Workshop zur antirassistischen Indikatorenbildung, 10./11.04.03, Wien
Der Workshop wurde von der EP Verschiedene Herkunft - Gemeinsame Zukunft
in Zusammenarbeit mit dem VIDC organisiert. Eingeladen waren MitarbeiterInnen
des BUM (open up).
Folgende Stellungnahme ist am Abend des 10.04.03 entstanden und von den
MitarbeiterInnen des BUM am folgenden Tag im workshop präsentiert
worden.
Beitrag und Stellungnahme zum ExpertInnen-Workshop zur antirassistischen
Indikatorenbildung
10. und 11. April VIDC
Araba E. Johnston-Arthur
und
Andreas Goerg
EQUAL Projekt open up - empowerment gegen rassismen am arbeitsmarkt/ Peregrina
B.U.M. buero fuer ungewoehnliche massnahmen
Wir haben uns gestern abend noch lange beraten, was und wie wir auf Basis
des ersten Tages des ExpertInnengespraechs zum logischen Rahmen weiter
agieren und beitragen wollen. Wir haben uns in einer Zwickmuehle wiedergefunden:
Einerseits lehnen wir den logischen Rahmen als eurozentristisches Konzept
und als Instrument des Durchgriffs der Buerokratie auf die Projekte, NGOs
und Selbstorganisationen ab. Wir wuerden unserer eigenen Position widersprechen
und koennen es nicht vertreten, wenn wir - wie gestern nachmittag geschehen
- genau zu dem "antirassistischen" Gewuerz instrumentalisiert
werden, das wir eigentlich alle gemeinsam als problematisch erachtet haben
und das eine politisch antirassistische Arbeit laehmt.
Andererseits sehen wir die Notwendigkeit u.a. auch fuer das VIDC wegen
des in 2 Wochen angekuendigten Seminars zum logischen Rahmen, dass dieses
ExpertInnengespraech ein konstruktives, greifbares Resultat bringt. Anknuepfend
an den gestrigen Vormittag muessten wir jedoch nicht anders fortfahren,
als das gesamte Konzept und die Anlage unseres Zusammenseins ganz grundlegend
in Frage zu stellen, was den vorgegebenen Rahmen sprengen wuerde.
Gleichzeitig liegt es uns aber auch fern, uns einfach der Verantwortung
zu entziehen, die unserem professionellen Anspruch als sogenannte 'ExpertInnen'
entspricht. Daher haben wir uns am gestrigen Abend noch Zeit genommen
um einen Text zu verfassen, der unsere Position skizziert und den Ihr
nach dem hoffentlich fuer Euch konstruktiven ;-) heutigen Tag lesen koennt.
Ausserdem sind wir hierher gekommen, um Euch diesen Text als unseren Beitrag
zum heutigen Tag persoenlich zu geben und damit zu unterstreichen, dass
wir mit Euch im Gespraech bleiben wollen.
Nun zu einigen Kritikpunkten im Einzelnen:
1.) "in gewisser Weise hat jedeR von uns eine antirassistische Erfahrung"
Die Killerassumption, die am vormittag festgehalten wurde, naemlich dass
es fatal ist, von einem antirassistischen Handeln auszugehen, ist am Nachmittag
voellig ignoriert worden. Wir sind auf das Konzept des logischen Rahmens
eingestiegen, haben unser Projektziel mit antirassistischer Intervention
in Gemeinden und ein Oberziel implizit mit Gleichstellung/Partizipation/Integration
angenommen und davon ausgehend haben wir dann Ressourcen und Aktivitaeten
aufgezaehlt. Diese waren damit automatisch mal antirassistisch und damit
sind wir genau in die Falle getappt, die am vormittag als Killerassumption
benannt wurde. Wir sind nicht auf die rassistische Normalitaet eingegangen,
sondern haben uns allein durch die Zielsetzung kontrafaktisch gleichsam
herausgehoben als die engagierten, weissen AntirassistInnen. Dadurch werden
im Ansatz Machtverhaeltnisse reproduziert und Diskriminierungen unsichtbar
gemacht. Die Eingangsperspektive setzt bestimmte Ausschliessungen in Gang,
die sich durch den gesamten nachfolgenden Denkprozess durchziehen.
