Asyl- und Abschiebeschnellverfahren a la Innenminister Strasser
"Rückkehrberatung" für Flüchtlinge - European Homecare in Österreich

10.11.2002
no-racism.net | Rassismus und Festung Europa

       


Seit 1. Oktober neue Richtlinie für die Aufnahme in Bundesbetreuung in Kraft (06.10.2002)


SOS Mitmensch kritisiert neue Richtlinie und fordert Unterbringung aller Flüchtlinge (28.09.2002)


Geplante Änderungen im Asylverfahren - weitere Verschlechterungen absehbar (01.09.2002)
 

(Text der Plattform für eine Welt ohne Rassismus - www.no-racism.net)

Wie ist das jetzt? Bekomme ich gleich mit der Asylantragstellung einen Termin bei der Rückkehrberatung, damit mir effizient zugeredet werden kann, dass ich in Österreich ein Asylverfahren gar nicht abwarten brauche und besser gleich wieder Richtung Heimat fahre? Flugticket inklusive?
Menschen die als Flüchtlinge nach Österreich kommen, haben Gründe, warum sie ihre Herkunftsländer verlassen haben und diese sollen im Asylverfahren geprüft werden. Wenn diese nicht in die enge österreichische Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, heißt das noch lang nicht, dass die Menschen so einfach abschiebbar sind, denn die Realität in den Herkunftsländern ist oft härter als sich kleine SchreibtischbeamtInnen oder ein wahlkampfverblendeter Minister vorstellen können.
Mit der neuen Richtlinie des Innenministeriums wurden die Lebensbedingungen für AsylwerberInnen schon so verschärft, dass es sich jedeR gut überlegen wird, in Österreich zu bleiben. Die "Hartnäckigen" sollen nun anscheinend unter Druck gesetzt werden, gleich wieder "heim"zugehen.
Rückkehr sollte auf dem Kriterium der Freiwilligkeit basieren, auch wenn dies vor dem Hintergrund der Illegalisierung, faktischem Ausschluss vom Arbeitsmarkt, fehlender Perspektiven in Österreich, etc. kritisch zu betrachten ist. Doch eine gewinnorientierte Firma wie European Homecare wird darauf nicht achten, denn ihr Profit hängt von ihrer "Erfolgsstatistik" ab - mehr Abschiebungen und schneller. Und sollte was schiefgehen, kann der Innenminister wieder einmal seine Hände in Unschuld waschen.


Seit Ende Oktober 2002 ist European Homecare in Österreich aktiv. Nach Angaben von Innenminister Ernst Strasser ist die Absicht des Innenministeriums, die Rückkehrberatung für Flüchtlinge mit dem sozialen Dienstleistungsunternehmen aus Deutschland zu professionalisieren. Im Vorfeld hatte es Verhandlungen mit Hilfsorganisationen wie der Caritas gegeben, die Kriterien wie Freiwilligkeit, ein faires Asylverfahren und die Entwicklung von Perspektiven im Herkunftsland ernst nehmen. Dadurch konnte bei den Gesprächen nach Angaben des Innenministeriums keine Ergebnisse erzielt werden, "aber die Situation verlangt nach Hilfestellungen" und diese werde man jetzt anbieten. Innenminister Strasser meinte zur Ablehnung von Hilfsorganisationen, "nachdem bisher das mit diesen Partnern nicht möglich war, haben wir einen international anerkannten renommierten Partner gesucht". Ziel der "Rückkehrberatung" von Homecare ist die rasche Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer, sollte ein Asylverfahren in Österreich aussichtslos sein. Das Projekt werde 100.000 Euro monatlich kosten. Erste Ergebnisse sollen bis Weihnachten vorliegen. Helene Partik-Pable von der FPÖ begrüßt die Entscheidung des Innenministeriums. Sie wirft den Hilfsorganisationen vor, "den Asylanten eher alle Wege aufgezeigt haben, wie man am besten in Österreich verbleiben kann, als sie tatsächlich dazu zu bewegen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren."

Die Rückkehrberatung der Caritas, ein Projekt im Rahmen eines Projektes des "Europäischen Flüchtlingsfonds" hatte für 2002 mit dem Innenministerium als Co-financier die Abmachung, Beratung durch 7 MitarbeiterInnen für rund 370 Menschen anzubieten, die freiwillig zurückkehren wollen Tatsächlich kehrten mit dieser Unterstützung mehr als 500 Menschen in ihre Herkunftsländer zurück. Die Kosten für das ganze Projekt lagen bei 700.000 € pro Jahr. Bei der Pressekonferenz der NGO s zur Asylpolitik am Freitag, 8.11.2002 machte Stephan Wallner (Caritas) darauf aufmerksam, dass nur jene Menschen dauerhaft Perspektiven im Herkunftsland suchen, die solche auch realistisch entwickeln können, wozu Bildung und eine sinnvolle finanzielle Starthilfe beitragen können.

