Plattform Gerechtigkeit für Seibane Wague zum UVS-Verfahren
16.12.2003
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Cheibani Wague: PolizistInnen verweigern gesetzwidrigerweise die Aussage (12.12.2003)

Zweifelhaftes Gutachten stellt fest: Kreislaufversagen und Herzfehler

(13.11.2003)

Pressemitteilung Menschenrechtskomitee Seibane, 20. Oktober 2003
(22.10.2003)


--> mehr Zum Tod von Seibane Wague

 
Plattform Gerechtigkeit für Seibane Wague

UVS Verfahren - Beschwerdeklage gegen die Bundespolizeidirektion Wien, am 11.12.2003

Gesetzeshüter brechen das Gesetz

Im Verfahren gegen die Polizeidirektion Wien decken sich offensichtlich Sicherheitskräfte gegenseitig und verweigern die Aussage trotz wiederholter Belehrung, dass dieses Vorgehen gesezteswidrig ist und ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird.

Die Witwe des Seibane Wague, der am 15. Juli 2003 bei einem Polizeieinsatz verstarb, strengte eine Verfahren gegen die Verantwortlichen an. Der zweite Verhandlungstag im Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) in der Causa K. gegen die Polizeidirektion Wien war von einer Premiere geprägt. Noch nie zuvor kam es bei einem UVS-Verfahren, bei dem sich Polizisten eigentlich nur als Zeugen aussagen sollten, vor, dass diese ihre Aussagen verweigern. Fünf Sicherheitskräfte, die an diesem Tag der Vorladung Folge leisteten, sagten das gleiche aus: „Ich verweigere die Aussage“ Eingangs verlas der Verhandlungsleiter Dr. Helm vor Anhörung der Zeugen Passagen aus dem Erlass - 38201/136-II/A/00, vom 19. 09.2000 des Innenministeriums:

1. Hilfe: Mit Nachschulung bzw. Fortbildung in 1. Hilfe ist der Chefärztliche Dienst zu betrauen. Dabei ist insbesondere auf das Phänomen „positionelle Asphyxie“ einzugehen, d.h. auf die Gefahr, dass es bei Fixierung einerseits infolge des erhöhten Sauerstoffbedarfs und durch die eingeschränkte Atembeweglichkeit zu
Sauerstoffmangelzuständen mit narkoseähnlichen Erregungszuständen kommen kann, die jedoch nicht unbedingt als Aggressionshandlung fehlgedeutet werden dürfen.

S.14 Einbezogene Körperkraft
* Ellenbogenstoss: Es ist zu beachten, dass bei einer Amtshandlung- Stoss gegen den Hals danach die Beobachtung der Person in entsprechendem Ausmaß notwendig ist.
* Festhaltegriff: bei Bodenfixierung ist zu beachten, dass diese rasch erfolgt und nicht zu lange dauert und dass die Person dann in sitzende oder aufrechte Position gebracht wird.
* Täter in waagrechter Position: Es ist zu beachten, dass die waagrechte Position nur kurzzeitig ,das heisst max. 4 Minuten dauert.
* Bei Fixierung des Kopfes ist zu beachten, dass Asphyxie mit narkoseähnlichen Zuständen einhergehen kann.
*Bei plötzlichem Erschlaffen besteht Gefährdung und 1. Hilfe ist notwendig.

Schon die erste Zeugin, Polizeibeamtin, Brigitte B. berief sich auf § 49 des AVG. Auf Vorhaltung des Gesetzestextes durch den Verhandlungsleiter Dr. Helm konnte sie keinen Grund nennen. Gerade Ziffer 4 dieses Gesetzes schreibt die Angabe von Gründen hingegen zwingend vor. Die Fragen des Verhandlungsleiters hätten die Zeugin keineswegs belastet.
1. Frage: Haben Sie vor dem Büro für interne Angelegenheiten (BIA) wahrheitsgemäß und korrekt ausgesagt? – „Ich verweigere die Aussage“.
2. Frage: Welchen Eindruck und welche Wahrnehmungen hatten Sie bei Ihrem Eintreffen am Heumarkt/Stadtparkseite vom Zustand des Seibane Wague? – „Ich verweigere die Aussage“.
3. Frage vor dem Standbild des Videos, das den Einsatz dokumentiert: In welcher Weise hatte der Beamte X Seibane Wague fixiert? – „Ich verweigere die Aussage“.

