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Quellenangabe:
Eereignisse im und ums Mittelmeer - Teil 14 (vom 15.11.2018),
URL: http://no-racism.net/article/5490/, besucht am 26.12.2024

[15. Nov 2018]

Eereignisse im und ums Mittelmeer - Teil 14

Die Sterblichkeits- rate im Mittelmeer steigt auf ein Rekordniveau - während die zivile Seenotrettung weiter blockiert wird. Viele Menschen werden zwar aus Seenot gerettet, doch von der libyschen Küstenwache zurück in das krisen- geschüttelte Land gebracht, in dem Geflüchteten und Migrant*innen Ausbeutung, Folter, Gewalt und Tod drohen. All dies geschieht nicht nur unter Zustimmung der Politik Europas - sondern in derem Auftrag. Meldungen vom 1. bis 11. Oktober 2018.

Die Aquarius, der die Flagge erneut entzogen wurde, kehrte in den Hafen von Marseille zurück, während die Zahl der Toten im Mittelmeer dramatisch steigt.

In Riace im Süden Italiens erfasste die Repression u.a. den Bürger*innenmeister Mimmo Lucano, über den wegen Beihilfe zur heimlichen Migration Hausarrest verhängt wurde. Er hatte gemeinsam mit Migrant*innen einem ehemals verlassenem Dorf neues Leben verliehen. In ganz Italien zeigen Menschen Solidarität mit Riace - und protestieren gegen das :: rassistische "Salvini Dekret".

Erinnert wird an die Ereignisse vom 3. Oktober 2013 vor Lampedusa. Damals sank ein Boot auf dem Weg von Libyen nach Lampedusa in der Nähe der Insel und führte zum Tod von 369 Menschen.

Mit der Mare Jonio brach am fünften Jahrestag dieses tödlichen Schiffsunglücks ein neues Schiff in Richtung der Such- und Rettungszone im zentralen Mittelmeer auf. Die Crew an Bord will die „dramatische Lage“ der Migrant*innen auf der Flucht aufdecken.

Die Moonbird erhält nach mehr als drei Monaten wieder eine Starterlaubnis und kann den Einsatz als Aufklärungsflugzeug wieder aufnehmen.

Im westlichen Mittelmeer nehmen die Überfahrten weiter zu - doch auch die Repression, wie am Beispiel Marokkos zu sehen ist: So wurden zahlreiche Boote abgefangen und es gab erneut Schüsse auf Boat-people, während im Landesinneren die Razzien gegen Migrant*innen weiter gehen...







Aquarius auf dem Weg nach Marseille (01. Oktober 2018)


Die ‚Aquarius‘ befindet sich auf dem Weg nach Marseille – ohne Flagge. Die Möglichkeit, dass damit auch das letzte private Rettungsschiff aus dem Mittelmeer verbannt wird, wird zunehmend konkreter. Welche Szenarien sind im Moment überhaupt vorstellbar?

Faktisch gibt es lt. Corriere della Sera drei Optionen:
1. die Regierung von Panama revidiert ihre Entscheidung und die Aquarius fährt weiter unter panamesischer Flagge.
2. ein europäischer Staat bietet seine Hilfe an, so dass die Aquarius dort registriert werden kann
3. die Aquarius stellt die Rettungsmissionen ein.

:: FFM-ONLINE :: Corriere della Sera (01. Oct 2018)


Lampedusa, 3. Oktober 2013. Der Schiffbruch der Wahrheit (01. Oktober 2018)


Dieser Bericht beinhaltet und analysiert die Ereignisse, die sich am 3. Oktober 2013 abgespielt haben. Er stellt die auf diesen Tag folgenden politischen und ökonomischen Konsequenzen dar, sowie deren Zusammenhang mit dem wahrheitswidrigen Gebrauch, den die Propaganda der Regierung von den Geschehnissen gemacht hat. Das Dokument basiert auf den Zeug*innenaussagen der ersten Helfer*innen und der wenigen Überlebenden. Viele dieser Aussagen sind bisher ignoriert worden oder haben nur unzureichend Berücksichtigung in offiziellen Ermittlungen gefunden.

Diese Recherchearbeit und Analyse des Massakers vom 3. Oktober 2013 in Lampedusa ist als Hintergrund zu dem von Antonino Maggiore erarbeiteten und von Libera Espressione produzierten Video entstanden, das den Titel :: „Lampedusa 3. Oktober 2013. Die Tage der Tragödie“ trägt.

Die erste Fassung dieses Dokuments wurde im Jahr 2015 veröffentlicht. Heute veröffentlichen wir eine ergänzte und korrigierte Fassung, angesichts der späteren Entwicklungen rund um die Ereignisse von Lampedusa am 3. Oktober 2013.

Nachdem 5 Jahre seit den Geschehnissen vergangen sind, halten wir es für richtig, die Aufmerksamkeit wach zu halten, und sie insbesondere auf jene Punkte zu lenken, die auf die ökonomischen und politischen Interessen hinweisen, die sich hinter dieser fehlgeschlagenen Rettung und vielen anderen Schiffbrüchen verbergen.

Wir halten die Gesetze der Europäischen Union, die den Mitgliedstaaten auferlegt wurden, um Zugang zu dem Binnenmarkt und dem Schengenraum zu erhalten, für die Ursache der aktuellen Migrationsprobleme im Mittelmeerraum.

Es kann bis zu 10.000 Euro und viele Jahre kosten, bis man in Europa ankommt. Oft flieht man vor Krieg, in anderen Fällen vor der Ausbeutung des eigenen Wohn- und Lebensraums, oder man ist einfach auf der Suche nach Arbeit. Wenn die Gelder, die für die Militarisierung der Grenzen im Namen der Sicherheit oder für das Festhalten der Migrant*innen in den Lagern als gängige Aufnahmepraxis ausgegeben werden, stattdessen in Maßnahmen für die geregelte Einreise oder für die Arbeitspolitik investiert worden wären, hätten wir nicht Tausende von Menschen auf diese Art und Weise sterben sehen.

Aus unserer Sicht bildet das aktuelle Wirtschaftssystem die Ursache der Probleme, denn der Profit wird als Handelsmaxime für jegliches Handeln angewendet. Der neoliberale Kapitalismus, dessen politischer Ausdruck in der EU gesehen werden kann, verursacht täglich Tausende von Opfer, die weder in der Berichterstattung der Tagesnachrichten, noch in den Vertretungen der Staaten Widerhall finden. Sie dienen keinerlei Rechtfertigung von Politiken, im Gegenteil sind sie lediglich dessen Opfer. Niemand wird von ihnen sprechen, niemand ihre Namen nennen.

Dies stellt wahrlich eine der widersinnigsten Folgen des Massakers des 3. Oktobers dar: Die Opfer werden beständig heraufbeschworen, um die Politik jener zu rechtfertigen, die für ihren Tod verantwortlich sind.

Den Opfern des kapitalistischen Imperialismus.

Kollektiv Askavusa
Lampedusa, 1. Oktober 2018

Übersetzung aus dem Italienischen von Alma Freialdenhoven.

:: Kollektiv Askavusa (italiano, 01. October 2018) :: Borderline Sicilia





„Spaniens Küstenwache rettet fast 700 Bootsflüchtlinge“ (01. Oktober 2018)


Nach Angaben der Spanischen Küstenwache waren die Menschen in Marokko aufgebrochen und stammten zumeist aus dem Maghreb und aus Ländern südlich der Sahara.

Am Sonntag seien 270 Menschen von sieben Booten auf Schiffe der Küstenwache aufgenommen worden. Unter ihnen seien sieben Babys und Kleinkinder gewesen. Im Verlauf des Samstags seien sogar 405 Menschen gerettet worden, sagte der Sprecher der spanischen Küstenwache.

