(...) Warten auf sicheren Hafen - Während der Rettungsaktionen hat die Crew der Aquarius alle zuständigen staatlichen Behörden informiert, darunter die Seenotrettungszentralen von Italien, Malta und Tunesien und das libysche „Joint Rescue Coordination Center“ (JRCC), welches bestätigte, es sei die Koordinierungsstelle für die Rettungen. Das libysche JRCC informierte die Crew der Aquarius, es werde ihr keinen sicheren Hafen für die Geretteten zuweisen und wies sie an, bei einer anderen Seenotrettungszentrale danach zu fragen. Libyen selbst kann in keinem Fall als sicherer Ort gelten. Menschen, die in internationalen Gewässern gerettet werden, dürfen nicht nach Libyen zurückgebracht werden, sondern müssen gemäß Völker- und Seerecht an einen sicheren Ort gebracht werden. Die Aquarius fährt nun nach Norden, um von einer anderen Seenotrettungszentrale einen nahe gelegenen sicheren Hafen zugewiesen zu bekommen. (...)
Seenotrettung in Gefahr - Die Geretteten berichteten den Teams auf der Aquarius, dass sie auf See zuvor fünf verschiedenen Schiffen begegnet waren, die keine Hilfe geleistet hätten. „Das ist verstörend“, erklärt Vimard. „Offenbar ist nun das grundlegende Prinzip zur Hilfe bei Seenotfällen in Gefahr. Schiffsbesatzungen schrecken möglicherweise vor Hilfe zurück, weil sie damit ein hohes Risiko eingehen, anschließend auf offenen Meer festzusitzen und keinen sicheren Ort zugewiesen zu bekommen, an den sie die Geretteten bringen können. Eine Politik, die Menschen um jeden Preis von Europa fernhalten will, vergrößert so das Leid und zwingt bereits sehr verletzliche Menschen auf noch gefährlichere Wege, um Sicherheit zu finden.“
Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee sind äußerst besorgt über die Politik der europäischen Regierungen, die die humanitäre Hilfe auf See behindert und die die Todeszahlen im Mittelmeer in den vergangenen Monaten nach oben schnellen ließ. Die Aquarius ist nun eines von nur noch zwei verbliebenen humanitären Rettungsschiffen im zentralen Mittelmeer. Die Kriminalisierung und Behinderung humanitärer Organisationen ist eine Folge des größeren Problems eines kaputten europäischen Asylsystems und des Versagens der EU-Staaten, Asylsuchende innerhalb Europas umzusiedeln.
Alle aktuellen Informationen zu den Rettungseinsätzen der Aquarius und ihrer Interaktion mit staatlichen Behörden finden Sie hier :: onboard-aquarius.org
Weitere aktuelle Informationen, Fotos und Videos finden Sie auch auf :: Twitter unter @MSF_Sea.
Weitere Informationen zu aktuellen Lage in Lybien im Artikel :: Ärzte ohne Grenzen protestiert gegen die willkürliche Inhaftierung von Bootsflüchtlingen in Libyen (26. Jul 2018).
:: Ärzte ohne Grenzen (13. Aug 2018)
Vom 23. Juli bis zum 5. August reiste Women in Exile and Friends auf ihrer Sommer-Bustour durch Süddeutschland und die Schweiz, um sich mit anderen Initiativen und Gruppen vernetzen, die gegen Rassismus und diskriminierende Asylgesetze und Regulierungen kämpfen.
Der Fokus unserer Tour:
Berlin, 14.08.2018
Sehr geehrte Herren Bundesminister,
die Rettung Schiffbrüchiger ist nicht nur eine seerechtlich verankerte Pflicht, sondern auch moralisches Gebot. Das von SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen gemeinsam betriebene Rettungsschiff „Aquarius“ hat am vergangenen Freitag 141 Menschen, darunter 67 unbegleitete Minderjährige, in internationalen Gewässern vor der Küste Libyens aus Seenot gerettet. Das Schiff befindet sich derzeit zwischen Malta und Italien.
Bislang wurde der Aquarius, trotz mehrmaliger Nachfrage bei zuständigen Seenotrettungsleitstellen in Europa und Libyen, kein sicherer Hafen zugewiesen. Eine Rettung ist nach internationalem Seerecht jedoch erst dann abgeschlossen, wenn die Geretteten an einem sicheren Ort an Land gegangen sind.