Die "Rückkehrberatung" soll wohl auch die Anzahl der AsylwerberInnen in Österreich so schnell wie möglich reduzieren. Anfang Oktober 2002 waren aufgrund einer neuen Richtlinie des Innenministeriums hunderte AsylwerberInnen mit dem Argument aus der Bundesbetreuung entlassen worden, dass diese keine Chance auf Asylanerkennung hätten. Die sogenannte Bundesbetreuung regelt die Aufnahme von AsylwerberInnen in Österreich in staatlich finanzierte Unterkünfte. Im Jahr 2002 wurden gerademal 7.000 von mehr als 30.000 AsylwerberInnen in Bundesbetreuung aufgenommen. Der Großteil der AsylwerberInnen ist obdachlos bzw. auf die Unterstützung der NGOs angewiesen wie auch die Betreuungsstatistik der Notquartiere des Evangelischen Flüchtlingsdienstes (efdö) zeigt, die Michael Chalupka (efdö) bei der Pressekonferenz zur Asylpolitik präsentierte: Von den 187 untergebrachten Menschen hatten mehr als die Hälfte (51 %) noch keinen erstinstanzlichen Bescheid, 27 % haben dagegen Berufung eingebracht, 4 % sind im höchstinstanzlichen Verfahren - Somit sind mehr als ¾ der Menschen im Notquartier AsylwerberInnen. Durch die fehlende Unterbringung und Versorgung werden viele Menschen systematisch illegalisiert, denn in der Obdachlosigkeit ist kein faires Asylverfahren möglich. Weiters wird die Weiterwanderung in andere europäische Staaten favoristiert (die von Innenminister Strasser mit dem Modewort des "Asylshopping" belegt wurde) gegen die er zu kämpfen vorgibt, die er im Gegensatz jedoch durch seine neue Richtlinie unterstützt.

Die Übertragung der "Rückkehrberatung" von humanitären Organisationen zu einem wirtschaftlich orientierten Privatunternehmen stößt nach wie vor auf Kritik. Die Privatfirma wird wohl keine lästigen menschenrechtlichen Fragen mehr stellen sondern im Sinne der Auftraggeberin - des Innenministeriums - für eine möglichst effiziente und schnelle "Rückkehr" der Flüchtlinge sorgen. Kriterien wie Freiwilligkeit, Beratung die auf Vertrauen aufbaut oder gar Sicherheit und Perspektiven im Herkunftsland werden keine Rolle spielen.

Die Organisation war bisher nur in Deutschland tätig. Nach Angaben einer Unternehmenssprecherin gebe es außer nach Österreich sonst noch mit der spanischen Regierung Kontakte. Die ersten MitarbeiterInnen von "European Homecare" sind seit Anfang Oktober im Flüchtlingslager Traiskirchen bei Wien tätig, wo das "Betreuungszentrum" eingerichtet wird. Die Container sind für rund 100 Menschen konzipiert, in denen alle untergebracht werden, die sich nach der Asylantragstellung und dem Ausschluss aus der Bundesbetreuung u.a. aufgrund der neuen Richtlinie bei der Abteilung III/15 (Abteilung des Innenministeriums für Integration und Weiterwanderung ) vor die Alternative Obdachlosigkeit oder Rückkehrberatung gestellt, für letzteres entscheiden. Nach dem Gespräch mit der Rückkehrberatung werden sie für drei Tage im Container untergebracht, wo sie unter Einfluss der MitarbeiterInnen von Homecare ihre Entscheidung überlegen können. Die Aufenthaltsdauer in den Containern soll maximal eine Woche betragen, in dieser Zeit soll die Rückkehr organisiert und durchgeführt werden. European Homecare" prüft derzeit, ob eine Rückkehrberatung innerhalb einer Woche realistisch ist.

Die Firma Homecare arbeitet erfolgsorientiert: je mehr Flüchtlinge nach der Beratung Österreich verlassen, desto "erfolgreicher" wird die Firma für Strasser sein. In Traiskirchen war die Homecare-Rückkehrberatung bisher noch nicht sonderlich "erfolgreich": In den ersten zwei Wochen ihrer Tätigkeit wurde bisher ein Mann aus Rumänien "zurückgekehrt", einige Armenier, die der Rückkehr zugestimmt hatten, nutzen die Gelegenheit bei der Beschaffung der Heimreisepapiere in der Botschaft "verloren zu gehen" und ihre Zukunft selbst zu bestimmen.

