Quellenangabe:
Bericht von der Bleiberechtskonferenz in Linz (vom 26.04.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2534/,
besucht am 24.11.2024
[26. Apr 2008]
Am 4. April 2008 trafen sich ca. 200 Leute in Linz zur österreich- weiten Konferenz "Bleiberecht JETZT". Eine Zusammenfassung der Diskussionen und Ergebnisse.
Schon am Vormittag fand eine Pressekonferenz statt, bei der einige ausgewählte VertreterInnen der größeren NGO's und der Plattform der BürgerInneninitiativen aus Oberösterreich die Anliegen der etwas später beginnenden Konferenz der Presse mitteilten. Doch etwas dann wurden sie überrascht:
Kaum eineR hatte damit gerechnet, dass sich der Plenarsaal im Wissensturm der Volkshochschule in Linz so schnell füllen würde. Das Interesse war groß und aus ganz Österreich waren Interessierte zum Informationsaustausch und zur Vernetzung nach Linz gekommen. Mit einem Trommelwirbel wurde die Konferenz um 13.00 Uhr eröffnet. Es folgten Begrüßungen durch VertreterInnen von Forum Asyl und Land der Menschen, die zur Konferenz eingeladen hatten. Danach durften Prominente und PolitikerInnen der Landesparteien von SPÖ und Grünen in OÖ das Wort ergreifen. Zwischendurch wurden Videos und Fotos von Protesten des vergangenen Jahres eingespielt.
Ein Rechtsanwalt erklärte kurz die rechtliche Situation von AsylwerberInnen vor dem Hintergrund der Bleiberechtsdiskussion, bevor die VertreterInnen der lokalen BürgerInneninitiativen und Bleiberechtsgruppen zu Wort kamen. Vor allem die zahlreichen Initiativen aus Oberösterreich, die laut ihren Angaben 65 Familien und 9 Einzelpersonen unterstützen, können auf ein ereignisreiches Jahr zurückblicken, wenngleich die Erfolge der zahlreichen und viel Aufmerksamkeit erregenden Proteste eher bescheiden sind, denn es konnten nur vorübergehende Lösungen erreicht werden, mit einer Ausnahme: Zur Feier des Tages wurde mitgeteilt, dass eine Familie aus Gallneukirchen, die seit 10 Jahren für ein Bleiberecht in Österreich kämpft, eben einen humanitären Aufenthaltstitel erhielt.
Nach den Berichten aus Oberösterreich wurde der Film :: "wait and go" gezeigt. Dieser Film wurde von SchülerInnen aus Perg gedreht und hat die ständig drohende Abschiebung zum Thema. Er ist auf der Homepage des :: Europagymnasium zu sehen.
Nach den Berichten aus OÖ erzählten VertreterInnen aus Tirol, Wien und der Steiermark von ihren Protesten gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht.
Anschließend begann mit etwas Verspätung eine halbstündige Pause - angesichts der zahlreichen Anwesenden viel zu wenig Zeit für Austausch und persönliche Gespräche. Die Leute diskutierten über ihre Erfahrungen und die zahlreichen Enttäuschungen, die sie mit den Behörden in Österreich gemacht hatten. Unter den Anwesenden waren zahlreiche MigrantInnen, die bisher keine Möglichkeit hatten, das Wort zu ergreifen - und das, obwohl es sich eigentlich um sie drehte?
Deshalb war wohl die Erwartung, dass die Workshops ein Forum zum Austausch bieten würden, sehr groß. Am Programm standen
1. der Austausch über bisherige Aktionsformen und mögliche Ansatzpunkte,
2. der Austausch über Vernetzungsstrategien von KünstlerInnen,
3. Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Bleiberecht
4. Möglichkeiten gemeinsamer Aktivitäten österreichweit und
5. Aktivitäten im Schulbereich
Die Zeit für die Workshops war relativ kurz bemessen, weshalb auch bei einigen Workshops die Zeit etwas überzogen wurde. Von Workshop 1 gibt es einen detaillierten Bericht :: Apropos Gerechtigkeit: Wer hat hier das Wort?
Nach den Workshops sollte eine künstlerische Einlage stattfinden und ein Ausschnitt aus der ORF-Sendung "Heimat fremde Heimat" gezeigt werden, jedoch waren zu diesem Zeitpunkt nur wenige Leute im Saal, da das Bedürfnis nach Austausch zwischen den TeilnehmerInnen der Konferenz weiterhin sehr groß war, auch dadurch, dass die Workshops weiteren Gesprächsstoff lieferten und die Diskussionen in kleineren Gruppen fortgesetzt wurden.
Zum Beginn der Berichte der einzelnen Workshops waren dann schon mehr Leute im Saal. So waren noch 80-100 Personen im Saal, etliche waren aufgrund der fortgeschrittenen Zeit schon wieder aufgebrochen. Im Folgenden werden die Ergebnisse der einzelnen Workshops stichwortartig zusammengefasst.
WS 1: Austausch über bisherige Aktionsformen
Im Anschluss an die Präsentation der Workshops standen eine Diskussion zur weiteren Vorgangsweise und die Planung gemeinsamer Aktivitäten am Programm.
Den Beginn machte eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Workshops, wobei sich zeigte, dass diese durchaus vereinbar sind. Hier eine kurze und subjektive Zusammenfassung der abschließenden Diskussion und der Ergebnisse hinsichtlich weiterer Aktivitäten.