Ärzte ohne Grenzen und SOS MEDITERRANEE fordern die europäischen Regierungen daher auf, dem Rettungsschiff Aquarius gemäß internationalem Seerecht einen sicheren Ort zuzuweisen. Auch die Bundesregierung kann sich hier nicht aus der Verantwortung ziehen. Wir fordern Sie daher auf:
1. Auf Ihre europäischen Partner einzuwirken, die Häfen für die aus Seenot geretteten Menschen zu öffnen und in Übereinstimmung mit internationalem Seerecht der Aquarius einen sicheren Hafen zuzuweisen.
2. Ihre eigene Bereitschaft zu bekunden, Gerettete der Aquarius in Deutschland aufzunehmen, um eine schnelle und angemessene Versorgung sicherzustellen.
3. Sich entschlossen gegen die Kriminalisierung von Flucht und von humanitärer Hilfe im Mittelmeer zu positionieren.
4. Klarzustellen, dass Libyen keinesfalls ein sicherer Ort ist und dass Gerettete nicht nach Libyen zurückgebracht werden dürfen, weil ihnen dort willkürliche Inhaftierung und sogar Zwangsarbeit und Misshandlung drohen.
Als humanitäre Organisationen sind wir entsetzt über die Politik der europäischen Regierungen, die internationales Seerecht missachtet und die humanitäre Hilfe auf See behindert. Dies hat in den vergangenen Monaten zu einem massiven Anstieg der Todeszahlen im Mittelmeer geführt.
Gerne stehen wir Ihnen für ein Gespräch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Verena Papke, Geschäftsführerin SOS MEDITERRANEE Deutschland e.V.
Florian Westphal, Geschäftsführer Ärzte ohne Grenzen e.V.
:: SOS Méditerranée (14. Aug 2018)
SOS MEDITERRANEE, die die Aquarius gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen betreibt, hat in den in den vergangenen zwei Jahren alle aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt, die sich aus den Zuständigkeiten des Flaggenstaates Gibraltar ergaben. Dasselbe gilt für alle technischen Kontrollen im Hinblick auf die Sicherheit des Schiffes. Mängel wurden nie vermeldet.
Obwohl die Aquarius in den letzten zweieinhalb Jahren mehr als 200 Such- und Rettungseinsätze in vollständiger Transparenz durchgeführt und regelmäßig alle zuständigen Behörden informiert hat, unternimmt die gibraltarische Seebehörde nun den Versuch, ein politisches Manöver hinter einer haltlosen Behauptung zu verschleiern:
1. Indem sie vorgibt, dass gesonderte Genehmigungen erforderlich seien, um Rettungseinsätze durchzuführen. Das Prinzip der Seenotrettung ist übergreifend und universal, und trifft auf alle Flaggen, alle Schiffe und auf alle Meere zu. Zudem sind alle Einsätze der Aquarius stets in strikter Übereinstimmung mit dem Seerecht und den zuständigen Seebehörden durchgeführt worden.
2. Indem sie einen künstlichen Unterschied zwischen einem „Vermessungsschiff“- und einem „Rettungsschiff“ macht. Dieser Unterschied beruht auf keiner technischen Grundlage. Die Aquarius wurde von den zuständigen Behörden, die selbst in mehreren Fällen Gerettete an die Aquarius übergeben haben, stets als für die Seenotrettung gut geeignet befunden. Darüber hinaus hat die gibraltarische Seebehörde selbst die Aquarius als Rettungsschiff bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) registriert.
3. Indem sie widersprüchlicherweise vorgibt, sich um das Schicksal der 141 Menschen an Bord der Aquarius zu sorgen und auf die Verpflichtungen der Küstenstaaten des zentralen Mittelmeeres verweist, gleichzeitig aber mit diesem Schritt inmitten eines laufenden Rettungseinsatzes der Aquarius die unverzügliche Schutzgewährung der Überlebenden beeinträchtigt.
Die Aquarius und ihr Reeder standen in Kontakt mit der gibraltarischen Seebehörde, um auf ihre missbräuchliche Argumentation zu reagieren. Die Veröffentlichung einer Pressemitteilung ist Zeichen des bewussten Willens, die Rettungseinsätze der Aquarius, eines der letzten zivilen und humanitären Rettungsschiffe im Mittelmeer, zu stoppen.