Jede dieser Verweigerungen verlief in drei Phasen. Zunächst erinnerte der Verhandlungsleiter die Zeugin, dass sie verpflichtet sei, die Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Nach der Weigerung belehrte der Verhandlungsleiter die Zeugin über die Gesetzeswidrigkeit der Verweigerung, zumal die Beantwortung der Fragen die Zeugin selbst nicht geschädigt hätte. Nach neuerlicher Verweigerung wurde die Zeugin darauf hingewiesen, dass eine Disziplinaranzeige gegen sie erstattet werde. Die Polizistin gab lediglich einmal unter Berufung auf § 49 an, dass es möglicherweise zu einem Strafverfahren gegen sie kommen könnte.

Dieser Vorgang wiederholte sich viermal mit den identen Fragen, als vier der Kollegen der Polizisten in den Zeugenstand gerufen wurden. Sie alle wurden von der gleichen Einsatzzentrale (Wien, Landstraße) aus zur Amtshandlung gerufen. Dr. Helm verwies auf das verheerende Bild, das auf die Polizei insgesamt und auf die einzelnen Sicherheitskräfte geworfen wird, wenn, sie bereit sind, vor einer weisungsgebundenen Behörde – dem BIA – in vollem Umfang auszusagen ohne ein Verweigerungsrecht geltend zu machen und sich weigern, vor einem unabhängigen Tribunal im Sinne der europäischen Menschenrechtskonvention wie dem UVS Wien auszusagen. Auch dieses Argument ließ die ZeugInnen unbeeindruckt.

VertreterInnen der Plattform Gerechtigkeit für Seibane Wague zu dieser Entwicklung:
Es darf nicht sein, dass in Österreich eine Amtshandlung mit dem Tod ohne gewichtige Konsequenzen endet. – In einem Rechtsstaat sollten Ordnungshüter das Gesetz wahren und nicht brechen, - Wie rechtfertigt der Innenminister Dr. Ernst Strasser das gesetzwidrige Verhalten seiner Beamten? – Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass unter diesem Innenminister Erlässe wirksam werden und gegen diese Verstoßen wird. Mehr noch, der Innenminister trägt zur Verdunkelung dieser Verstöße bei, plädiert gleichzeitig für eine lückenlose Aufklärung! – Ein Präzedenzfall ist gegeben, wo die Gewaltenkollision vorhanden ist, da die Exekutive gesetzeswidrig eine Aussage verweigert, weil sie keine Konsequenzen befürchten müsse. Wir verlangen daher, dass das Disziplinarverfahren nicht von der Exekutive durchgeführt wird und weiters, dass das BIA der Justiz unterstellt wird. – Einigkeit besteht darüber, dass der Menschenrechtsbeirat aufgerufen ist, den Verlauf des Disziplinarverfahrens zu kontrollieren. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die zuständige Staatsanwaltschaft bislang keine Konsequenzen für die beteiligten Polizeibeamten und Sanitäter gezogen hat.


Zur Information - Auszug von § 49 des AVG:

(1) Die Aussage darf von einem Zeugen verweigert werden:
1. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten, seinem Verwandten oder Verschwägerten in auf –oder absteigender Linie, seinem Geschwisterkind oder einer Person, die mit ihm noch näher verwandt oder im gleichen Grad verschwägert ist, ferner seinen Wahl-oder Pflegeltern, Wahl-oder Pflegekindern, seinem Vormund oder Pflegebefohlenen einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung zuzuziehen oder zur Schande gereichen würde:

2. über Fragen, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der nicht gültige entbunden wurde, zu verletzen oder ein Kunst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren.

3. Über Fragen, wie der Zeuge sein Wahl oder Stimmrecht ausgeübt hat, wenn dessen Ausübung gesetzlich für geheim erklärt ist.

(2) Die zur berufsmässigen Parteinvertretung befugten Personen können die Zeugenaussagen auch darüber verweigern, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Vertreter einer Partei von dieser anvertraut wurde.

(3) Wegen der Gefahr einer Vermögensnachteils darf die Aussage über Geburten, Eheschliessungen und Sterbefälle der in Abs. 1 Z1 bezeichneten Personen nicht verweigert werden.

(4) Will ein Zeuge die Aussage verweigern, so hat er die Gründe seiner Weigerung glaubhaft zu machen.

(5) Einem Zeugen, der einer Ladung (§§19 und 20) ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet oder die Aussage ohne Angabe von Gründen verweigert oder auf seiner Weigerung beharrt, obwohl die vorgebrachten Gründe als nicht gerechtfertigt (Abs. 1 bis3) erkannt wurden, kann die Verpflichtung zum Ersatz aller durch seine Säumnis oder Weigerung verursachten Kosten auferlegt werden: im Fall der ungerechtfertigten Aussageverweigerung kann über ihn eine Ordnungsstrafe (§ 34) verhängt werden.

Für den Text verantwortlich:
Gertrud Lamptey, Bosede Baldauf, Oana Sersea

Kontakt: Gerechtigkeit.Seibane-Wague@gmx.at



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