Mehrere Leute wünschten sich, dass Informationsmaterialien erstellt werden, die bei verschiedenen Aktionen und zu diversen Anlässen verteilt werden können. Einige dachten bei einheitlichem Material auch an einheitliche Logos usw. Dazu gab es aber auch die Kritik, dass sich die Proteste für Bleiberecht bisher vor allem durch ihre Vielfältigkeit auszeichneten und dass diese auf jeden Fall erhalten bleiben sollte. Auch deshalb, weil die Positionen zum Teil sehr unterschiedlich sind. Sehr wohl sollte aber auf eine verstärkte Vernetzung hin gearbeitet werden - und in Zukunft mehr Zeit für inhaltliche Diskussionen genommen werden.
Zur Frage einer Homepage stand zur Debatte, ob es eine oder viele geben soll. Dazu wurde auch angemerkt, dass es schon mehrere Homepages gibt und dass auf diese das Thema Bleiberecht mehr thematisiert werden - und die Seiten untereinander besser verlinkt werden sollten. Einige Leute erklärten, dass sie eine Homepage zum Thema Bleiberecht erstellen werden. (Dazu eine Anmerkung von no-racism.net: Falls wer Texte zum Thema auf no-racism.net veröffentlichen will, kann diese einfach :: via Kontaktformular schicken.)
Es gab aber auch Kritik an fehlenden Inhalten. So wurde in einem Statement angemerkt, dass alles zu sehr auf dem Level des Mitleids abgehandelt werden würde. Die Flüchtlingsbewegung sei eine Bewegung, die viel auf sich nimmt und so politische und ökonomische Missstände aufzeigt. Der Kampf für Bleiberecht sei eine Frage der Gerechtigkeit und eine Frage des Sinns.
Der Vorschlag, rund um den Weltflüchtlingstag gemeinsame Aktionen durchzuführen, wurde kontrovers diskutiert. So wurde eingewendet, dass die Themen Bleiberecht und Flucht nicht vermischt werden sollten und dies zu einem inhaltlich problematischen "Einheitsbrei" führen könnte. Andererseits wurde argumentiert, dass der Schwerpunkt beim Thema Bleiberecht liegen sollte. Einige Organisationen werden aber auf jeden Fall zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni Aktionen machen.
Worauf sich alle einig waren, die sich zu Wort meldeten, ist die Idee eines gemeinsamen Aktionstages, der voraussichtlich im Oktober stattfinden soll. Dazu wurde angeregt, den Bleiberechtstag am oder um den 7. Oktober (ist heuer ein Dienstag) zu machen. Im Rahmen des :: Weltsozialforums in Nairobi wurde dieser Tag zum internationalen Tag der Solidarität mit MigrantInnen erklärt. Damit soll an die :: Ereignisse vom 7. Oktober 2005 erinnert werden, bei denen mehrere Menschen an den Grenzzäunen von Ceuta und Melilla erschossen wurden. In Verbindung mit diesem internationalen Aktionstag könnte neben dem Sichtbarmachen der österreichweiten Bestrebungen für ein Bleiberecht eine Verbindung zu den weltweiten Kämpfen für Bewegungsfreiheit hergestellt werden.
Das Schlusswort in der Diskussion war beeindruckend. Deshalb im folgenden der Versuch, die Worte der Jugendlichen frei zusammen zu fasse: Es bedeutet Mut, ein Land zu verlassen und in ein anderes Land zu gehen. Und dieser Mut muss erst einmal aufgebracht werden. Zunächst fragte sie sich, warum sich ihr Vater für diesen Schritt entschloss, jetzt ist sie aber froh darüber. Sie forderte Respekt für MigrantInnen und fügte hinzu: "Es wäre schade, wenn ich zurück müsste." Abschließend sagte sie: "Es ist schön, dass ich das letzte Wort habe. Macht's was d'raus!"
Die letzten Minuten wurden dazu verwendet, dass sich die VertreterInnen der einladenden Organisationen, Forum Asyl und Land der Menschen, bei den Anwesenden bedankten. Die Vertreterin vom Forum Asyl fügte hinzu, dass sie mehrere Aufträge aus der Konferenz mit nach Hause nehme. Persönlich warf sie ein: "Vielleicht kommen wir zu dem Punkt, wo wir uns nicht mehr für ein humanitäres Aufenthaltsrecht einsetzen müssen, weil es ein Bleiberecht gibt."
Der Vertreter von Land der Menschen erklärte, dass seine Organisation der Organisation einer Vorbereitungskonferenz für einen Bleiberechtstag am 31. Mai positiv gegenüber stünde.
Danach endete die Konferenz und der Saal leerte sich um ca. 18:00 relativ schnell. Als persönlichen Eindruck kann abschließend angemerkt werden, dass die Konferenz die Erwartungen wohl aller TeilnehmerInnen übertraf, wenngleich festgehalten werden sollte, dass in Zukunft bei der Planung darauf geachtet werden sollte, dass auch jene zu Wort kommen können, die sonst nicht die Gelegenheit dazu haben.
Ob und wie erfolgreich die Bestrebungen zur Vernetzungen sind, wird sich zeigen. Entweder bei der nächsten Konferenz (die Ende Mai bzw. Anfang Juni 2008 wieder in Linz stattfinden soll) oder beim Bleiberechtstag im Oktober 2008.