SOS MEDITERRANEE steht unter strikter Einhaltung der Gesetze und Vorschriften, die im Mittelpunkt seiner Mission stehen, weiterhin für eine offene, transparente und faire Diskussion mit der gibraltarischen Seebehörde zur Verfügung.
:: SOS Méditerranée (14. Aug 2018)
Die Aquarius, gechartert von SOS MEDITERRANEE und gemeinsam betrieben mit Ärzte ohne Grenzen (MSF), erhielt am Mittwochmorgen von den maltesischen Behörden die offizielle Erlaubnis zur Einfahrt in den Hafen von Valletta.
SOS MEDITERRANEE ist erleichtert über die Bereitstellung eines sicheren Hafens für die 141 Überlebenden, die am Freitag im zentralen Mittelmeer in zwei verschiedenen, von der libyschen Seenotleistelle koordinierten Einsätzen gerettet wurden. Wir begrüßen die Nachricht, dass Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Portugal und Spanien sich darauf verständigt haben, die Verantwortung in einer koordinierten europäischen Antwort zu teilen.
Seit den Rettungen am Freitag ist es unsere Priorität, das Wohlbefinden der Geretteten sicherzustellen und sie ohne Verzögerung und im Einklang mit internationalem Seerecht an einem sicheren Hafen anzulanden, sodass die Aquarius weiter die dringend benötige humanitäre Unterstützung für die sich im zentralen Mittelmeer in Seenot befindenden Menschen bereitstellen kann. Da Malta einen der nächstgelegenen sicheren Häfen bietet, ermöglicht die dortige Anlandung, dass die geretteten Menschen nicht noch länger auf dem Rettungsschiff ausharren müssen.
Langfristige, nachhaltige Lösungen, die die humanitäre Krise im zentralen Mittelmeer angehen, werden jedoch noch immer dringend gebraucht. Diese liegen in der Verantwortung der gesamten Europäischen Union. Wir freuen uns darauf, zukünftig weitere, konkrete Beispiele europäischer Führung und Solidarität bei diesem Thema zu sehen.
Wir bleiben ernsthaft besorgt über die aktuelle Situation im zentralen Mittelmeer und die Zukunft von humanitären Einsätzen auf See.
:: SOS Méditerranée (15. Aug 2018)
:: Weitere Informationen auf onboard-aquarius.org
Die Aquarius ist in den Hafen der maltesischen Hauptstadt Valletta eingelaufen. Ärzte ohne Grenzen ist erleichtert, dass ein sicherer Ort für 141 schutzbedürftigen Menschen gefunden wurde, die am Freitag auf dem Mittelmeer gerettet wurden. Wir begrüßen die Nachricht, dass Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Spanien ebenfalls die Verantwortung für eine koordinierte europäische Antwort übernehmen.
Die Aquarius, die gemeinsam von SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen betrieben wird, hatte am Freitag 141 Menschen in zwei Booten aus Seenot gerettet. Mehr als zwei Drittel stammen aus Somalia und Eritrea. Unter den Geretteten sind zwei schwangere Frauen und 73 Minderjährige, davon 67 unbegleitet. Viele sind mangelernährt und haben Verletzungen. Zahlreiche berichten, dass sie in Libyen unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten wurden.
Seit der Rettung am Freitag ist es unsere Priorität, das Wohlergehen der aus Seenot Geretteten zu gewährleisten und sie gemäß internationalem See- und Völkerrecht unverzüglich an einem sicheren Ort von Bord gehen zu lassen. Nur so kann die Aquarius weiterhin dringend benötigte humanitäre Hilfe für die Menschen leisten, die im zentralen Mittelmeerraum noch in Not sind. Valletta ist einer der nächstgelegenen sicheren Häfen. Dort anzulegen erspart den geretteten Menschen, noch länger auf der Aquarius ausharren zu müssen.
Nach wie vor sind allerdings dauerhafte tragfähige Lösungen zur Bewältigung der humanitären Krise im zentralen Mittelmeer dringend erforderlich. Dies liegt in der Verantwortung der gesamten EU, und wir erwarten zukünftig weitere konkrete Beispiele europäischer Führung und Solidarität in dieser Frage. Wir sind nach wie vor sehr besorgt über die derzeitige Lage im zentralen Mittelmeer und die Zukunft der humanitären Hilfe auf See.