:: FFM-ONLINE :: DW (01. Oct 2018)


Noch nie so viele Tote im Mittelmeer (02. Oktober 2018)


La Stampa berichtet, dass die ‚Colibri‘, ein Aufklärungsflugzeug der französischen NGO, eine Leiche vor der libyschen Küste gesichtet hat, bei der es sich vermutlich um das Opfer eines Schiffsunglücks handelt. Aus Marokko wird ein weiteres Schiffsunglück gemeldet, bei dem mindestens 34 Menschen ums Leben gekommen sind.

:: FFM-ONLINE :: La Stampa (02. Oct 2018)


Marokko-Spanien: 24 Stunden lang SOS-Rufe, 34 Boat-people tot! (02. Oktober 2018)


Ein Boot mit 60 Leuten an Bord, darunter 20 Frauen und drei Kinder, trieben seit dem Vortag in Marokkanischen Gewässern. 34 von ihnen starben, darunter zwei Kinder.

Spanien und Marokko müssen ihre Bemühungen zur Koordination der Verteidigung der Rechts auf Leben verstärken und nicht die Militarisierung der Grenzen. Die meisten der Boote, mit den Leute reisen, sind beschädigt, alt und in schlechtem Zustand. Es ist schlimm, dass die Leute die Reise unter derartigen Bedingungen akzeptieren müssen.

:: FFM-ONLINE :: twitter.com/#FronteraSur (02. Oct 2018)


Toter Körper deutet auf ein neues Schiffswrack hin (02. Oktober 2018)


Ein Leichnam, der gestern vom zivilen Überwachungsflugzeug Colibri gesichtet wurde, deutet auf ein erneutes Schiffsunglück im zentralen Mittelmeer hin. Das Fehlen geeigneter Rettungsmittel und die Blockade der zivilen Rettungsflotte machen das zentrale Mittelmeer zu einer tödlichen Blackbox: Mehrere Schiffbrüche ereigneten sich bereits, da Malta Rettungsschiffe daran hindert, ihre Aufgabe zu erfüllen. Ein Schiffsunglück wurde Anfang September nur deshalb öffentlich, weil MSF Überlebende befragte, die zuvor von der sogenannten Libyschen Küstenwache gerettet wurden. Nun deutet eine Leiche, die von der Flugzeugbesatzung von Sea-Watch und der französischen NGO Pilotes Volontaires entdeckt wurde, wahrscheinlich auf einen weiteren Schiffbruch hin.

Die Überquerung des zentralen Mittelmeers ist nach offiziellen Angaben der IOM bereits die tödlichste Fluchtroute der Welt, aber die tatsächliche Zahl der Todesopfer könnte viel höher sein, wie die traurige Entdeckung von gestern zeigt.

Der schwimmende Leichnam wurde nördlich der libyschen Stadt Zuwarah an der Position 33°32’N012°38’E gefunden. Die Strände bei Zuwarah sind für Flüchtende oft Ausgangspunkt ihres Versuches, die europäische Außengrenze auf dem Seeweg zu überwinden, da es keine sicheren und legalen Fluchtwege gibt. Auch wenn sich kein einziges Rettungsschiff mehr im Einsatz befindet, versuchen die Menschen weiterhin, den Bedingungen in Libyen zu entkommen, wie es die jüngsten Missionen des zivilen Suchflugzeugs Colibri zeigen.

„Während Herr Muscat Bilder von süßen geretteten Hunden twittert, ist das die Realität auf See, die er verstecken will, indem er zivile Rettungskräfte daran hindert, ihre Arbeit zu verrichten„, sagt Tamino Böhm, Leiter der Luftaufklärung bei Sea-Watch, der an Bord des Colibri-Flugzeugs war, als die Leiche gefunden wurde. „Die gestrige traurige Entdeckung ist besonders beunruhigend, da sie zeigt, dass die Zahl der Todesopfer im Mittelmeer tatsächlich viel höher sein könnte, als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen„, sagt Böhm. „Es ist ein Skandal, dass die europäischen Behörden das Mittelmeer in eine tödliche Blackbox verwandeln, indem sie Rettungen durch zivile Seenotrettung verhindern. Umso wichtiger ist unsere Rolle, Zeugen aus der Luft dessen zu sein, was sich an den europäischen Außengrenzen abspielt.“

Sea-Watch fordert Malta und die Europäische Union auf, eine nachhaltige Lösung für Seenotrettung im Mittelmeer zu finden, und Malta, der Rettungsflotte unverzüglich ihren Einsatz zu ermöglichen. Tragödien wie diese müssen verhindert werden.

:: Sea-Watch.org (02. Oct 2018)





Behinderung ziviler Seenotrettung muss ein Ende haben: Forderung an politische Entscheidungsträger*innen (02. Oktober 2018)


Die europäische Seenotrettungsorganisation SOS MEDITERRANEE fordert die europäischen Staaten mit Nachdruck dazu auf, die Behinderung von Seenotrettung umgehend zu stoppen und der Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten, nachzukommen. Stattdessen wird aktuell mit allen politischen Mitteln versucht, die Rettungseinsätze ziviler Organisationen wie SOS MEDITERRANEE zu stoppen. Jüngstes Beispiel ist das politische Manöver des zweimaligen Flaggenentzugs des Rettungsschiffes Aquarius, das SOS MEDITERRANEE gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen im Mittelmeer betreibt.

Aufgrund der neusten Schikanen fordert SOS MEDITERRANEE in einer europaweiten Petition von den europäischen Mitgliedsstaaten die Einhaltung internationalen Rechts auf See und die Entkriminalisierung ziviler Seenotrettung. Vier Tage nach Petitionsstart konnten bereits über 80.000 Unterschriften gesammelt werden. Die todbringende, europäische Politik und der politisch erzwungene Abzug ziviler Zeug*innen im Mittelmeer, müssen ein Ende haben. Auch die deutsche Bundesregierung muss ihrer humanitären Pflicht nachkommen und sich endlich zur Seenotrettung im Mittelmeer bekennen. So könnte sie der Aquarius konkret die deutsche Flagge anbieten.

Am 20. und 23. September war die Aquarius in die komplizierte Rettung von 58 Flüchtenden involviert, die schlussendlich sicher an Bord der Aquarius gebracht werden konnten (Details im Online-Logbuch der Aquarius). Kurz nach der ersten Rettung kündigte der aktuelle Flaggenstaat Panama in einem Schreiben vom 21. September an den Eigner der Aquarius an, auf Druck der italienischen Regierung der Aquarius die Flagge entziehen zu wollen (:: Pressemitteilung vom 23.09.2018).

Während sich die Aquarius mit den Geretteten auf hoher See befand, wurde folglich nicht nur mit dem Entzug der Flagge gedroht, sondern die zuständigen Behörden wiesen wieder einmal keinen sicheren Hafen zu. Erst nach mehreren Tagen des Wartens erklärten sich auf Initiative Maltas und Frankreichs hin mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland, bereit, die von der Aquarius geretteten 58 Menschen aufzunehmen. Alle Überlebenden sind am Sonntagmorgen an ein maltesisches Marineschiff übergeben worden und konnten daraufhin sicher in Malta an Land gehen. Die Aquarius befindet sich nach einer weiteren schikanösen Fahrt aktuell auf dem Weg nach Marseille zur Klärung des Flaggenstatus.

„Wir und andere zivile Organisationen werden am Retten gehindert, dabei ist es unser aller Plicht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Die zivilen Seenotrettungsorganisationen sollen als Zeugen einer völlig verfehlten Politik aus dem Weg geräumt werden“, sagte die Geschäftsführerin von SOS MEDITERRANEE Deutschland, Verena Papke. „Was wir zurzeit im Mittelmeer erleben, ist ein Skandal und das Außerkraftsetzens geltenden Rechts durch demokratische, europäische Staaten“, so Papke weiter.

Fünf Jahre nach dem großen Bootsunglück vor der Küste Lampedusas am 3. Oktober 2013, bei dem mehr als 360 Flüchtende ertranken und nach dem politische Verantwortliche „nie wieder“ forderten, ist das Versagen der Europäische Union deutlicher denn je. Von einer gemeinsamen europäischen Lösung ist man weiter entfernt denn je. Stattdessen wird versucht mit allen politischen Mitteln, die Rettungseinsätze ziviler Organisationen zu stoppen.

