Plattform Gerechtigkeit für Seibane Wague
UVS Verfahren - Beschwerdeklage gegen die Bundespolizeidirektion Wien,
am 11.12.2003
Gesetzeshüter brechen das Gesetz
Im Verfahren gegen die Polizeidirektion Wien decken sich offensichtlich
Sicherheitskräfte gegenseitig und verweigern die Aussage trotz wiederholter
Belehrung, dass dieses Vorgehen gesezteswidrig ist und ein Disziplinarverfahren
eingeleitet wird.
Die Witwe des Seibane Wague, der am 15. Juli 2003 bei einem Polizeieinsatz
verstarb, strengte eine Verfahren gegen die Verantwortlichen an. Der zweite
Verhandlungstag im Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) in der Causa
K. gegen die Polizeidirektion Wien war von einer Premiere geprägt.
Noch nie zuvor kam es bei einem UVS-Verfahren, bei dem sich Polizisten
eigentlich nur als Zeugen aussagen sollten, vor, dass diese ihre Aussagen
verweigern. Fünf Sicherheitskräfte, die an diesem Tag der Vorladung
Folge leisteten, sagten das gleiche aus: Ich verweigere die Aussage
Eingangs verlas der Verhandlungsleiter Dr. Helm vor Anhörung der
Zeugen Passagen aus dem Erlass - 38201/136-II/A/00, vom 19. 09.2000 des
Innenministeriums:
1. Hilfe: Mit Nachschulung bzw. Fortbildung in 1. Hilfe ist der Chefärztliche
Dienst zu betrauen. Dabei ist insbesondere auf das Phänomen positionelle
Asphyxie einzugehen, d.h. auf die Gefahr, dass es bei Fixierung
einerseits infolge des erhöhten Sauerstoffbedarfs und durch die eingeschränkte
Atembeweglichkeit zu
Sauerstoffmangelzuständen mit narkoseähnlichen Erregungszuständen
kommen kann, die jedoch nicht unbedingt als Aggressionshandlung fehlgedeutet
werden dürfen.
S.14 Einbezogene Körperkraft
* Ellenbogenstoss: Es ist zu beachten, dass bei einer Amtshandlung- Stoss
gegen den Hals danach die Beobachtung der Person in entsprechendem Ausmaß
notwendig ist.
* Festhaltegriff: bei Bodenfixierung ist zu beachten, dass diese rasch
erfolgt und nicht zu lange dauert und dass die Person dann in sitzende
oder aufrechte Position gebracht wird.
* Täter in waagrechter Position: Es ist zu beachten, dass die waagrechte
Position nur kurzzeitig ,das heisst max. 4 Minuten dauert.
* Bei Fixierung des Kopfes ist zu beachten, dass Asphyxie mit narkoseähnlichen
Zuständen einhergehen kann.
*Bei plötzlichem Erschlaffen besteht Gefährdung und 1. Hilfe
ist notwendig.
Schon die erste Zeugin, Polizeibeamtin, Brigitte B. berief sich auf §
49 des AVG. Auf Vorhaltung des Gesetzestextes durch den Verhandlungsleiter
Dr. Helm konnte sie keinen Grund nennen. Gerade Ziffer 4 dieses Gesetzes
schreibt die Angabe von Gründen hingegen zwingend vor. Die Fragen
des Verhandlungsleiters hätten die Zeugin keineswegs belastet.
1. Frage: Haben Sie vor dem Büro für interne Angelegenheiten
(BIA) wahrheitsgemäß und korrekt ausgesagt? Ich
verweigere die Aussage.
2. Frage: Welchen Eindruck und welche Wahrnehmungen hatten Sie bei Ihrem
Eintreffen am Heumarkt/Stadtparkseite vom Zustand des Seibane Wague?
Ich verweigere die Aussage.
3. Frage vor dem Standbild des Videos, das den Einsatz dokumentiert: In
welcher Weise hatte der Beamte X Seibane Wague fixiert? Ich
verweigere die Aussage.
Jede dieser Verweigerungen verlief in drei Phasen. Zunächst erinnerte
der Verhandlungsleiter die Zeugin, dass sie verpflichtet sei, die Fragen
wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Nach der
Weigerung belehrte der Verhandlungsleiter die Zeugin über die Gesetzeswidrigkeit
der Verweigerung, zumal die Beantwortung der Fragen die Zeugin selbst
nicht geschädigt hätte. Nach neuerlicher Verweigerung wurde
die Zeugin darauf hingewiesen, dass eine Disziplinaranzeige gegen sie
erstattet werde. Die Polizistin gab lediglich einmal unter Berufung auf
§ 49 an, dass es möglicherweise zu einem Strafverfahren gegen
sie kommen könnte.