Die "European Homecare" ist ein kommerzielles Unternehmen, hat rund 220 MitarbeiterInnen und betreibt im Auftrag der öffentlichen Hand in Deutschland AsylwerberInnenwohnheime. Betreut werden derzeit rund 4000 Flüchtlinge. Das "private Dienstleistungsunternehmen" - es hat 16 Häuser in Deutschland - hat sich nach eigenen Angaben seit vielen Jahren einer "umfassenden" Betreuung des Asyl- und Flüchtlingswesens verschrieben. Geboten werden unter anderem Unterbringungs- und Beratungsmöglichkeiten, wird von Unternehmensseite betont. Als Modellprojekt nennt "European Homecare" eine Erstaufnahmestation für Flüchtlinge in Chemnitz, in der 750 Menschen umfassend betreut werden könnten. In Zusammenarbeit mit den Behörden würden alle anfallenden Aufgaben getätigt. Weitere Standorte von European Homecare: in einem Wohnheim in Dranske auf der norddeutschen Insel Rügen werden 250 AsylwerberInnen betreut. Im Wohnheim Möhlau in Sachsen-Anhalt sind 550 Flüchtlinge untergebracht. Seit Mitte 2001 wird die Zentrale Unterbringungseinrichtung für AsylwerberInnen Düren in Nordrhein-Westfahlen von European-Homecare betreut.
Prinzip des in Essen ansässigen Unternehmens ist es als Dienstleisterin für die öffentliche Hand in Erscheinung zu treten. Dementsprechend gehören zu den KundInnen in erster Linie Kommunen, Städte und Gemeinden. Erledigt wird alles, was im Zusammenhang mit dem Flüchtlingswesen anfällt. Die Bereitstellung von Wohnraum (durch Anmietungen) und die Versorgung von Flüchtlingen mit Lebensmitteln und Hygiene-Artikeln fällt ebenso darunter wie Beratungstätigkeiten.

Anfang November kam eine interne Information des Innenministeriums an European Homecare an die Öffentlichkeit:

"Es würde nicht schaden, wenn bei den Beratenen der Eindruck eines zügig abgewickelten Asylverfahrens entstünde, an dessen (baldigem) Ende (erwartungsgemäß rechtskräftige Antragsabweisung) die entsprechenden fremdenrechtlichen Verfügungen bzw. Zwangsmaßnahmen stehen. . . Dann ist von Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung die Rede. Alles mit dem Hinweis versehen: . . . wie telefonisch besprochen, bitte diskret behandeln, insbesondere keine schriftlichen Instruktionen für die Mitarbeiter aufzunehmen."
Der zuständige Sektionschef im Innenministerium Wolf Szymanski verteidigt die Anweisungen: "Wenn man sagt, dass Asylverfahren jedenfalls zwei Jahre oder länger dauern und währenddessen keine Abschiebung möglich ist, wäre das zwar richtig, aber einer Rückkehrberatung nicht dienlich."
In der Praxis müssen AsylwerberInnen jahrelang auf den Ausgangs ihres Verfahrens warten, was auch an der ausgesprochen schlechten Qualität der erstinstanzlichen Verfahren und Entscheidungen durch das Bundesasylamt liegt, weshalb viele AsylwerberInnen Berufung einbringen, die dann vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) behandelt werden. Da es derzeit einen Rückstau von 7600 noch zu bearbeitenden Verfahren gibt, fordert der UBAS dringend eine Vereinfachung der Verfahren und Verbesserung der ersten Instanz, da derzeit meist eine Gesamtwiederholung nötig ist. Es kann daher nicht von einem "zügig abgewickelten" Asylverfahren gesprochen werden, denn die Verfahren dauern oft monate- oder jahrelang.
Die interne Mitteilung bestätigt die Kritik an der privaten Rückkehrbeatung. Das Innenministerium zahlt 100.000 Euro pro Monat an European Homecare um Druck auf Flüchtlinge auszuüben. Die Beratung zielt darauf ab, AsylwerberInnen ungeachtet ihrer Fluchtgründe aus dem Asylverfahren zu halten bzw. einen bereits gestellten Asylantrag zurückzuziehen.

Kritik kommt auch von der Leiterin des österreichischen UNHCR-Stelle Karola Paul : "Es ist der Gipfel, dass man den Leuten vorgaukelt, etwas zu bekommen, was es nicht gibt. Jeder hat ein Recht, dass man sich seinen Fall anschaut, und das geschieht einfach nicht. Zu dieser Rückkehrberatung kommen nur jene, die aufgrund einer gesetzlich nicht abgesicherten Liste von sicheren Herkunftsstaaten zugewiesen werden." Damit spricht sie auf die umstrittene Richtlinie von Innenminister Ernst Strasser an, die Angehörige vieler Staaten aus der staatlichen Bundesbetreuung ausnimmt (z.B. Leute aus dem Kosovo, aus den meisten afrikanischen Ländern, aus Pakistan, Indien, Bangladesch etc.).
Paul: "Diese Leute kommen zu European Homecare, ohne angehört worden zu sein. Man weiß also nicht, ob sie echte Asylgründe haben."

AsylwerberInnen sollen in bezug auf ihre Asylverfahren also getäuscht werden. Gemäß der Mitteilung des Innenministeriums an European Homecare sollen Flüchtlinge den Eindruck bekommen, dass ihr Asylverfahren keine Chance hat und sie deshalb so schnell wie möglich "freiwillig" in das Herkunftsland zurückkehren sollen. Die Aufklärung darüber, dass AsylwerberInnen mit laufendem Asylverfahren eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung in Österreich haben, unterbleibt. Kein Wunder, dass sich das Innenministerium ein kommerziell orientiertes Privatunternehmen holt um AsylwerberInnen hinters Licht zu führen. European Homecare wird keine Unannehmlichkeiten fürs Innenministerium bereiten und etwa Kritik an der österreichischen Asylpolitik üben.



European Homecare:


www.eu-homecare.com
   
 

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