Für den 06. Oktober ruft SOS MEDITERRANEE deshalb von 13:00-16:00 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt in Berlin auf. Im Anschluss findet im Babylon Kino Berlin ein Filmabend zugunsten der Organisation statt. Gezeigt werden ab 17:00 Uhr u.a. die Filme FUOCAMMARE – SEEFEUER (Goldener Bär 2016) und „EXODOS“ (2016). Im Anschluss an den Film gibt es ein Publikumsgespräch mit Dr. Klaus Vogel, Kapitän und Gründer von SOS MEDITERRANEE. Tickets und weitere Informationen sind online zu finden.

:: Pressemitteilung von SOS Mediterranée (02. Okt 2018)


Spanien: Heute mehr als 400 Boat-people gerettet (02. Oktober 2018)


Heute hat die spanische Seenotrettung über 400 Boat-people an Land gebracht: 61 Personen auf 2 Booten in der Meerenge von Gibraltar und 343 Personen auf 7 Booten vor Almería (fast alle aus Westafrika, sowie 20 Marokkaner).
:: FFM-ONLINE :: europapress (02. Oct 2018)


„Riace lässt sich nicht verhaften“ – Solidarität und Demonstration (02. Oktober 2018)


Der Bürger*innenmeister von Riace, einer Stadt im Süden Italiens, ist im Hausarrest - beschuldigt der Beihilfe zur heimlichen Migration. Mimmo Lucano wird weltweit beforscht und ausgezeichnet, weil er einem ehemals verlassenem Dorf durch die Zusammenarbeit mit und Integration von Migrant*innen ein neues Leben verlieh. Während ihn die Welt bewundert, lässt ihn der italienische Staat verhaften.

Am Samstag, dem 6. Oktober findet in Riace eine Demonstration statt: In Solidarität mit einem aufrichtigem Mann und zur Verteidigung eines Gesellschaftsmodells, welches sich der derzeitigen rassistischen und faschistischen Tendenzen widersetzt.

:: FFM-ONLINE :: Meltingpot (02. Oct 2018) :: Internazionale (02. Oct 2018)


Marokko: 11 Tote der 34 Ertrunkenen geborgen – unterlassene Hilfe (03. Oktober 2018)


AFP berichtet unter Bezug auf marokkanische staatliche Quellen, dass 11 der 34 Ertrunkenen bei Nador (Ost-Marokko) geborgen wurden. Marokkanische staatliche Stellen haben keinerlei weitere Notiz zu der Schiffskatastrophe abgegeben. Die Pressesprecherin der spanischen Seenotrettung bestätigte den Bericht von Caminando Fronteras zur unterlassenen Hilfeleistung durch die marokkanische Seenotrettung oder durch die marokkanische Marine.

Caminando Fronteras hatte von vergeblichen SOS-Rufen über einen Zeitraum von 24 Stunden berichtet. Die spanische Seenotrettung ließ nun verlauten, dass sie mehrfach die marokkanische Seite zur Seenotrettung aufgefordert und auch Zusammenarbeit angeboten habe, ohne Antwort zu bekommen.

Tags zuvor berichtete die marokkanischen Wochenzeitung Telquel über das Mitwissen der IOM über Details der Schiffskatastrophe:

Am Dienstag dem 02.10.2018 hielt sich die spanische Staatssekretärin für Immigration zu Regierungsgesprächen in Rabat auf. Sie forderte keine Aufklärung zu den tödlichen Schüssen der marokkanischen Marine auf Harragas am 25.09.2018 (eine Tote und drei Verletzte) und zur tödlichen unterlassenen Hilfe der marokkanischen Seenotrettung am 30.09.2018 vor Nador (34 Tote), sondern verlangte von der marokkanischen Regierung, „die Lüge von europäischen Träumen zu demontieren“ – in diesem Kontext gemeint: mit Schusswaffen und durch unterlassene Hilfe.

:: FFM-ONLINE :: Telquel (02. Oct 2018) :: Telquel (03. Oct 2018)


Fünf Jahre nach Lampedusa – die Tragödie dauert an (03. Oktober 2018)


Ein italienisches Rettungsteammitglied auf der Aquarius spricht in einem bewegenden Text über das Unglück vor Lampedusa, welches der Welt die für die humanitäre Tragödie, die sich noch immer im Mittelmeerraum abspielt, geöffnet hat. Von Alessandro Porro.

Fünf Jahre! Fünf Jahre hat es gedauert, bis Europa die Tragödie von Lampedusa vergessen hatte. Am 3. Oktober 2013 sank ein Boot auf dem Weg von Libyen nach Lampedusa in der Nähe der Insel und führte zum Tod von 369 Menschen. Damals gab es einen Aufschrei der Empörung. Italien rief einen nationalen Trauertag aus. Die Gesetze zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen wurden überprüft.

Als Folge des Schocks und der Trauer begann Italien die Such- und Rettungsaktion Mare Nostrum, die Tausende von Menschen rettete.

Nach kurzer Zeit setzte Europa Mare Nostrum aus und ersetzte es durch Maßnahmen zur Kontrolle der Seegrenzen: Die europäische Zivilgesellschaft reagierte mit dem Einsatz ziviler Such- und Rettungsschiffe, die durch Spenden finanziert wurden. Der Einsatz der Aquarius ist das Ergebnis dieser Reaktion – er wurde als eine Möglichkeit geboren, die durch das Ende von Mare Nostrum entstandene Lücke zu füllen.

Fünf Jahre später sind wir Zeug*innen eines weiteren scharfen Kurswechsels in Europa. Die Politik behindert nun offen die Rettung auf See und erhöht die Gefahr für Flüchtende im Mittelmeer.

Die Aquarius wird morgen im Hafen von Marseille ankommen, wo sie auf unbestimmte Zeit bleiben muss, da ihr zum zweiten Mal die Flagge entzogen wird, was sie daran hindert, weiter als eine Krankenwagen der Meere aktiv zu sein. Seenotrettung wird in einer Weise kriminalisiert, die die Rettung von Menschenleben als Verbrechen darstellt.

Dies ist eine sehr schmerzhafte Seite der europäischen Geschichte.

Nun appellieren wir an die Zivilgesellschaft, aufzustehen, laut zu werden und unsere :: Petition zu unterzeichnen. Wir rufen zum Demonstrieren auf, um denen, die ungehört auf See sterben, eine Stimme zu geben.

:: SOS Mediterranée (03. Okt 2018)



Die Mare Jonio, Foto: Michelle Seixas.

Neues italienisches Schiff in Zusammenarbeit mit Sea-Watch auf dem Weg ins Mittelmeer, um Leben zu retten (04. Oktober 2018)


Die Mare Jonio, ein 37,5 m langes Schiff unter italienischer Flagge, welches das zivilgesellschaftliche Projekt „Mediterranea“ in Zusammenarbeit mit Sea-Watch betreiben wird, ist heute in Richtung zentrales Mittelmeer aufgebrochen. Begleitet von der Astral der spanischen NGO Proactiva Open Arms wird die Mare Jonio an der tödlichsten Grenze der Welt die zivile Seenotrettung weiterführen. Die Zahl der Todesopfer liegt aufgrund der anhaltenden Blockade ziviler Seenotrettung auf einem Rekordniveau. Heute erreichte das Schiff internationale Gewässer.

Am fünften Jahrestag des tödlichen Schiffsunglücks vom 3. Oktober 2013 ist die Mare Jonio in Richtung der Such- und Rettungszone im zentralen Mittelmeer aufgebrochen. Nachdem die Sea-Watch 3 und andere Rettungsschiffe in Malta willkürlich festgesetzt wurden und der MS Aquarius die Flagge auf politischen Druck der italienischen Regierung entzogen wurde, stellen die Mare Jonio und ihre Eskorte die einzigen dezidierten Rettungskräfte im Gebiet dar. Im September starb nach offiziellen Angaben der IOM mehr als jede zehnte Person, die versuchte, von Nordafrika nach Italien zu gelangen. Tatsächlich dürfte die Zahl der Todesopfer jedoch viel höher sein, da sich kaum Zeug*innen in der Such- und Rettungszone befinden, um von den tödlichen Folgen der europäischen Grenzpolitik zu berichten. „Die Rettung auf See – ein Zeichen unserer gemeinsamen Menschlichkeit – wurde von der Politik als Geisel genommen“, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi am Montag.