:: Ärzte ohne Grenzen (16. Aug 2018)
Während die von SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen betriebene Aquarius am gestrigen Donnerstag den Hafen von Valletta nach geglückter Rettung verlassen konnte, wird das Rettungsschiff Sea-Watch 3 seit 51 Tagen am Auslaufen gehindert, obwohl alle Bedingungen des Flaggenstaates erfüllt sind und notwendige Registrierungen vorliegen. Sea-Watch fordert die maltesische Regierung auf, die politisch motivierte Blockade einsatzbereiter Rettungsmittel unverzüglich zu beenden und nicht weiter Menschenleben zu gefährden.
Obwohl wir froh sind, dass zumindest eine NGO den maltesischen Hafen Valletta verlassen darf, ist Sea-Watch nach wie vor besorgt über das systematische Vorgehen gegen die gesamte zivile Rettungsflotte. Selbst wenn alle NGOs im Einsatz wären, ein Szenario, das derzeit unwahrscheinlich erscheint, würde die Such- und Rettungskapazität aufgrund des Rückzugs der europäischen Marinemissionen und der Weigerung Italiens, die Verantwortung für die Koordinierung der Seenotrettung in diesem Gebiet zu übernehmen, auf einem alarmierenden Tiefstand bleiben. Die Sea-Watch 3 wird seit dem 02. Juli 2018 im Hafen festgehalten, obwohl bereits im Juli von Malta angeforderte, niederländische Inspektoren offiziell bestätigten, dass die Sea-Watch 3 alle Bedingungen des niederländischen Flaggenstaates erfüllt und die notwendigen Registrierungen vorliegen. Bis dato haben die maltesischen Behörden Sea-Watch nicht mitgeteilt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um wieder auslaufen zu können. Pia Klemp, Kapitänin der Sea-Watch 3: „Die maltesische Regierung erfindet nebulöse Bedingungen, die durch kein internationales Gesetz oder eine Verordnung des Flaggenstaates abgedeckt sind, der bereits grünes Licht gegeben hat. Während sich die zivile Seenotrettung mit absurden Vorwürfen konfrontiert sieht, schert sich die maltesische Regierung mit Rückendeckung der Europäischen Union nicht um Recht und Gesetz. Das ist eine politische Kampagne auf dem Rücken von Menschen in Seenot.“
Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch: „Dass sich europäische Politiker für die Aufnahme der Geretteten der Aquarius gegenseitig auf die Schulter klopfen und der maltesische Premier Muscat von einem konkreten Beispiel für europäische Führung und Solidarität spricht, ist unwürdig und zynisch, wenn um jeden Geflüchteten gefeilscht wird und zugleich einsatzbereite Rettungsschiffe davon abgehalten werden, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Dass fünf Schiffe am Bootsunglück vorbeifuhren, bevor die Aquarius die Menschen retten konnte, zeigt wohin die unverantwortliche Politik der Europäischen Union führt.“
Während der Blockade der zivilen Rettungsschiffe haben bereits mindestens 261 Menschen im Mittelmeer ihr Leben verloren, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. So hatte bspw. die spanische Rettungsorganisation Proactiva Open Arms im Juli die Leichen einer Frau und eines Kindes sowie eine Überlebende geborgen, die offenbar von der sogenannten libyschen Küstenwache in einem zerstörten Boot zurückgelassen wurden, da sie nicht nach Libyen zurückgebracht werden wollten. Johannes Bayer: „Die Blockade ziviler Rettungsschiffe bedeutet nicht nur mehr Tote im Mittelmeer. Sie dient auch dazu, sich den Zeugen der Menschenrechtsverletzungen zu entledigen, die von der sogenannten libyschen Küstenwache begangen werden, welche maßgeblich von der EU finanziert und ausgebildet wird. Dass zugleich auch die Mission unseres Aufklärungsflugzeugs Moonbird verhindert wird, bestätigt unsere Annahme.“ Die Verletzung von Menschenrechten beschränkt sich allerdings nicht auf die sogenannten libysche Küstenwache. Am 30. Juli 2018 brachte das italienische Schiff Asso Ventotto aus internationalen Gewässern Gerettete Personen zurück nach Libyen und verstieß damit gegen die Genfer Flüchtlingskonvention sowie die Europäische Menschenrechtskonvention.