Dieser Vorgang wiederholte sich viermal mit den identen Fragen, als vier
der Kollegen der Polizisten in den Zeugenstand gerufen wurden. Sie alle
wurden von der gleichen Einsatzzentrale (Wien, Landstraße) aus zur
Amtshandlung gerufen. Dr. Helm verwies auf das verheerende Bild, das auf
die Polizei insgesamt und auf die einzelnen Sicherheitskräfte geworfen
wird, wenn, sie bereit sind, vor einer weisungsgebundenen Behörde
dem BIA in vollem Umfang auszusagen ohne ein Verweigerungsrecht
geltend zu machen und sich weigern, vor einem unabhängigen Tribunal
im Sinne der europäischen Menschenrechtskonvention wie dem UVS Wien
auszusagen. Auch dieses Argument ließ die ZeugInnen unbeeindruckt.
VertreterInnen der Plattform Gerechtigkeit für Seibane Wague zu dieser
Entwicklung:
Es darf nicht sein, dass in Österreich eine Amtshandlung mit dem
Tod ohne gewichtige Konsequenzen endet. In einem Rechtsstaat sollten
Ordnungshüter das Gesetz wahren und nicht brechen, - Wie rechtfertigt
der Innenminister Dr. Ernst Strasser das gesetzwidrige Verhalten seiner
Beamten? Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass unter diesem Innenminister
Erlässe wirksam werden und gegen diese Verstoßen wird. Mehr
noch, der Innenminister trägt zur Verdunkelung dieser Verstöße
bei, plädiert gleichzeitig für eine lückenlose Aufklärung!
Ein Präzedenzfall ist gegeben, wo die Gewaltenkollision vorhanden
ist, da die Exekutive gesetzeswidrig eine Aussage verweigert, weil sie
keine Konsequenzen befürchten müsse. Wir verlangen daher, dass
das Disziplinarverfahren nicht von der Exekutive durchgeführt wird
und weiters, dass das BIA der Justiz unterstellt wird. Einigkeit
besteht darüber, dass der Menschenrechtsbeirat aufgerufen ist, den
Verlauf des Disziplinarverfahrens zu kontrollieren. Es ist nicht nachvollziehbar,
dass die zuständige Staatsanwaltschaft bislang keine Konsequenzen
für die beteiligten Polizeibeamten und Sanitäter gezogen hat.
Zur Information - Auszug von § 49 des AVG:
(1) Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden:
1. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten,
seinem Verwandten oder Verschwägerten in auf oder absteigender
Linie, seinem Geschwisterkind oder einer Person, die mit ihm noch näher
verwandt oder im gleichen Grad verschwägert ist, ferner seinen Wahl-oder
Pflegeltern, Wahl-oder Pflegekindern, seinem Vormund oder Pflegebefohlenen
einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr
einer strafgerichtlichen Verfolgung zuzuziehen oder zur Schande gereichen
würde:
2. über Fragen, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm
obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der
nicht gültige entbunden wurde, zu verletzen oder ein Kunst-, Betriebs-
oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren.
3. Über Fragen, wie der Zeuge sein Wahl oder Stimmrecht ausgeübt
hat, wenn dessen Ausübung gesetzlich für geheim erklärt
ist.
(2) Die zur berufsmässigen Parteinvertretung befugten Personen können
die Zeugenaussagen auch darüber verweigern, was ihnen in ihrer Eigenschaft
als Vertreter einer Partei von dieser anvertraut wurde.
(3) Wegen der Gefahr einer Vermögensnachteils darf die Aussage über
Geburten, Eheschliessungen und Sterbefälle der in Abs. 1 Z1 bezeichneten
Personen nicht verweigert werden.
(4) Will ein Zeuge die Aussage verweigern, so hat er die Gründe seiner
Weigerung glaubhaft zu machen.
(5) Einem Zeugen, der einer Ladung (§§19 und 20) ohne genügende
Entschuldigung nicht Folge leistet oder die Aussage ohne Angabe von Gründen
verweigert oder auf seiner Weigerung beharrt, obwohl die vorgebrachten
Gründe als nicht gerechtfertigt (Abs. 1 bis3) erkannt wurden, kann
die Verpflichtung zum Ersatz aller durch seine Säumnis oder Weigerung
verursachten Kosten auferlegt werden: im Fall der ungerechtfertigten Aussageverweigerung
kann über ihn eine Ordnungsstrafe (§ 34) verhängt werden.
Für den Text verantwortlich:
Gertrud Lamptey, Bosede Baldauf, Oana Sersea
Kontakt: Gerechtigkeit.Seibane-Wague@gmx.at