„Die europäischen Staaten haben mehr als deutlich gemacht, dass sie Menschen lieber ertrinken, als auf europäischem Boden ankommen lassen. Die Mare Jonio setzt ein Zeichen, dass die Zivilgesellschaft die europäischen Werte noch nicht aufgegeben hat und bereit ist, die Menschenrechte auf See weiter zu verteidigen“, sagt der Vorsitzende von Sea-Watch, Johannes Bayer. „Erst diesen Montag entdeckte unsere Flugbesatzung eine treibende Leiche, Hinweis auf eine weitere unbeachtet gebliebene Tragödie. Die Zivilgesellschaft muss jetzt Position beziehen, deshalb unterstützt Sea-Watch das Projekt Mediterranea von Anfang an, sowohl finanziell als auch mit Besatzung und unserem Wissen, das wir bei zahlreichen Rettungseinsätzen gesammelt haben“.

„Wir freuen uns, dass mit unseren Freunden auf der Astral und der Mare Jonio, begleitet vom Aufklärungsflugzeug Colibri, jetzt zumindest eine kleine zivile Flotte auf dem Weg in die tödlichsten Gewässern der Welt ist“, sagt Sea-Watch-Crewmitglied Tilman Telteman vor Ort. „Wir haben wenige Möglichkeiten und geringe Kapazitäten, aber die großen Rettungsschiffe sind im Hafen festgesetzt, also tun wir, was wir können.“

„Mediterranea ist eine italienische zivilgesellschaftliche Initiative, der auch Sea-Watch angehört. Wir wollen gemeinsam Menschenleben retten und zugleich die europäische Gesellschaft vor ihrer Entmenschlichung bewahren“, erklärt Giorgia Linardi, Sea-Watch-Sprecherin in Italien. „Durch den Akt der zivilen Seenotrettung wollen wir auf die Idee einer Gesellschaft zurückkommen, die auf Solidarität und gleichen Rechten für alle beruht. Wenn der Pass einen Unterschied bei der Rettung von Menschenleben macht, wenn die Menschenwürde verletzt wird, sind die Grundlagen unserer Gesellschaft in Gefahr.“

Die Mare Jonio wird spätestens Samstag die SAR-Zone erreichen.

:: Sea-Watch.org (04. Oct 2018)
Siehe auch :: Mediterranea | Saving Humans :: FFM-ONLINE (04. Oct 2018)


„Wir haben ein Schiff“ (04. Oktober 2018)

von Sandro Mezzadra [Operazione Mediterranea – Operation Mittelmeer]

Einer nach dem anderen klingen die Namen der Opfer nach, Namen ohne Körper, die von einer Vielzahl von Leben und Geschichten erzählen, zunichte gemacht an den Grenzen Europas: Asmat – Namen, betitelt Dagmawi Yimer seinen Kurzfilm, eines der kraftvollsten und bewegendsten Werke über die Schiffskatastrophe vom 3. Oktober 2013. Denn eines der bestimmenden Merkmale der Frauen, Männer und Kinder unterwegs über das Mittelmeer – wie auch auf dem Weg durch viele andere Grenzräume – ist es, ohne Namen, anonym zu sein. Die irreduzible Singularität einer jeden Existenz wiederherzustellen ist die bedingungslose Geste des Widerstands, zu der Asmat – Namen uns auffordert.

Am fünften Jahrestag der Schiffskatastrophe von 2013, während das Sterben im Mittelmeer weitergeht, haben wir ein Schiff zum Einsatz gebracht, die Mare Jonio.

Wir tun dies nach einem Sommer, in dem die italienische Regierung einen erbarmungslosen Krieg gegen die Migration und gegen Nichtregierungsorganisationen geführt, Häfen geschlossen und auf einem Küstenwachschiff Dutzende von Geflüchteten, Migrantinnen und Migranten festgehalten hat. Die Kriminalisierung «humanitärer» Operationen hat dazu beigetragen, unbequeme Beobachter aus dem Mittelmeer zu vertreiben und Zeuginnen fernzuhalten sowie die Namenslosigkeit der Frauen und Männer, die unterwegs sind, zu unterstreichen: Vor neugierigen Blicken geschützt, war die libysche Küstenwache imstande, Hunderte zurück in die Internierungslager zu schicken – in Folter, Gewalt, Sklaverei –, während viele hundert andere zu Schiffbrüchigen wurden. Und es gibt Leute, die das begrüßen und als Erfolg feiern.

Das Projekt zu realisieren, war nicht einfach. Die Plattform, die einfach «Operation Mittelmeer» heißt, ist keine NGO: Wer in den vergangenen Wochen daran beteiligt war, ein Boot zu suchen und den Einsatz vorzubereiten, verfügte über keine Erfahrung in der Welt, in der man sich da bewegte. Doch in vielen Häfen trafen wir Menschen, die uns nicht nur aus einer professionellen Haltung heraus unterstützten, sondern auch aus empfundener Solidarität, aus der Weigerung, die Missachtung des Lebens und des internationalen Rechts zu billigen, also aus Haltungen heraus, wie sie – insbesondere nach den Ereignissen um das Seenotrettungsschiff Diciotti – unter Seeleuten immer häufiger anzutreffen sind.

Entscheidend für uns waren die Erfahrungen und die Zusammenarbeit verschiedener NGOs, die in den letzten Jahren im Mittelmeerraum aktiv waren – eine von ihnen, Sea-Watch, ist Teil der Plattform, während etwa Open Arms sich auf See mit uns abstimmt. Die Operation, die wir heute beginnen, stellt sich jedoch in erster Linie der Kriminalisierung «humanitärer» Interventionen entgegen, mit der wir aktuell konfrontiert sind. Weit zurück scheinen die Zeiten zu liegen, da «humanitäre Vernunft» als Teil eines umfassenderen Systems der Regierung (insbesondere der Migration) analysiert werden konnte. Es handelt sich entsprechend um eine zutiefst politische Herausforderung. Insbesondere geht es zunächst um einen Punkt: um die praktische Behauptung des Rechts einer Reihe nichtstaatlicher Akteure, politisch in einem Bereich zu intervenieren, in dem die «zuständigen Behörden» in eklatanter Weise ihre Verpflichtung verletzen, das Leben der Menschen unterwegs zu schützen.

Dies war der Ansatzpunkt für die Gründung der Plattform Operation Mittelmeer: eine offene Plattform für das Engagement und die Beteiligung all jener, die uns in den kommenden Wochen unterstützen wollen (etwa durch Crowdfunding, was absolut notwendig ist, um die Nachhaltigkeit eines ebenso ambitionierten wie arbeitsintensiven Projekts in finanzieller Hinsicht sicherzustellen). Ganz offensichtlich ist dieser Punkt von grundlegender Bedeutung. Allgemeiner jedoch geht es darum, in Italien und in Europa der Debatten, dem Handeln und der Auseinandersetzung um das Thema Migration einen Raum zu öffnen – und zwar durch eine praktische Intervention.

Wir möchten, dass sich auf unserem Schiff, zur See und an Land, die Mobilisierungen kreuzen, die sich – zwischen Ventimiglia und Apulien, zwischen Catania und Mailand, um nur ein paar Beispiele zu nennen – in den vergangenen Monaten rund um die Migration entwickelt haben; wir möchten, dass die Mare Jonio zu einer Art Forum wird, das sich Tausende von Frauen und Männern zu eigen machen, um auf den Plätzen und Straßen Erzählungen der Migration zu verbreiten, Erzählungen, die sich radikal von dem Knurren und den Dekreten eines Salvini unterscheidet: Wir möchten, dass das Schiff ein Instrument wird, um auf andere Art und Weise über Italien und Europa zu sprechen, ausgehend zunächst von den Städten.