:: Sea-Watch.org (17. Aug 2018)
Ein Kommentar von SOS MEDITERRANEE zum Welttag der Humanitären Hilfe (19. August), veröffentlicht auf dem :: Blog von VENRO (Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen in Deutschland).
Am vergangenen Mittwoch erlaubte die maltesische Regierung mit der Unterstützung von sechs europäischen Ländern, darunter Deutschland, nach fast fünftägigem Warten auf hoher See :: unserem Rettungsschiff Aquarius mit 141 Überlebenden an Bord die Einfahrt in den Hafen von Valletta in Malta. Fast die Hälfte der Geretteten waren Minderjährige aus Somalia und Eritrea. Tagelang trieb die Aquarius, das gemeinsam von Ärzte ohne Grenzen und SOS MEDITERRANEE betriebene Rettungsschiff, auf hoher See zwischen Malta und Italien, weil zunächst kein europäisches Land sie aufnehmen wollte. Nicht zum ersten Mal: Erst im Juni musste die Aquarius mit über 600 Überlebenden an Bord eine knappe Woche auf See ausharren, bis sich die spanische Regierung bereit erklärte, die Aquarius die Einfahrt nach Valencia zu erlauben. Italien und auch Malta hatten die Aufnahme als nächstgelegene Häfen verweigert.
Was in beiden Fällen als „humanitärer Akt“ und „konkretes Beispiel für europäische Solidarität“ bezeichnet wurde, offenbart, wie unberechenbar die Lage im Mittelmeer für die zivilen Seenotretter_innen inzwischen geworden ist. Zugleich führt die Anerkennung der libyschen Seenotleitstelle sowie der libyschen Küstenwache durch die europäischen Regierungen dazu, dass aus Libyen flüchtende Menschen oftmals wieder zurückgeführt werden. Die Tatsache, dass in den letzten Monaten immer weniger Seenotrettungsorganisationen ihre lebensrettenden Arbeiten auf dem Mittelmeer durchführen konnten, hatte den Tod von über 700 Menschen zur Folge, die auf ihrer Flucht über das Mittelmeer ertranken.
Seenotrettung ist nicht nur Pflicht, sondern auch moralisches Gebot. Seit 2015 haben zivile Seenotrettungsorganisationen im zentralen Mittelmeer Zehntausende Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Die Rettung Schiffbrüchiger und ihr Anlanden in einem sicheren Ort sind nicht nur eine seerechtlich verankerte Pflicht, sondern auch ein moralisches Gebot. Allein die Aquarius hat bis heute 29.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet.
In den letzten Monaten haben die europäischen Mitgliedsstaaten die Arbeit humanitärer Organisationen zunehmend behindert. Rettungsschiffe wurden unter fadenscheinigen Argumenten festgesetzt, Italien hat seine Häfen für Seenotrettungsorganisationen komplett geschlossen. Wie dringend die zivilen Rettungsschiffe jedoch noch immer gebraucht werden, haben die vergangenen Tage gezeigt, in denen wir nicht nur 141 Menschen aus zwei kaputten Holzbooten retten konnten, sondern auch Funksprüche über Seenotfälle mitgehört haben. Je weniger Rettungskapazitäten, desto mehr Tote – denn die Menschen flüchten weiter vor der Situation in den Herkunfts- und Transitländern, insbesondere in Libyen.
Währenddessen setzen die europäischen Mitgliedsstaaten in Abwesenheit einer gemeinsamen und solidarischen Antwort auf die humanitäre Tragödie im Mittelmeer auf die Kooperation mit fragwürdigen Akteuren wie der libyschen Küstenwache. Diese hat seit Jahresbeginn etwa 10.000 Menschen auf dem Mittelmeer abgefangen und zurück nach Libyen gebracht, wo sie oftmals in Internierungslagern gefangen und schwersten Misshandlungen ausgesetzt sind. :: SOS MEDITERRANEE wurde in der Vergangenheit wiederholt Zeugin, wie die libysche Küstenwache Menschen auf hoher See abfängt, gegen ihren Willen zurück nach Libyen bringt, und dabei das Leben von Flüchtenden in Gefahr bringt. Das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtende und Migrant_innen in Libyen ist umfassend dokumentiert.