2.) "Antirassismus ist ja auch Schwamm pur, wie uns der Vormittag
anschaulich gezeigt hat"
Am Vormittag haben wir eine Strukturanalyse der Organisation von Verschiedene
Herkunft - gemeinsamen Zukunft begonnen. Aus dieser Analyse hat sich ergeben,
dass es aus weisser antirassistischer Perspektive so etwas wie ein allgegenwaertiges
strukturimmanentes "Anfangsdilemma" gibt. "Archein"
bedeutet im Griechischen anfangen und herrschen. Wer beginnt, herrscht.
Diese Analyse hat zwar zu einem Erkenntnisansatz gefuehrt. Aber an das,
was sich aus dieser Analyse als Potential ergeben hat, konnte am Nachmittag
nicht mehr angeknuepft werden. Dies war aus unserer Sicht deshalb nicht
moeglich, weil die Methode des logischen Rahmens, auf die wir uns am Nachmittag
eingelassen haben, Antirassismus auf das Beiwerk, das Gewuerz zum Rahmen
reduziert. Ein Anknuepfen an den Vormittag war am Nachmittag nicht mehr
gewollt, obwohl die Moeglichkeit dazu auch aufs Tappet gebracht wurde.
3.) Das antirassistische Dreamteam: die Betroffene und der weisse Mann
(er ist Wissenschaftler!)
Andreas wurde schon im Vorfeld die Funktion des wissenschaftlichen Experten
zugeschrieben. Araba hingegen wurde urspruenglich als "betroffene
Expertin" eingeladen. Arabas exzeptioneller Betroffenheitsstatus
wurde auch in der Frueh in den Raum geworfen. Am Vormittag haben wir versucht,
diese Zuschreibungen aufzuloesen, indem wir die Begriffe von Betroffenheit
und ExpertInnentum thematisiert und problematisiert haben. Von der Inanspruchnahme
der Sprechposition her waren Araba und Andreas am Vormittag ziemlich gleichberechtigt
vertreten. Am Nachmittag hingegen sind wir vollends in die vorher zugeschriebenen
Rollen hineingekippt. Andreas hat in der zugeschriebenen Funktion als
wissenschaftlicher Experte sehr leicht Definitionsmacht ausueben, die
Federfuehrung uebernehmen und den Prozess am nachmittag inhaltlich staerker
beeinflussen koennen. Seine Interventionen z.B. dass alle Ressourcen in
andere Ressourcen konvertierbar sind, wurden sehr schnell und ohne groessere
Einwaende akzeptiert. Aus dem Abschneiden der Grundsatzkritik resultierte
demgegenueber ein selbstgewaehlter Verzicht auf weitere Interventionen
seitens Araba. Aus der Gruppendynamik heraus wurde Araba damit aber wieder
auf die Rolle der Betroffenen festgelegt und ansatzweise victimisiert.
Selbstkritisch halten wir fest, dass es uns nicht gelungen ist ein wirksames
tool zu finden, um eine antirassistische Strukuranalyse zu verankern und
dass wir unseren dahingehenden Versuch als gescheitert ansehen. Auch in
unserer anschliessenden Reflexion und Intervision haben wir keine Moeglichkeit
gefunden, das Setting so zu transformieren, um in weiterer Folge am 11.
April daran gemeinsam unserem Ansatz entsprechend weiterarbeiten zu koennen.
Dieser unser Rueckzug auf die Ebene des Textes dokumentiert letztlich
unser Scheitern.
4.) "Ich verpflichte mich, alle heiklen Informationen, die mir im
Zuge dieses ExpertInnengespraechs zu Ohren kommen sollten, vertraulich
zu behandeln"
Obwohl wir hier Kritik ueben, ist es uns wichtig zu betonen, dass wir
in keinster Weise davon ausgehen, dass wir Zeit verloren haben oder dass
der Tag ergebnislos verlaufen ist. Im Gegenteil: Fuer uns war das ExpertInnengespraech
eine reichhaltige Erfahrung. Wir werden diese Erfahrung und unsere Schluesse
daraus im Rahmen unseres EQUAL-Projekts im laufenden Prozess der Weiterentwicklung
antirassistischer Arbeitspraxis sehr gut verwerten und nutzbar machen
koennen - selbstverstaendlich nur in anonymisierter und abstrahierter
Form.
Wir wollen wollen hervorheben, dass jede Beschaeftigung mit den eigenen
Handlungschancen Aspekte von Empowerment beinhalten kann, auch im logischen
Rahmen. Wenn Interesse besteht, sind wir selbstverstaendlich mehr als
bereit, die Diskussion fortzusetzen. Wir sehen das als elementaren Teil
unserer Arbeit.
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