Wir unterschätzen keineswegs die Schwierigkeiten der momentanen Lage. Wir wissen, dass wir aus einer Minderheitsposition heraus handeln und, was Fragen der Migration anbelangt, einer feindseligen Hegemonie entgegentreten müssen; wir wissen, dass in den vergangenen Monaten die Gleichsetzung von «Zuwanderer» und «Feind» sich radikalisiert hat (wozu in den vergangenen Jahren auch politische Kräfte, die sich nicht auf der Rechten verorten, einen wesentlichen Beitrag leisteten), was die Ausbreitung eines allgegenwärtigen, jeden Tag aggressiver auftretenden Rassismus im Land ermöglichte und förderte. Wir wissen aber auch, dass diese Hegemonie umgekehrt werden kann und muss – und wir die notwendigen Risiken und Gefahren auf uns nehmen müssen. Die Operation, die heute beginnt, aufgeladen mit symbolischer Bedeutung, ist ein Beitrag in diesem Sinne.

Ein Schiff, hebt C.L.R. James in seinem großen Buch über Melville hervor (geschrieben 1952 in einer Zelle auf Ellis Island, in der er auf seine Abschiebung aus den USA wegen «unamerikanischer Umtriebe» wartet), ist im Grunde genommen nichts anderes als die vielfältige Menge der Arbeiten und Handlungen, die sich an Bord ereignen, also das, was es buchstäblich schafft. Nun, unser Schiff wäre nichts ohne die Leidenschaft und das Engagement der Hunderte Frauen und Männer, die nicht nur dafür arbeiteten und weiterhin arbeiten, die Mare Jonio zum Einsatz zu bringen, sondern auch dafür, neue und vielfältige Brücken zwischen Meer und Land zu bauen. Ein Schiff, fügt James hinzu, «ist eine Miniatur der Welt, in der wir leben». In unserem Fall handelt es sich um eine Miniatur der Welt, die zu schaffen wir uns gemeinsam bemühen. Und wir sind sicher, dass wir bald Tausende sein werden, die dieses Bemühen teilen.

:: EuroNomade (04. Oct 2018) (:: italiano :: english :: français :: español :: български (bulgarisch))


Aquarius in Marseille eingelaufen (04. Oktober 2018)


Wegen der Probleme mit dem Flaggenstatus ist die Aquarius für einen längeren Aufenthalt im Hafen von Marseille eingelaufen. Nun soll geklärt werden, wann und unter welcher Flagge das Rettungsschiff den Einstaz im Mittelmeer wieder aufnehmen kann.

:: Onboard Aquarius (04. Oct 2018)


Mediterranea - An Bord des Schiffes, das sich der Blockade widersetzt (05. Oktober 2018)


"Wir segeln auf dem Meer mit dem Bewusstsein, dass wir dort sind, wo wir nicht sein wollen, denn es sollte keine Menschenen geben, die gezwungen sind, zu Schiffbrüchigen oder zu Rettern zu werden.“ Die wahre Sicherheit sei die der Rechte. So wurde gestern :: die neue Mission „Mediterranea“ in Rom vorgestellt. Es handelt sich um ein Schiff, dass von Einzelpersonen, Politker*innen, Künstler*innen, Schriftsteller*innen und Organisationen wie dem landesweiten Arci, Ya Basta aus Bologna, der Sea-Watch, Pro Activa Open Arms, dem Online Magazin I Diavoli, sozialen Unternehmen wie dem Moltivolti aus Palermo und vielen anderen unterstützt und betrieben wird. Zum Kauf des Schiffes – und das ist das Novum: es fährt unter italienischer Flagge! – wurde ein Kredit bei der Ethikbank aufgenommen, gebürgt haben dafür diverse Politiker*innen. Die Mare Jonio wird von der Astral, einem der Schiffe der spanischen Organisation Pro Acttiva Open Arms, begleitet.

Ziel ist es zu zeigen, dass angesichts der Ereignisse im Mittelmeerraum und der Entscheidungen der derzeitigen italienischen Regierung politische Gegen-Instrumente gefunden werden können. Monitoring, Zeuge sein, Denunzieren der dramatischen Situation im Mittelmeer, in dem keine Rettungen mehr stattfinden und in dem die italienische Regierung schweigend zum Komplizen dieser Situation wird.

Die „Mare Jonio“ der Mission Mediterranea ist 37 Meter lang und auch ausgerüstet, um ggf. retten zu können, denn „sollten wir auf ein Boot in Seenot treffen werden wir das Gesetz befolgen: das Leben auf See ist immer zu retten“, so die Promotor*innen gestern bei der Pressekonferenz.

„Sollten wir erwarten, dass Salvini auch für uns den Hafen sperrt? Wir sind ein italienisches Schiff, mit einer italienischen Flagge. Darauf werden sie dann antworten müssen. Wenn sie uns daran hindern, Geflüchtete an Land zu bringen werden wir nicht stillhalten, sondern sehr laut werden“, so :: Erasmo Palazotto von der linken Partei LeU (Freie und Liberale), der sich an Bord befindet.

Doch Salvini, noch im Freudentaumel, dass Staatspräsident Mattarella sein mehr als bedenkliches Sicherheitsgesetz unterzeichnet hat, :: reagierte natürlich sofort auf die bittere Pille „Mediterranea“: „Ein Schiff voller heruntergekommener Typen aus den sozialen Zentren, die rausfahren, um drei Seehechte zu fangen“, wütet er im Radio, und auf Facebook ist zu lesen: „Da ist ein Schiff der sozialen Zentren, dass durch das Mittelmeer gondelt, um eine humanitäre Mission zu erfüllen. Mit dabei solche „Phänomene“ wie der ARCI und NGOs, die das Meer beobachten. Ich habe nicht verstanden, ob sie Migrant*innen an Bord nehmen und die dann nach Italien bringen wollen.“ Natürlich sei seine Antwort dann Nein. „Macht was ihr wollt, nehmt ein Tretboot, ich bin ein Demokrat [sic!], egal was Juncker sagt...Sie können hinfahren wohin sie wollen, nach Italien kommen die sozialen Zentren jedenfalls nicht.“

Wir werden sehen, wie es weitergeht – Mediterranea ist auf jeden Fall eine spannende Herausforderung für die rechte Regierung und eine auf breiter Ebene unterstützte Mission für unsere fundamentalen Rechte.

Über das von Staatspräsident Mattarella unterzeichnete Sicherheitsgesetz – Salvini besteht darauf, dass es „Salvini-Dekret“ genannt wird ("Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser leb' ich ohne ihr...") können Sie sich :: hier informieren. Es wird jedoch noch Änderungen an der Vorlage geben, wie sich in den letzten Tagen herausstellte. Wie und was geändert wird ist jedoch auch vielen Politiker*innen völlig unklar, wie in den letzten Tagen in vielen Radiobeiträgen zu hören war.

Aus dem :: Tagebuch der Geschehnisse im zentralen Mittelmeer - 2. Teil von borderline-europe.


Marseille: Überfall auf das Büro von SOS Méditerranée (05. Oktober 2018)


Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „Génération identitaire“ haben das Marseiller Büro der Hilfsorganisation SOS Méditerranée überfallen. Die Beschäftigten stehen zwar unter Schock, sind aber wohlbehalten. Am Vortag war die Aquarius, nachdem sie im Mittelmeer 58 Boat-people gerettet hatte, im Hafen von Marseille gelandet.

:: FFM-ONLINE :: Der Standard (05. Oct 2018)


Marokko bringt 37 Harragas auf (05. Oktober 2018)


Die marokkanische Marine hat in der Meerenge von Gibraltar ein Boot mit 37 Marokkanern abgefangen und sie nach Tanger zurückgebracht.