Die Aquarius muss schnellstmöglich ins Mittelmeer zurückkehren. Als humanitäre Organisation sind wir entsetzt über die Politik der europäischen Regierungen, die internationales Seerecht missachtet und die humanitäre Hilfe auf See behindert. Solange die EU nicht in der Lage ist, ein europäisches Seenotrettungsprogramm zu etablieren, müssen die europäischen Regierungen Rettungsschiffen im Einklang mit internationalem Seerecht ohne Verzögerung einen sicheren Hafen bereitstellen. Die Menschen, die wir mit der Aquarius retten – oft unbegleitete Minderjährige, die in Libyen Opfer physischer Gewalt bis hin zur Folter wurden – sind besonders schutzbedürftig und bedürfen einer schnellen und angemessen Versorgung, die nur an Land sichergestellt werden kann. Nordafrikanische Staaten wie Libyen sind dazu nicht in der Lage.
Darüber hinaus müssen die europäischen Mitgliedsstaaten, allen voran die deutsche Bundesregierung, die lebensrettende Rolle der zivilen Rettungsorganisationen anerkennen und sich entschlossen gegen die Kriminalisierung von Flucht und humanitärer Hilfe im Mittelmeer stellen. Wenn die zivilen Retter_innen weiter behindert werden, wird es nicht nur weniger Schiffe geben, um Menschen aus Seenot zu retten, sondern auch weniger Möglichkeiten, das tatsächliche Ausmaß des Sterbens im Mittelmeer zu bezeugen.
Es wird sich zeigen müssen, ob die Antwort Maltas und einiger aufnahmewilliger europäischer Staaten künftig als Blaupause für eine gesamteuropäische Lösung dienen kann. Was hingegen feststeht, ist, dass die Aquarius schnellstmöglich ins Mittelmeer vor die libysche Küste zurückkehren muss. Denn solange Menschen weiterhin ihr Leben riskieren, um vor der Gewalt in ihren Herkunftsländern und Libyen zu fliehen, muss humanitären Organisationen der Zugang im Mittelmeer gewährt werden.
:: VENRO (17. Aug 2018)
Die Initiative „Alarmphone “ hat eine Notrufnummer geschaltet, auf der sich Flüchtende in Seenot melden können. Das Alarmphone versucht Hilfe zu organisieren und dokumentiert die Notfälle.
Audiointerview von :: Stoffwechsel / Radio Z auf :: freie-radios.net anhören.
Testimony #51 vom 14.08.2018, an Bord der Aquarius
Abdi und Hamza*, 16 und 17, aus Somalia
Wir sind zusammen gereist und haben die letzten drei Jahre in Libyen verbracht. Als wir 13 und 14 Jahre alt waren, wurde unser Heimatort in Somalia von einem Konflikt heimgesucht. Hamza musste mit ansehen, wie fünf seiner Brüder und sein Vater vor seinen Augen getötet wurden. Seine Mutter lebt noch, doch weiß er nicht, wo sie ist. Ich bin eines von acht Kindern, und auch ich musste zusehen, wie fünf meiner Brüder getötet wurden.
Nachdem wir beide mit ansehen mussten, wie unsere Familienmitglieder ermordet wurden, flohen wir auf einem Boot aus dem Sudan in den Jemen. Als wir dort ankamen, erwartete uns auch dort Krieg. Wir brauchten vier Monate, um den Jemen wieder verlassen zu können, kehrten übers Meer in den Sudan zurück und reisten von dort nach Libyen. Wir wurden für längere Zeit in Gefangenschaft gehalten.
Wir wurden beide gefoltert – wir wurden geschlagen und bekamen Elektroschocks. Unsere Körper sind mit Narben und Wunden übersät, und wir wurden um Geld erpresst. Nachdem zum vierten Mal Geld von uns gefordert wurde, sagten wir den Menschen, die uns festhielten, dass sie uns einfach töten sollten. Wir flehten diese bewaffneten Männer an, uns einfach umzubringen. Wir wollten, dass unser Leben vorbei ist. Erst in dem Moment wurden wir freigelassen.
Das Leben in Libyen ist kein Leben. Alle Menschen wenden sich zum Meer, das ist die einzige Möglichkeit zu leben.
*Name von der Redaktion geändert.
:: SOS Méditerranée (20. Aug 2018)