:: FFM-ONLINE :: Telquel (05. Oct 2018)


Protest in Riace am 6. Oktober 2018



Riace nach der Verhaftung des Bürger*innenmeisters: Solidaritätskundgebung am 6. Oktober 2018




Der Fall Riace und der Rassismus des Staates (06. Oktober 2018)


Der 6. Oktober war ein Tag nationaler Mobilisierung gegen die kriminelle Politik der Regierung. In Riace demonstrierten sechstausend Menschen gegen die Verhaftung des Bürgermeisters von Riace, Domenico Lucano. Dieser war wegen Begünstigung illegaler Immigration und unrechtmäßiger Erbringung von Dienstleistungen angeklagt worden, und das trotz der internationalen Anerkennung, die seine Politik der Aufnahme und Integration erfahren hat. Eine Demonstration mit den in Riace aufgenommenen Migrant*innen als Protagonist*innen, aber auch mit Vereinen, Bewegungen und verschiedenen Gewerkschaften, aus Solidarität mit dem Bürgermeister, der zu diesem Zeitpunkt noch unter Hausarrest stand. Der Hausarrest wurde inzwischen aufgehoben, jedoch musste Lucano Riace verlassen und darf nicht mehr dort wohnen.

SOS Mediterranée hat in Palermo eine Petition für die Freigabe des im Hafen von Marseille festgehaltenen Schiffes Aquarius eingereicht, dem auf Druck der italienischen Regierung die panamaische Flagge entzogen worden war. Das Antirassistische Forum Palermo war ebenfalls anwesend, um seine Solidarität mit dem Bürgermeister von Riace auszudrücken.
Die Festnahme Lucanos, die Kriminalisierung der NGOs und die im Mittelmeer an der Suche und den Rettungseinsätzen beteiligten Schiffe sind Mosaiksteine innerhalb eines größeren Rahmens, der schon von der vorherigen Regierung gesetzt worden war. Jetzt wurde mit dem von Innenminister Salvini unterzeichneten Dekret „Immigration und Sicherheit“ schnell ein sehr dunkler Punkt erreicht: der humanitäre Schutzstatus wird abgeschafft und das SPRAR-System zerschlagen.

Mehr :: hier, :: hier und :: hier.

:: Newsletter Borderline Sicilia – Oktober 2018 (06. Nov 2018)


Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt in Berlin // Für eine Flagge für die Aquarius – Stoppt die Kriminalisierung der Seenotrettung! (06. Oktober 2018)


Der Aquarius, unserem Rettungsschiff, soll zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen die Flagge entzogen werden. Ende Juli von Gibraltar, nun von Panama. Am 06. Oktober 2018 rief SOS MEDITERRANEE daher unter dem Motto „Eine Flagge für die Aquarius – Für zivile Seenotrettung!“ zu einer Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt in Berlin auf.

Redebeiträge von u.a. SOS MEDITERRANEE, Seebrücke Berlin, Sea-Watch, Watch the Med – Alarmphone und Jugend Rettet finden sich als Videos im Originalbericht von :: SOS Mediterranée.




Das Team von MEDU in Sizilien: Augenzeugenberichte und Erzählungen aus den Lagern in Libyen (06. Oktober 2018)


Am 3. Oktober präsentierte das Team der Ärzte für Menschenrechte (MEDU) in Catania die Ergebnisse und Daten ihres vierjährigen Engagements im Rahmen des Projektes ON.TO. Das Projekt diente der professionellen Unterstützung von Migrant*innen, die Folter sowie unmenschliche und herabwürdigende Behandlung erfahren und überlebt haben. Das gewählte Datum ist kein Zufall: der 3. Oktober ist der 5. Jahrestag des Schiffsunglückes vor Lampedusa, bei dem 368 Menschen ums Leben kamen. MEDU entschied sich dafür, an das Ereignis zu erinnern und fordert, Libyen nicht als sicheren Hafen anzuerkennen und keine gemeinsamen Abkommen zu unterzeichnen.

Die MEDU-Gruppe, die in den Aufnahmezentren in der Provinz Ragusa (mit einer Präsenz im Inneren des Hotspots von Pozzallo) und im CARA* von Mineo akiv ist, hat in den letzten vier Jahren 450 Personen betreut und ihnen psychologische und psychiatrische Unterstützung bereitgestellt. Mehr als 80% der betreuten Personen zeigten schwere physische und psychische Nachwirkungen auf, verursacht durch ihren Aufenthalt in den libyschen Lagern. Die Berichte von den Gräueltaten, die auf der anderen Seite des Mittelmeers stattfinden, sollen dazu dienen, die öffentliche Meinung zu sensibilisieren und aufzeigen, was wirklich in Libyen passiert. Zu diesem Zweck werden persönliche Lebensgeschichten erzählt.

Giuseppe Cannella, Psychiater im Projekt ON.TO, erzählt von den unmenschlichen Bedingungen in den libyschen Gefängnissen, in denen die Migrant*innen bis zu drei Jahre festgehalten werden, bis sie dann im Mittelmeer ihrem Schicksal überlassen werden. Sie werden gezwungen ihre Bedürfnisse in Kisten, sogenannten Katzenklos, zu erledigen; sie werden gezwungen, an anderen Gefangenen Gewalt zu verüben und durch diese Folter sogar zu töten; sie werden täglich mit Werkzeugen und Schnüren geschlagen und mit Elektroschocks misshandelt; sie werden psychologisch und sexuell missbraucht, und das betrifft nicht nur Frauen (die alle systematisch vergewaltigt werden), sondern auch Männer.

Neun von zehn Personen zeigen Symptome posttraumatischer Belastungsstörungen auf und würden eine langfristige Betreuung benötigen, was aber nicht im Einklang mit der italienischen Bürokratie funktionieren kann, die verlegt oder abschiebt, ohne, dass die Behandlung abgeschlossen werden kann. Abschiebungen und Zurückweisungen lassen unter anderem die Erinnerungen an die Folter wieder hochkommen, führt Anna Dessì an, Psychologin und Psychotherapeutin der Organisation. Sie bekräftigt den in der Pressemitteilung veröffentlichten Appell: „Libyen ist kein sicherer Hafen“.


Valentina Gulino berichtet von ihrer Erfahrung als Psychotherapeutin im Hotspot von Pozzallo, in dem 73 Migrant*innen, die am 15. Juli angekommen sind, in permanenter Unsicherheit leben. Der Hotspot ist definitiv nicht der passende Ort dafür, diese Personen für eine längere Zeit aufzunehmen. Ihre Zeit in Pozzallo hält nur die Erinnerungen am Leben, die sie in den libyschen Gefängnissen gemacht haben, nicht so sehr aufgrund von Gewalt, sondern aufgrund von starker Militarisierung des Lagers und der Freiheitsberaubung. Die Uniform macht Angst und weckt Erinnerungen, sagt Samuele Cavallone, Koordinator der Organisation. Er erzählt von ähnlichen Szenen im CARA* von Mineo, in denen Migrant*innen, die offensichtlich Hilfe brauchen sich aufgrund der umstehenden Männer in Uniform nicht mitteilen.

Eine Geschichte kann stellvertretend für alle erzählt werden. Die Geschichte eines Geflüchteten, festgehalten im Hotspot von Pozzallo, der zum Zeitpunkt der Flucht dreizehn Jahre alt war und erst mit 18 Jahren Italien erreichte, nachdem er den Tod seiner Familie miterleben musste. Nachdem er im Gefängnis eingesperrt war, und noch weitere 30 Tode mitansehen musste und dazu selbst Folter sowie sexuelle und psychische Gewalt erfahren hat. Jetzt lebt er seit fast drei Monaten im Hotspot, eingesperrt, isoliert und umgeben von Militär. Eine Erfahrung, die die Erinnerung an die Jahre der unmenschlichen Behandlungen verstärkt, die mit früheren Erlebnissen verwechselt wird, führt zu einem sekundären Retrotraumatisierungsprozess, der die psychische Verletzlichkeit des Patienten erhöht. Deshalb fordert MEDU, diese Menschen sofort in die Aufnahmeländer zu bringen oder zumindest in Aufnahmeeinrichtungen, die ihrer Situation angemessener sind.

Aber die Regierungsbehörden und Territorialkommissionen scheinen den medizinischen Bedürfnissen der Migrant*innen (vor allem der Frauen) gegenüber taub zu sein. Wie im Fall der Diciotti, das Schiff, das von der italienischen Küstenwache im Hafen von Catania blockiert wurde. Dem Team wurde der Zugang verweigert, obwohl sich auf dem Schiff einige besonders vulnerable Personen befanden, die spezifische medizinische Unterstützung benötigt hätten. Nicht nur das: bis vor ein paar Monaten akzeptierten die Territorialkommissionen noch von Vereinen und Organisationen ausgestellte medizinische Gutachten, die die Notwendigkeit eines Aufenthalts aus medizinischen Gründen und psychischer Vulnerabilität bescheinigten. Jetzt sind zusätzliche medizinische Bescheide von öffentlichen Einrichtungen erforderlich. Diese haben nicht nur keinen vollständigen Einblick in die Krankengeschichte der Patient*innen, die bisher von MEDU oder anderen Organisationen behandelt wurden, sie verfügen auch nicht über kulturelle Mediator*innen, die die Beziehung zwischen Ärzt*in und Patient*in fördern.

Außerdem betont MEDU, dass mit dem Antritt der neuen Regierung die Ablehnungen, auch der Fälle, die sowohl ein privates als auch ein öffentliches Gutachten vorweisen konnten, exponentiell in die Höhe gegangen sind. Das passiert vor allem im Kontext der Rundschreiben des Innenministeriums aus diesem Sommer und im Hinblick auf den Erlass des Dekrets „Immigration und Sicherheit“ (das vorgestern vom italienischen Präsidenten unterschrieben wurde, Anm.d.Red.). Dieses sieht einerseits die Verlängerung der Unterbringungsdauer in den CPR* und die Schwächung des SPRAR*-Systems vor und andererseits die Abschaffung des humanitären Bleiberechts, das durch ein Bleiberecht für besondere Fälle ersetzt werden soll, unter dieses fallen auch medizinische Gründe, im Dekret formuliert als „außergewöhnlich schwerer Gesundheitszustand“.

Zweifellos weisen die von MEDU gesammelten Fälle genau die Symptome auf, die unter diese außergewöhnlichen Bedingungen fallen würden. Leider scheinen die Territorialkommissionen nicht dieselbe Konzeption von „schwer“ zu teilen, wenn es sich um Migrant*innen handelt, die aus den libyschen Lagern kommen. Auf diese Weise wird nicht nur die Illegalisierung von Migration verstärkt, sondern physische Gewalt und mangelnde Unterstützung für besonders schutzbedürftige Menschen gehen weiter.

Peppe Platania, Borderline Sicilia Onlus. Aus dem Italienischen übersetzt von Helena Hattmannsdorfer.

*CARA: Aufnahmezentrum für Asylsuchende
*CPR (Centri di permanenza per il rimpatrio): Abschiebungshaftzentren
*SPRAR (Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo): Schutzsystem für Asylsuchende und Geflüchtete, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), soll zur Integration von Geflüchteten dienen

:: Borderline Sicilia (06. Oct 2018)


„Meine Zeit des Schweigens ist vorbei“ (08. Oct 2018)


Ein lesenswerter Eintrag aus dem :: Blogbuch #84 der Aquarius vom 08. Oct 2018: Was es bedeutet „anderen Menschen in Gefahr auf See zu helfen“ - und ein Aufruf, dies via Petition zu unterstützen!

„... Während der letzten drei Jahre habe ich an unzähligen Rettungseinsätzen teilgenommen und unermüdlich an der Seite von meinen Brüdern und Schwestern dafür gearbeitet, zu verhindern, dass Menschen auf dem Meer sterben. Ich habe Dinge gesehen, die hoffentlich niemand durchmachen und die kein menschliches Wesen erleiden sollte: ...“

Ganzen Eintrag :: auf no-racism.net lesen.


Spanische Küstenwache rettet fast 1.200 Migrant*innen (08. Oktober 2018)


Die spanische Küstenwache hat am Wochenende fast 1.200 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet.

Die Menschen in rund 30 Booten seien von der marokkanischen Küste aus in See gestochen, teilte die Behörde in Madrid mit.
Spanien ist in diesem Jahr zum Hauptankunftsland von Migrant(*inn)en in Europa geworden. Seit Jahresbeginn kamen dort mehr als 43.000 Flüchtlinge an, die meisten in Booten über das Mittelmeer.


:: FFM-ONLINE :: DLF (08. Oct 2018)


„Die Seeschlacht im Mittelmeer“ (08. Oktober 2018)


Der Einsatz der Mare Jonio vor der libyschen Küste wird von EU-Staaten sabotiert. Ein Reporter von La Repubblica, der die erste Mission des Schiffs der Operation Mediterranea von einem Segelboot der spanischen NOG Open Arms aus beobachtet, berichtet, dass Rom, Tripolis und Malta nichts unversucht lassen, um zu verhindern, dass Boat-people aus Libyen an Bord der humanitären Organisationen gelangen. Er spricht von einer kleinen, sinnlosen Seeschlacht.

:: FFM-ONLINE :: La Repubblica (08. Oct 2018)



Antifaschistischer Protest Ancona am 8. Oct 2018: Tausende zeigen Solidarität mit Riace und sagen: Nein zum Rassismus Salvinis (Foto :: globalproject.info)


„EU-Kooperation mit Libyen: Das Land fürs Grobe“ (09. Oktober 2018)


Libyens Küstenwache bekommt von der EU noch mehr Schiffe. Ziel sei es, Geflüchtete noch auf dem Meer abzufangen, kritisiert die Linke.

Die EU intensiviert ihre Unterstützung für die libysche Küstenwache und Seepolizei. In den nächsten Wochen soll diese Schiffe und Trainings erhalten. Das geht aus der Antwort von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der taz vorliegt.

Derzeit werden demnach von Italien zwei 35 Meter lange Patrouillenboote und ein 22 Meter langes Patrouillenboot instand gesetzt, sie sollen im Oktober an die Libyer übergeben werden. Anschließend sollen Angehörige der libyschen Seepolizei Gacs (General Administration for Coastal Security) in Italien und Tunesien geschult werden.

Zudem plant die sogenannte EU-Mission zur Unterstützung des Grenzschutzes in Libyen zusammen mit Frontex und Italien Schulungen für Gacs-Angehörige, finanziert über Frontex, die „auch Module zum Thema Menschenrechte enthalten“, so Avramopoulos. Ende 2018 soll ein weiteres, mit vier Millionen Euro ausgestattetes Grenzschutzprojekt in den EU-Nachbarstaaten namens EU4Border Security starten. Auch von diesem soll Libyen profitieren. […]


:: FFM-ONLINE :: taz (09. Oct 2018)


Das Sea-Watch-Aufklärungsflugzeug Moonbird schafft es, den Betrieb wieder aufzunehmen, während die Sterblichkeitsrate auf ein Rekordniveau steigt (10. Oktober 2018)


Das Aufklärungsflugzeug Moonbird, das Sea-Watch in Zusammenarbeit mit der Schweizer Humanitarian Pilots Initiative betreibt, wurde von der maltesischen Regierung über drei Monate lang ohne Rechtsgrundlage am Einsatz gehindert. In Folge der Blockade der zivilen Seenotrettung erreichte die Sterblichkeitsrate an der europäischen Seegrenze ein Rekordhoch – aktuell ertrinkt eine von fünf Personen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. Heute Morgen um 0945 UTC startete unser Flugzeug von einer neuen operativen Basis und ist nun wieder im Einsatz, um die tödliche Grenzpolitik Europas zu bezeugen und bei Bedarf Notrufe abzusetzen.

„Sie können unsere Schiffe widerrechtlich beschlagnahmen, aber die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im Namen der Europäischen Union mit Unterstützung von Muscat und Salvini auf dem Mittelmeer begangen werden, können sie nicht vertuschen.” sagt Tamino Böhm, Leiter der Luftaufklärungsoperationen bei Sea-Watch.

Bei dem Versuch, über Libyen aus Nordafrika nach Europa zu fliehen, ertrinkt einer von fünf Menschen. Die Sterblichkeitsrate im zentralen Mittelmeer war noch nie so hoch wie heute, wo die meisten zivilen Rettungsmittel blockiert oder beschlagnahmt sind, und auch die staatlichen Seenotrettungsdienste nicht gut funktionieren. Verschlimmert wird die aktuelle Situation durch die Tatsache, dass heute kein MRCC mehr eine effektive Koordination von Notfällen übernimmt. Außerdem ignorieren Handelsschiffe oft Notfälle oder vermeiden es aktiv, in die Lage zu geraten, retten zu müssen. Sie befürchten, selbst in Schwierigkeiten zu geraten, jetzt wo Europa seine Häfen für die Schiffe, die Menschen aus Seenot gerettet haben, geschlossen hat.

„Wir werden nicht nachlassen, eine europäische Politik anzuklagen, die Menschen dem Ertrinken überlässt. Unsere Mission ist heute wichtiger denn je, denn das Mittelmeer hat sich in eine tödliche Black Box verwandelt, in der nicht nur täglich grobe Menschenrechtsverletzungen begangen werden, sondern auch Männer, Frauen und Kinder verschwinden, ohne dass jemand etwas bemerkt. Deshalb werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, diese zu bezeugen und Rettungsmaßnahmen durchzusetzen”, sagt Moonbird-Initiator Ruben Neugebauer. Der neue Basis ist logistisch viel komplexer und teurer als früher von Malta aus, aber das Flugzeug wird einen großen Teil des zentralen Such- und Rettungsgebiets im Mittelmeer abdecken können.

:: Sea-Watch.org (10. Oct 2018)


Algerien: 41 Harragas vor Abfahrt festgenommen (10. Oktober 2018)


In West-Algerien häufen sich die Festnahmen Jugendlicher direkt vor ihrer Abfahrt Richtung Spanien. Möglicherweise folgt die Fahndung den Vertriebswegen nautischer Utensilien.

:: FFM-ONLINE :: Le Quotidien d’Oran (10. Oct 2018)


Schiffsunglück in der Ägäis: vier Tote, dreißig Vermisste (10. Oktober 2018)


Bei einem Schiffsunglück vor der türkischen Küste sind mindestens vier Boat-people ums Leben gekommen, dreißig weitere werden noch vermisst. Das Wrack wurde zwischen Smyrna und Chios in türkischen Hoheitsgewässern gefunden.

:: FFM-ONLINE :: Il Fatto Quotidiano (10. Oct 2018)


Marokko, Kriegsschiff: Erneut Schüsse auf Boat-people, ein Verletzter (10. Oktober 2018)


In den frühen Morgenstunden des 10. Oktober haben erneut Soldaten eines marokkanischen Kriegsschiffs auf marokkanische Harragas geschossen und dabei einen 16-Jährigen mit einem „Schuss in die Schulter“ verletzt. Der Jugendliche befindet sich jetzt in einem Krankenhaus in Tanger. In dem Flüchtlingsboot an der Atlantikküste vor Larache saßen bei dem Angriff 58 Personen. Auch dieses Mal gab die marokkanische Regierung keinerlei Auskunft über die Art der Schusswaffen, über die Anzahl der schießenden Soldaten und über die Verantwortung für den Schießbefehl. Bereits am 25. September hatten Soldaten eines marokkanisches Kriegsschiffs das Feuer auf ein marokkanisches Flüchtlingsboot eröffnet, eine Studentin – Hayat Belkacem aus Tetuan – getötet und drei Weitere verletzt.

:: FFM-ONLINE :: MVN (. Oct 2018) :: Fibre News (10. Oct 2018)


Marokko: Familie der erschossenen Harraga wird gegen Staat klagen (11. Oktober 2018)


Die Familie der erschossenen Harraga Hayat Belkacem wird gegen den marokkanischen Staat und die marokkanische Marine klagen, um eine Entschädigung zu erhalten. Am 25. September hatte ein marokkanisches Kriegsschiff auf ein Flüchtlingsboot geschossen, Hayat Belkacem dadurch getötet und drei Weitere durch Schüsse verletzt. Gegen den Staat und gegen die Marine wegen eines befolgten Schießbefehls zu klagen, ist in Marokko einmalig und außerordentlich mutig. Die Regierung verweigert jegliche Auskunft darüber, wer den Schießbefehl erteilt hat, wer geschossen hat und welche Schnellfeuerwaffen zum Einsatz kamen. Gleiches gilt für die Schüsse von einem marokkanischen Kriegsschiff auf ein Flüchtlingsboot vor Larache am 10. Oktober; dem getroffenen 16-Jährigen Ilyas A. wurde gestern im Krankenhaus in Tanger eine Kugel aus der Schulter entfernt.

:: FFM-ONLINE :: bladi.net (11. Oct 2018)


Unsicherer Hafen Libyen und humanitäre Korridore?! (11. Oktober 2018)


Die italienische Regierung scheint sich nicht ganz einig zu sein: findet Innenminister Salvini doch immer positive Töne für Libyen und möchte alle Geflüchteten am liebsten dorthin zurückschicken, :: äußerte Außenminister Enzo Moavero Milanesi gestern überraschend: “Libyen ist kein sicherer Hafen”! Bei einem Aufenthalt in Oslo sagte er, dass „in juristischem Sinne Libyen nicht als sicherer Hafen anerkannt werden kann, so wie es auch die verschiedenen Schiffe sehen, die Rettungen durchführen. Der Begriff des sicherer Hafens und des sicheren Landes ist an internationale Konventionen gebunden, die derzeit nicht von Libyen unterzeichnet wurden.“ Versprechen wir uns dennoch nicht zu viel von diesen neuen Tönen, denn die Fahrtrichtung bleibt bestehen: "Wir müssen unser Engagement aufrechterhalten und intensivieren, damit die Normalisierung Libyens dieses Land unter Achtung der Menschen- und Grundrechte vollständig in den Schoß der internationalen Gemeinschaft führt.“ Mitte November wird eine große Libyenkonferenz in Palermo stattfinden, bei der diese Themen besprochen werden sollen.

Salvini indes hat seine Europa-Wahlkampagne begonnen und versucht, sich menschlicher darzustellen als bisher. Beim :: G6 Gipfel der Innenminister*innen in Lyon sagte er: „Wir sind so bösartig, dass ich daran arbeite, die humanitären Korridore nach Italien per Flugzeug und nicht per Boot für Frauen und Kinder, die vor Kriegen fliehen, schon in diesem Monat wiederzubeleben.“ Dafür arbeitet er mit einigen katholischen Gemeinschaften zusammen. Vor fast zwei Jahren hatte eine Zusammenschluss der katholischen und evangelischen Kirchen einen humanitären Korridor geschaffen und bis zu 1.000 Menschen durften mit dem Placet der damaligen Regierung ausgeflogen werden. Doch der Staat hat keinerlei Mittel dazu gegeben, die Kirchen haben sich um alles allein kümmern müssen. Dass Salvini nicht der absolute Menschenfreund ist zeigt sich in der Geste an sich, nur Frauen und Kinder auszufliegen und damit ggf. Familien zu trennen. Zudem schob er sofort nach, er wolle nun ein „Afrika Projekt“ schaffen, um „den afrikanischen Jugendlichen eine Zukunft zu geben ohne sie auf ein Boot zu zwingen. Wir helfen den Afrikanern [sic!] wirklich, das werden wir auch den linken Schwätzern zeigen, wir helfen ihnen 'bei sich zu Hause'“. Das fand natürlich auch Anklang bei seiner französischen Kollegin Marine Le Pen.

Aus dem :: Tagebuch der Geschehnisse im zentralen Mittelmeer - 2. Teil von borderline-europe.